Samstag, 29. Juni 2013

Unmögliche Öffnungszeiten im Dessauer "Naturbad Mosigkau"

Da sind nun wegen der vergangenen Hochwasserflut mehrere Freibäder in unserer Gegend auf längere Sicht geschlossen worden (Freibäder: Kühnauer See, Akazienteich, Stillinge) und da macht das vom Hochwasser verschonte Naturbad Mosigkau zu diesen unmöglichen Zeiten auf, bzw. eben nicht auf?
 


Unmöglich, diese Öffnungszeiten, denn was heißt hier bei Badewetter ab 14 Uhr geöffnet und was ist „Superbadewetter“, wo man dort „schon“ 11 Uhr aufmachen will? Also willkürlicher geht es nicht, denn eine Familie die z.B. aus der Dessauer Innenstadt dort zum Baden hinfahren will, die weiß absolut nicht woran sie ist. Ist überhaupt das Bad geöffnet, ist es ab 11 Uhr geöffnet oder erst ab 14 Uhr? Dies steht alles in den Sternen. Wenn diese badelustige Familie allerdings sich nach Angaben im Internet richten sollte, dann ist sie total angeschmiert, denn dort steht, daß das Naturbad Mosigkau täglich von 10 - 20 Uhr geöffnet hat, siehe: http://www.ab-ins-schwimmbad.de/Dessau/Naturbad-Mosigkau.html

Der Niedergang Dessaus seit der Wende zeigt sich einmal mehr an diesen Zuständen. Nun ja, es ist den Dessauern die baden gehen wollen sowieso anzuraten einen See (z.B. Sollnitz) aufzusuchen wo kein horrender Eintritt bezahlt werden muß (Naturbad Mosigkau Eintrittskarte für Erwachsene 2,50 Euro). Wenn man sich vorstellt, daß zu DDR-Zeiten für eine Freibad-Eintrittskarte 5 Mark (von Euro in Mark der DDR umgerechnet) hätte bezahlt werden müssen, dann hätte man das für einen schlechten Witz gehalten, noch dazu für ein Bad welches so kuriose Öffnungszeiten den Besuchern zumutet.

Gymnasium Borken: Sexualkunde-Hysterie á la Zeit um 1850

Zurück ins geistige Mittelalter - anders kann man es nicht bezeichnen, wenn man die hysterische Reaktion von 12jährigen Schülern eines Gymnasiums beim Sexualkundeunterricht reflektiert, die jetzt durch alle Medien ging, siehe auch: http://www1.wdr.de/themen/panorama/sexualkunde104.html .

 Wundern muß man sich allerdings nicht über die krankhafte Reaktion der Schüler, die über Zeichnungen (!) von Geschlechtsorganen so geschockt waren, daß sie reihenweise in Ohnmacht fielen - sogar der Notarzt hatte einen Großeinsatz, dies mit Einweisungen ins Krankenhaus! Siehe hier die Zeichnungen des Anstoßes:
 
 
Seit über 20 Jahren geht die sexualkundliche Erziehung immer mehr ins geistige Mittelalter zurück, Prüderie und Sexualabwehr werden Kindern und Jugendlichen geradezu eingeimpft, dies auf Betreiben reaktionärer gesellschaftlicher Kreise, wie christlicher, islamischer und feministischer Kräfte. Nacktheit, Freikörperkultur, Sexualität sollen von Minderjährigen fern gehalten werden, so wie das schon vor 1900 der Fall war, so um 1850 herum. Es ist klar, daß bei Jugendlichen, wie diesen in Hysterie verfallenen Gymnasiasten, schon der alleinige Anblick von Zeichnungen von Geschlechtsorganen genügt um in Ohnmacht zu fallen, wenn sie bisher von solchen Dingen krampfhaft fern gehalten wurden, durch sogenannte Kindersicherungen im Internet, dem Fernhalten von Zeitschriften wo Nacktes gezeigt wird und dergleichen mehr. Während Hauptschüler schon längst in diesem Alter schon diesen und jenen Sexfilm gesehen haben und denen solche harmlosen Zeichnungen nicht mal ein müdes Lächeln abringen würden, kollabieren dann weltfremde und der Natürlichkeit entfremdete „gebildete“ Jugendliche schon mal.
 
