Schon merkwürdig, daß in den Räumen der jetzigen Gaststätte „Bootshaus“ in Raguhn früher mal meine Mutter gearbeitet hatte. Mutter war bei den Junkers-Flugzeugwerken in Dessau während des Krieges beschäftigt, siehe auch meinen Blogbeitrag: http://barrynoa.blogspot.com/2010/02/meine-mutter-und-die-dessauer-junkers.html. 1945 wurde wegen der Bombenangriffe das Entwurfsbüro, wo meine Mutter arbeitete, nach Raguhn evakuiert und zwar in das dortige Bootshaus an der Mulde. Sehr oft erzählte Mutter aus dieser Zeit, von der gefährlichen Fahrt mit der Eisenbahn nach Raguhn, den Tieffliegern der Amis und Engländer die die Eisenbahn beschossen oder den Bombenangriffen auf Raguhn, die aber nicht so häufig waren wie die auf Dessau. Das alte Bootshaus stand auf Pfählen und bei Bombenalarm versteckte sich die Belegschaft mangels anderer Unterkünfte unter dem Bootshaus. Mutters Vorgesetzter, der Flugzeugkonstrukteur und Chef des Enwurfsbüros Gropler, rief einmal verzweifelt nach meiner Mutter bei einem Angriff. „Wo sind Sie, Fräulein Simolke?". Dies obwohl meine Mutter, wie alle Angestellten, unter dem Bootshaus, angelehnt an einem Pfahl saß. Die Nerven lagen halt 1945 bei allen Menschen blank. Das Verstecken unter dem Bootshaus war rein psychologischer Natur, es bot absolut keinen Schutz. Daß das Bootshaus an einer idyllischen Ecke von Anhalt lag, dafür hatte man im Winter und Frühjahr 1945 verständlicherweise keinen Sinn.
Ich selbst bin kein Gaststättengänger, aber einmal die Woche geht es doch zu einem Mittagessen in eine Gaststätte, denn jeden Tag habe ich keine Lust zu kochen. Neben dem wunderbaren Restaurant im Möbelhaus „Porta“ in Dessau und dem Café im Dessauer „Bauhaus“ (damit ist nun nicht der Baumarkt „Bauhaus“ gemeint) schätze ich die Gaststätte „Bootshaus“ in Raguhn, dies nicht nur weil meine Mutter damals dort ihr Büro hatte, sondern auch wegen der typischen alten Kneipenatmosphäre dort und dem preislich sehr günstigen Mittagstisch, kann man doch, neben anderen Gerichten, zwischen drei Gerichten im Angebot wählen die alle nur 3,- Euro kosten, und diese Gerichte sind vollwertige Hausmannskostessen.
Ja und im Sommer kann man dort herrlich im sogenannten Biergarten inmitten von Bäumen und Zierpflanzen direkt an der Mulde sitzen – ein wahrhaft idyllischer Ort für eine Freilandgastronomie. Den heutigen warmen und sonnigen Herbsttag nutzte ich, zusammen mit meinem Mieter, dem Antikhändler Steve Neumann, für eine Fahrt dorthin. Erstaunlich, daß wir an einem 17. Oktober noch mit offenem Verdeck fahren konnten, aber es war wie im Sommer, so wärmte die Sonne von oben und die Plätze an der Mulde luden nach dem Essen in der Gaststätte zum Verweilen ein, auch wenn draußen die gastronomische Betreuung mittlerweile eingestellt ist .
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