Donnerstag, 16. Juli 2015

Erinnerungen an Frau Appel von der Galerie Schloß Georgium, Dessau und an Max Schwimmer

„Wer zu DDR-Zeiten libertäre zeitgenössische DDR-Kunst liebte, der verehrte natürlich Max Schwimmer (https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Schwimmer), setzte der doch freiheitliche Akzente in einer offiziellen Kunstszene, die überwiegend vom sogenannten sozialistischen Realismus geprägt war.“ (aus meinem Blogbeitrag über Elfriede Weidenhaus, einer Schülerin von Max Schwimmer, siehe:


Natürlich liebe ich die Kunst Schwimmers, hebt sie sich doch so wohltuend von all dem unkünstlerischen Kitsch ab, den der Spießbürger für Kunst hält. Großartig, Schwimmers „Graphische Etüden“ mit 19 Zeichnungen, erschienen im Verlag der Nation Berlin 1965 zu seinem 70. Geburtstag, siehe ein paar Seiten daraus und der Schutzumschlag mit meisterlichen Zeichnungen: 




 
 
Der bekannte Kunstwissenschaftler Lothar Lang schrieb das Geleitwort zu "Graphische Etüden". Die damals von allen Dessauer Kunstfreunden hochgeachtete Galerie-Angestellte im Dessauer Schloss Georgium, Frau Appel, mit der ich als Kind und Jugendlicher oft stundenlange interessante Gespräche in der Galerie führen durfte, die machte mich mit dem Werk Schwimmers bekannt. Als Jugendlicher war ich knapp bei Kasse und konnte mir die gerade erschienenen „Graphischen Etüden“ damals nicht kaufen und Frau Appel, die in den 60er Jahren in der Galerie für einen Hungerlohn arbeiten mußte und die statt Lebensmitteln davon lieber Kunstbücher kaufte, sich diese vom Munde absparte, die brachte mir dieses Druckerzeugnis Schwimmers extra von zuhause mit in die Galerie, damit ich es mir dort ausführlich anschauen konnte.
 
Ja, die wunderbare Frau Appel, die so sehr gebildet war, die aber aufgrund ihrer Distanz zum SED-Regime beruflich ausgebremst wurde und als einfache Mitarbeiterin dort dennoch eine Institution war, weil sie den Galerie-Besuchern mehr als nur die Bilder die dort hingen erläutern konnte. Leider habe ich Frau Appel nie fotografiert, aber vor meinem geistigen Auge steht sie klar vor mir: hager, bleich, mit ihrem imposanten grauen Haar, welches sie zu einem großen Dutt hoch gebunden hatte. Frau Appel war eine wirkliche Institution in Dessau! Hochgebildet, Kunstkennerin ersten Ranges, war sie dem SED-Regime irgendwann mal in Ungnade gefallen. Da genügte ja schon eine rein persönliche Amusität und dann kam man aus dieser Ecke nicht wieder raus, in die einen die Cliquen an der Macht und die Stasi auf Ortsebene gedrückt hatten. Jedenfalls auch Frau Appel bremste man beruflich aus, ließ sie zeitlebens nur einfache Galerieaufsicht machen, die damals sehr, sehr schlecht bezahlt wurde. Sie hochbegabt und Kunstkennerin blieb auf dem einfachen Hilfsposten sitzen, während andere regelrechte Dummköpfe die Leiter in der Kultur hochgepuscht wurden, und die zum Teil noch heute auf einträglichen Posten im öffentlichen Dienst ihren Dienst daher schieben können.
 
Jedenfalls machte Frau Appel Spaß, individuelle Führungen für mich ganz allein durch die Galerie zu veranstalten, die hundertmal wissenschaftlicher waren als die offiziellen Führungen. Meistens unterhielt ich mich noch mit Frau Appel über alles mögliche in Kunst und Kultur und sie war es auch die mich an Künstler heranführte, die eben nicht dem offiziellen sozialistischen Realismus frönten. Zu diesen gehörte neben Carl Marx (http://barrynoa.blogspot.de/2015/07/mein-kunstlerisches-vorbild-carl-marx.html) und Franz Johannknecht (http://barrynoa.blogspot.de/2008/05/bn-und-franz-johannknecht.html und http://barrynoa.blogspot.de/2013/05/franz-johannknecht-1903-1974-am.html) eben auch Max Schwimmer (http://barrynoa.blogspot.de/2014/05/max-schwimmer-1-mai-1928.html und http://barrynoa.blogspot.de/2014/03/karl-dantz-und-max-schwimmer-vom.html).

Und Schwimmer heute? Inge Stuhr´s Bücher über Max Schwimmer, die im Lehmstedt-Verlag erschienen, sind das Beste was in letzter Zeit über Schwimmer geschrieben wurde und ein Muß für jeden Grafikfreund siehe hier:



 
 
Über Max Schwimmer:

Dem schmetterlingsleichten, so graziösen wie souveränen Linienspiel Ihrer Zeichnungen zu folgen ist Freude und Trost. Möge viel von der Freude und Heiterkeit, die diese Blätter ausstrahlen, zu Ihnen zurück klingen! (Hermann Hesse an Max Schwimmer, 1955)

»Mit so genialisch leichter und feiner Hand« habe Max Schwimmer das »Tagebuch« Goethes illlustriert, 24 Kapitel mit 24 farbig aquarellierten Zeichnungen, ließ Thomas Mann am 24. Dezember 1953 seinen Dank an den »Herrn Professor« (an der Kunsthochschule in Dresden) übermitteln. An dem Band habe er »große Freude« und er habe »für diese kecke Moralität immer eine besondere Neigung gehabt«.

»In der reichen Geschichte der Buchillustration in der DDR gehörte Max Schwimmer an der Seite von Johannes Hegenbarth und Werner Klemke zu den ›Klassikern‹«, schreibt Inge Stuhr in ihrer Schwimmer-Biografie.

Er sei »einer der besten Zeichner des 20. Jahrhunderts und einer der ganz wenigen aus Deutschland, die auch internationales Niveau erreichten«, sagt Inge Stuhr über Schwimmer.

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