Diese Unnatürlichkeit kann nur in in einer prüden Gesellschaft existieren, Jugendliche die z.B. in einem Elternhaus aufwachsen, wo noch Freikörperkultur gepflegt wird, die werden über diese Borkener Gymnasiasten nur mit dem Kopf schütteln können. Ich wage zu behaupten, daß so etwas zu DDR-Zeiten nicht passiert wäre, denn da gab es vom Kindergarten bis ins Rentenalter hinein keinen unnatürlichen Umgang mit dieser Materie, ganz im Gegenteil, Freikörperkultur war fester Bestandteil der Gesellschaft, was im Kindergarten begann, wo selbstverständlich ohne Badehose geplanscht, gebadet oder gesonnt wurde. Daß es in den letzten 20 Jahren immer mehr ins geistige Mittelalter zurück ging, dies zeigt sich daran, daß z.B. die Freikörperkultur ganz aus den Schulen verbannt wurde. So wie das zu DDR-Zeiten noch üblich war, daß bei einem Klassenausflug es an den FKK-Strand ging, dies gibt es nicht mehr, stattdessen aber Schülerinnen die mit Kopftuch und Ganzkörperbadeanzug ins Wasser bei solchen Ausflügen gehen.
 
Daß wir jetzt weit vor die Zeit von 1900 zurück gefallen sind, zeigen nachfolgende Fotos aus alten Illustrierten der 20er und 50er Jahre wo es in Europa und Nordamerika etliche Schulen gab, wo an warmen Tagen sogar während des Unterrichts FKK betrieben wurde, dies gehörte zum Konzept dieser fortschrittlichen Schulen zur Erziehung zur Natürlichkeit und um die alten Fesseln der bürgerlichen Prüderie abzustreifen, die zu Hysterie führen, wie man jetzt wieder in Borken sehen kann.

Eine dieser fortschrittlichen Schulen war die Priory Gate School in England wo selbstverständlich beim Schwimmen, Sonnen und sogar beim Zeichenunterricht Freikörperkultur betrieben wurde, siehe Foto aus alter Illustrierten Anfang der 30er Jahre:
 
 
Ebenso gab es etliche fortschrittliche Schulen noch in den 50er bis 70er Jahren wo es selbstverständlich war, daß an sehr heißen Tagen der Unterricht in FKK-Manier ablaufen konnte, siehe Foto einer solchen Schule in den USA (50er Jahre):
      


Freitag, 28. Juni 2013

"Haustiere"





Haus-und Gartenbesitzer meinen in menschlicher Arroganz und Selbstüberschätzung, daß sie diejenigen wären die allein ein Wohn-und Nutzungsrecht auf „ihren“ Besitz hätten. Daß ein Garten nicht nur dem menschlichen Besitzer gehört, dies ist klar, denn all die Tiere die in so einem Garten außerdem noch wohnen, die scheren sich natürlich nicht um die amtlichen Eintragungen im Grundbuch, so die vielen ständigen und unständigen tierischen Bewohner meines Gartens und derer sind gar viele, was man bei einem Grundstück von nur rund 900 qm gar nicht vermuten würde. Sollte ich all die Tiere aufzählen, dann würde ich garantiert eine ganze Menge vergessen, so viele sind es. Zu nennen wären u.a.: Igel, Kröte, Frosch, Brandmaus, Eichhörnchen (nur zur Zeit der Nussernte von der Aue am Törtener Hang kommend), ein Krähenpärchen, Elster, ein Rotschwänzchenpärchen (Stammsommergast seit vielen Jahren), Kohlmeise, Blaumeise, Amsel (Im Winter hat sie sich nicht von einer Konifere hinter meiner Garage wegbewegt, da ich dort nur für sie Futter hingebracht habe, worauf sie stets und ständig gewartet hat.).

