Samstag, 2. August 2008

Ärzte der alten Schule

Lange war ich nicht mehr bei meinem Augenarzt. Zufällig war ich dieser Tage in der Parkstraße in Dessau (Heißt die überhaupt noch so oder haben die städtischen Straßennamenumbenenner auch noch diesen treffenden Namen - da am Park gelegen -abgeschafft?), wo sich die Praxis meines Augenarztes Dr. Wege befand. „Befand“! Leider, denn Dr. Wege hat aufgehört zu praktizieren! Dies wußte ich nicht und leise Wehmut beschlich mich, denn nun ist ein weiterer Arzt der alten Schule weniger in Dessau zu dem man Vertrauen finden konnte, ja wo es geradezu ein gutes Gefühl gab, wenn man dort als Patient hingehen durfte. Mit „alter Schule“, da meine ich Ärzte die den Patienten in Würde empfingen in ihren oft großbürgerlichen Villen, deren Außen und Interieur sich so wunderbar dem Stil des ärztlichen Praktizierens anpaßte. Diese Umgangsformen in punkto Stil und Vertrauen, die vermisste ich oft bei den meistens jungen heutigen Ärzten mit ihrer kalten und oft nur auf den Kommerz ausgerichteten Art in den letzten Leidensmonaten meiner Mutter. Noch heute überkommt mich das Grausen wenn ich an die flapsige und schnoddrige Art und Weise dieses Ärztenachwuchses denke und ihrem würdelosen Umgehen mit alten Menschen. Ganz anders dagegen ein erfahrener Arzt der alten Schule, der Hautarzt Dr. Kaste. Gern denke ich an die Besuche bei ihm mit meiner Mutter in den letzten Jahren zurück. In einer großbürgerlichen Villa am Georgium-Park wohnend und praktizierend – allein das Ambiente des Hauses und Vorgartens verbreitete wohltuende Atmosphäre – behandelte er meine Mutter ein paar Jahre lang mit Erfolg wegen eines weißen Hautkrebses.

Schon betagt suchte meine Mutter wegen einer Hautanomalie vor Jahren eine junge Hautärztin auf. Diese diagnostizierte Hautkrebs an der Nase und schrieb gleich einen Einweisungsschein für die Hautklinik zur chirurgischen Entfernung des Krebses und sagte gleich dazu, daß danach die Nase entstellt wäre und die ganze Sache wohl längere Zeit brauchen würde um abzuheilen. Ein kleiner Schock damals! Ich traute der jungen Ärztin nichts zu, denn schon wie sie die ganze Sache abhandelte zeigte mir, daß sie wenig von ärztlichem Einfühlungsvermögen verstand, den Menschen auch nicht in seiner Gesamtheit sah, weder das hohe Alter berücksichtigte noch andere Krankheiten und überhaupt keine alternativen Heilmethoden anbot, eben eine typische 0815-Ärztin mit der heutigen Fließbandmentalität für Kassenpatienten. Wie schon Prof. Hackethal in seinen Büchern diesen Typus Arzt eben treffend beschrieb, mit seinem Hang alles und jeden gleich unters Messer bringen zu wollen. Ich war es dann, der meine Mutter einen zweiten Arzt aufsuchen ließ, was man in heutigen Zeiten bei einer Diagnose nur jedem dringend empfehlen muß, und da kamen wir an den sehr erfahrenen Hautarzt Dr. Kaste, der gleich mehrere alternative Methoden zur Behandlung ohne Operation anbot. Ein Stein fiel der Mutter vom Herzen. Die Behandlungen bei Dr. Kaste waren sehr erfolgreich. Wir mußten zwar des öfteren dort hin, aber der Krebs wurde ohne Operation eingedämmt und Mutter hatte eine OP weniger in ihrem Leben zu verkraften gehabt. Bei weit über einem Dutzend anderen OP`s schon ein wesentlicher Gewinn an Lebensfreude und ihre Nase blieb bis zu ihrem Tode eben nicht entstellt, wie dies bei einer Operation der Fall gewesen wäre.

Immer wieder begegneten uns diese wenigen Ärzte der alten Schule, die den Menschen in ihrer Gesamtheit sahen und die für den Menschen die beste Heilmethode individuell aussuchten unter Berücksichtigung der Lebensumstände und anderen Krankheiten des Patienten, so z.B. der wunderbare Köthener Urologe Dr. Bittner, dem meine Mutter viel zu verdanken hatte nach all den katastrophalen Erfahrungen in einer anderen Klinik. Die medizinischen Einzelheiten in diesem Fall würden den Rahmen des Blogs sprengen, aber es sei nur soviel gesagt, daß ein ganz entscheidender Fakt die Persönlichkeit des Arztes ist, wie und mit welcher langjährigen Erfahrung und Menschenkenntnis er seinen Beruf ausübt und nicht nur ans Geldverdienen denkt, wie die Schar der vielen jüngeren heutigen Ärzte, zu denen man kaum Vertrauen fassen kann und wo gesundes Mißtrauen angebracht ist. Daß der Kommerz nun schon gar den ärztlichen Notdienst voll im Griff hat, dies weiß mittlerweile jedes Kind. Makaber wenn der sich in Schmerzen krümmende Notfallpatient als erstes nach seiner Geldbörse suchen muß um die 10 Euro Notfallgebühr zu berappen oder wenn es solche frappierenden Unterschiede beim Honorar für die Ausstellung eines Totenscheines gibt (Beim Tod meines Vaters nahm der Arzt 50 Euro, beim Tod meiner Mutter verlangte ein anderer Arzt das dreifache.). Offenbar ist der ärztliche Notdienst ein einträgliches Geschäft geworden, ganz im Gegensatz zur Notdienstbereitschaft in DDR-Zeiten, wo es nur eine kleine Aufwandsentschädigung gab, denn wie sonst kann man es sich erklären, daß sogar Universitätsklinikärzte aus Halle sich für den Notarztdienst in Dessau einteilen lassen. Da fragt man sich unwillkürlich, was es denn auf sich hat mit der Überlastung von Klinikärzten, wenn diese noch Zeit finden ganze Nächte Notdienste in fremden Städten zu machen? Merkwürdigerweise hatte ich aber gerade von der Uniklinik Halle den Eindruck, daß dort viel zu wenige Ärzte sich um die Patienten kümmerten und ich nahm an, es herrsche chronischer Personalmangel. In dem Zusammenhang mit eben diesen Nebenbeschäftigungen, da sieht man die Sachlage aber eben doch in einem anderen Licht.