Ja und ganz besonders habe ich mich seit ein paar Jahren mit einem Krähenpärchen angefreundet. Zwar ist das immer noch eine Freundschaft auf Distanz, aber da ich das Pärchen nun schon den zweiten Winter gefüttert hatte, da kennen sie mich natürlich ganz genau. Kaum mache ich früh das Fenster auf werde ich vom Krähenmann, einer Nebelkrähe, mit lautem Gekrächze begrüßt. Dazu sitzt der Rabenvogel auf dem Dach von meinem Nachbarn schräg gegenüber, siehe 1. Foto. Die Krähenfrau ist nun nicht etwa auch eine grau-schwarze Nebelkrähe, sondern eine rein schwarze Krähe, siehe 2. Foto. Kaum bin ich im Garten machen sich beide sofort bemerkbar und warten darauf, daß ich Futter auf ihren Futterplatz schmeiße. Das mache ich Sommers auch, schon um den Kontakt zu halten, allerdings sind die Gaben da eher Appetithäppchen, als daß sie davon allein satt werden könnten. Was mich am meisten beeindruckt, das ist, daß beide mein Auto schon von weitem orten. Da bin ich noch eine Straße weiter und schon haben sie mich erspäht, kommen angeflogen und begrüßen mich mit Gekrächze wenn ich aussteige.

Wenn ich mal Besuch bekomme, dann sind die Gartenbesichtiger meist erschrocken über meine riesige wildwuchernde Brombeerhecke, die mit den „schlimmen“ Dornen (3. Foto), und sie raten diese doch zu roden und wenn ich schon Brombeeren mag, dafür dornenlose „kultiviert“ anzubauen. Ja, das könnte ich, mache ich aber nicht, denn diese Hecke ist die Heimstatt vieler Vögel die dort sicher vor Katzen sind. Besonders im Winter wird sie Tag und Nacht von einem ganzen Schwarm von Vögeln bewohnt: Spatzen, Grünfinken, Distelfinken u.a. Ja und ein solches Spatzenpärchen „wohnt zur Untermiete“ bei einem weiteren Nachbarn mir schräg gegenüber unter dem Dach. Es ist toll wie der Spatzenmann diese „seine“ Wohnung bewacht. Von früh bis abends, nur mit kurzen Unterbrechungen, sitzt er zwitschernd auf dem Giebel (4. Foto), worunter sich der Einflug zum Spatzennest befindet, wo sein Weibchen brütet. Mich kennt er schon, wenn ich das beobachte, und er läßt sich dort durch mich nicht stören. Sind diese Spatzen also nicht auch Haustiere, also nicht nur die Tiere die Menschen gemeinhin als Haustiere bezeichnen, wie Hund, Katze, Maus ? -lol-

Donnerstag, 27. Juni 2013

Charlotte Timmling: Unser Haus, Teil 13 (Lößnitz)

Mit dem 13. Kapitel endet das Manuskript "Unser Haus" von Charlotte Timmling. Geplant waren ursprünglich insgesamt ca. 30 Kapitel, so über Struppen, Weesenstein, Roßlau (Charlotte Timmlings Heimatstadt) und vieles andere mehr. Das nachfolgende Foto zeigt Charlotte Timmling zur Zeit der Entstehung des Manuskripts, Anfang der 1980er Jahre, Foto von mir:

 
 
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Mittwoch, 26. Juni 2013

Das Anhaltische Infanterie-Regiment Nr. 93






Auch wenn man kein Militärfreund - so wie ich - ist, kommt man als anhaltischer Heimatfreund nicht am Anhaltischen Infanterie-Regiment Nr. 93 vorbei, gehörte es doch untrennbar lange Zeit zur Geschichte Anhalts dazu. 1807 gegründet, feierte man 1907 groß das 100jährige Bestehen. Neben Postkarten und anderen Erinnerungsstücken verlieh man die heute bei Sammlern begehrten Abzeichen zum 100jährigen Bestehen des Regiments, siehe 1. Foto (großes Abzeichen und Miniatur). Aus dieser Zeit, um 1900, stammt auch die Erinnerungsmedaille an die Dienstzeit eines bei den 93ern Dienenden, 2. und 3. Foto. Daß diese Medaille aus der Zeit von 1891-1918 stammt, läßt sich durch den Schriftzug D.R.G.M. gut eingrenzen, welcher erst ab 1891 in Gebrauch war. Der Umlaufspruch „Wir Deutschen fürchten Gott sonst nichts auf der Welt“ ist ein bekannter Ausspruch des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II. Typisch für Anhalt ist der „Bär auf Mauer“ auf der Rückseite der Medaille. Die Vorderseite zeigt eine Epaulette des Regiments mit den Initalien „LF“, stehend für „Leopold Friedrich“. Foto Nr. 4 zeigt zwei Knöpfe von einer Uniform und die 5. Abbildung eine zeitgenössische Zeichnung der Uniformen des Anhaltischen Infanterie-Regiments Nr. 93 zur Kaiserzeit.   

Da man im Internet keine Abbildung von einer Medaille „Erinnerung an meine Dienstzeit“ der 93er findet - jedenfalls konnte ich keine Abbildung finden - habe ich diese Medaille für die Leser meines Blogs sowohl mit der Vorder- wie der Rückseite fotografiert und eingestellt, dies natürlich besonders für die anhaltischen Heimatfreunde. Mehr zum Anhaltischen Infanterie-Regiment 93 u.a. hier:



Charlotte Timmling: Unser Haus - Teil 12 (Dresden, Malbetrieb)

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Dienstag, 25. Juni 2013

Rose, Lilie, Fingerhut und Kierkegaards Gleichnis von der Lilie







Es blühen derzeit zwei Königinnen der Blumen nebeneinander in meinem Garten: eine kleine Lilie und eine kleine Rose! Welche schöner sei, darüber zu spekulieren ist müßig, jede Blume ist eigentlich die Schönste und sei es ein schlichtes Gänseblümchen. Es ist eigenartig, wenn ich eine Lilie sehe denke ich unwillkürlich an Søren Kierkegaard (1813-1855), den engagierten Verfechter der Idee des Christentums gegen die Realität des Christentums und seinen Text von den Lilien auf dem Felde (Text siehe unten), dies nicht zuletzt deshalb, da Walter Timmling von Kierkegaard stark beeinflußt war und er auch in mehreren Texten über ihn geschrieben hatte. Gerade jetzt ist ja in meinem Blog darüber von Charlotte Timmling etwas zu lesen, deren unvollendets Buch „Unser Haus“ ich etappenweise veröffentliche.

Egal was man in eine Lilie, eine Rose, hinein interpretiert, letztendlich ist dies nur Menschendenken und wird dem Wesen der Blumen nicht gerecht. Zum Glück kommt man ja auch in neuerer Zeit davon ab in Blumen menschliche Dinge hinein zu interpretieren und eine Calla ist z.B. nicht mehr nur einem Grabschmuck vorbehalten oder eine Rose wird nicht nur als Blume der Liebe verschenkt und schon gar nicht wird jemand der einen Strauß weißer Lilien verschenkt verdächtigt, daß er damit eine Anspielung auf „Unschuld“ machen wolle.

Derzeit blüht in meinem Garten auch der Fingerhut (Digitalis). Schön ist er aber auch giftig und doch ist sein Gift ein Segen für manchen Herzkranken, gewinnt man bekanntermaßen doch aus dieser Pflanze ein probates Medikament - in großer Dosis also giftig, in kleiner Dosis heilsam, so wie vieles im Leben.

Søren Kierkegaard: Das Gleichnis von der Lilie

Es war einmal eine Lilie. Die stand an einer abseits gelegenen Stelle an einem kleinen rinnenden Wasser und hielt gute Nachbarschaft mit ein paar Nesseln sowie mit einer Anzahl anderer Blümchen da in der Nähe. Die Lilie war nach der wahrhaften Beschreibung des Evangeliums schöner gekleidet als Salomo in all seiner Herrlichkeit, dabei sorglos und froh den lieben langen Tag. Unmerklich und in Glückseligkeit glitt die Zeit dahin, gleich dem rinnenden Wasser, das rieselt und dahinzieht. Aber da traf es sich, dass eines Tages ein Vögelchen kam und die Lilie besuchte. Am nächsten Tag kam es wieder, blieb dann mehrere Tage fort und kehrte sodann wieder. Das dünkte der Lilie seltsam und unerklärlich; sie konnte es nicht fassen, warum der Vogel nicht auf derselben Stelle blieb wie die kleinen Blumen, und es dünkte sie sonderbar, daß der Vogel so launenhaft sein konnte. Wie das nun oft vorkommt, so geschah es auch der Lilie: gerade weil der Vogel so launenhaft war, verliebte sie sich immer mehr in ihn.

Dieses Vögelchen war ein schlimmer Vogel; statt sich in die Lage der Lilie zu versetzen, statt sich an ihrer Schönheit zu freuen und sich mit ihr ihrer unschuldiger Glückseligkeit zu erfreuen, wollte er sich dadurch wichtig machen, dass er seine Freiheit fühlte und die Lilie ihre Gebundenheit fühlen ließ. Und nicht nur das -: auch war das Vögelchen redselig, es erzählte von allem möglichen, Wahres und Unwahres; es sprach von weit prächtigeren Lilien, die an anderen Stellen in großer menge stünden und wo eine Freude und Munterkeit, ein Duft, eine Farbenpracht und ein Vogelgezwitscher herrsche, dass es nicht zu sagen sei. So erzählte der Vogel, und jede seiner Erzählungen endete gerne mit der für die Lilie demütigenden Bemerkung, im Vergleich mit solcher Herrlichkeit sehe sie wie ein Nichts aus, ja, sie wäre so unbedeutend, dass es sich überhaupt frage, mit welchem Rechte sie sich eine Lilie nenne.

So wurde die Lilie bekümmert, und je mehr sie auf den Vogel hörte, desto mehr wuchs ihre Bekümmernis. Nachts schlief sie nicht mehr ruhig, und morgens wachte sie nicht mehr froh auf. Sie fühlte sich gefangen und gebunden, das Rieseln des Wassers fand sie langweilig, und der tag wurde ihr lang. Nun fing sie an, sich voller Selbstbekümmernis, solange der tag währte, mit sich selber und mit ihren Lebensverhältnissen zu beschäftigen.

"Ganz schön mag das ja sein", sagte sie zu sich selber, "hin und wieder und um der Abwechslung willen auf das Rieseln des Baches zu lauschen. Aber tagein, tagaus immer dasselbe zu hören, das ist doch gar zu langweilig". -"Es kann angenehm sein", sagte sie bei sich, "hin und wieder an abgelegener Stelle zu stehen und einsam zu sein; aber so das ganze Leben hindurch vergessen zu sein, ohne Gesellschaft zu sein oder nur durch die Gesellschaft von Brennesseln zu haben, was doch wohl für eine Lilie keine Gesellschaft ist, das ist nicht auszuhalten." -"Und dann", meinte sie weiter bei sich, "und dann so gering auszusehen und so unbedeutend zu sein, wie es der kleine Vogel von mir behauptet, - ach, warum bin ich nicht an anderer Stelle und unter anderen Lebensbedingungen aufgewachsen?! Ach, warum bin ich keine Kaiserkrone geworden!? Das Vögelchen hatte ihr nämlich erzählt, unter allen Lilien gelte die Kaiserkrone für die schönste und werde von allen Lilien beneidet. Um so mehr kam es der Lilie zu Bewusstsein, wie die Bekümmernis nach ihr griff. Aber dann redete sie sich vernünftig zu, - aber doch nicht so vernünftig, dass sie sich die Bekümmernis aus dem Sinn schlug, sondern so, dass sie sich selber davon überzeugte, wie berechtigt ihre Kümmernis sei; denn, so sagte sie, "mein Wunsch ist ja kein unvernünftiger Wunsch. Ich verlange ja nichts Unmögliches, dass ich gar etwas werden möchte, was ich nicht bin, zum Beispiel ein Vogel. Nein, - mein Wunsch ist lediglich der, ich möchte eine prächtige Lilie werden oder doch auch die prächtigste von allen."

Während alledem flog das Vögelchen hin und her, und mit jedem seiner besuche und mit jedem Abschied wuchs die Unruhe der Lilie. Schließlich vertraute sie sich dem Vogel ganz an. Eines Tages kamen sie überein, am nächsten Morgen solle eine Veränderung vor sich gehen, und der Bekümmernis solle ein Ende gemacht werden. Zeitig am nächsten Morgen kam das Vögelchen; mit seinem Schnabel hackte es das Erdreich an der Wurzel der Lilie los so dass sie frei werden konnte. Als das geglückt war, nahm der Vogel die Lilie unter seine Flügel und flog mit ihr von dannen. Es war nämlich verabredet worden, der Vogel solle mit der Lilie dorthin fliegen, wo die prächtigen Lilien blühten; dort solle er ihr dann beim Einpflanzen behilflich sein, um zu erproben, ob es der Lilie nicht durch die Ortsveränderung und die neue Umgebung glücke, in der Gesellschaft der vielen eine prächtige Lilie oder gar eine Kaiserkrone zu werden, die von allen anderen beneidet werde.

Ach unterwegs welke die Lilie. Wäre der bekümmerten Lilie genug gewesen, dass sie eine Lilie war, so wäre sie nicht bekümmert geworden. Hätte die Bekümmernis in ihr keine Stätte gefunden, so wäre sie stehen geblieben, wo sie stand, - wo sie in all ihrer Schönheit stand. Wäre sie stehen geblieben, wäre sie gerade die Lilie gewesen, von der der Pfarrer am Sonntag sprach, als er das Wort des Evangeliums wiederholte: "Sehet die Lilien: ich sage euch, dass Salomo in all seiner Herrlichkeit nicht gekleidet war wie sie"...

Die Lilie ist der Mensch. Das schlimme Vögelchen ist der unruhige Gedanke des Vergleichens...

Wenn nun der Mensch an die Bekümmernis der Lilie, die eine Kaiserkrone werden wollte, nicht ohne Lächeln kann, und wenn er sich vergegenwärtigt, dass sie unterwegs verstarb, - o, dann bedenke, Mensch, dass es zum weinen wäre, wenn sich ein Mensch ebenso unvernünftig bekümmerte, - ebenso unvernünftig, - doch nein -: wie dürfte ich das so stehen lassen und wie dürfte ich ernstlich die göttlich bestellten Lehrmeister beschuldigen, - die Lilien auf dem Felde! Nein, - so bekümmerten sich die Lilien nicht, und gerade deswegen sollten wir von ihnen lernen.

Wenn es einem Menschen gleich der Lilie genügt, dass er ein Mensch ist, so wird er nicht krank durch zeitliche Bekümmernis, und wenn er nicht durch zeitliche Dinge bekümmert wird, so bleibt er auf jener Stelle stehen, die ihm angewiesen ist, und wenn er da verharrt, dann ist es fürwahr so, dass er durch sein menschsein herrlicher ist als Salomos Herrlichkeit.

Charlotte Timmling: Unser Haus. Teil 11 (Dresden, Großer Garten)

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Charlotte Timmling: Unser Haus, Teil 10 (Dresden, Postplatz)

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