"Durst" (mir unbekannter Fotograf)
Die Franzosen haben ein paar wunderbare Worte: „bonheur du jour“!
Im französischen klingt dies - gesprochen - schon vom Klang her zauberhaft, hat aber einen tieferen Sinn, deutsch: „das Glück des Tages“!
Wer da nun meint, „das Glück des Tages“ müßte ein Lottogewinn sein oder etwas anderes Großes, der weiß nichts von „bonheur du jour“. Oft ist Glück, was wir, wenn wir es im Alltag haben, gar nicht schätzen, erst bei Abwesenheit desselben, da wünschen wir es uns sehnlichst und bekommen wir es wider Erwarten, dann ist es „das Glück des Tages“.
Die entzückende kleine Taube auf obigem Foto dürstet an einem Tag voller Hitze und ohne Wasser weit und breit. Das Wasser in dem Trog unter dem Wasserhahn ist alle und kein einziger Mensch ist zu sehen, der den Wasserhahn aufmacht, auch im Wasserhahn selbst kein einziger Tropfen. Käme nur ein Mensch, der endlich diesen Wasserhahn aufmachen würde, daß sich der Trog wieder füllt, dann wäre es „bonheur du jour“ für die dürstende Taube.
Seit ein paar Wochen plagen mich fieberhafte rheumatische Schmerzen, die auch durch Schmerzmittel nicht restlos weggehen. Für mich wäre heute „das Glück des Tages“, wenn diese Schmerzen wie durch Zauberhand verschwinden würden. Habe ich aber diese Schmerzfreiheit als „Glück des Tages“ geschätzt, bevor ich dieses ekelhafte Gelenkrheuma bekam? Nein! Achtlos nahm ich das als Selbstverständlichkeit hin! So sind wir leider, wir sind nicht dankbar für das was wir haben, erst wenn es uns genommen wird, dann schätzen wir es und bereuen unsere Undankbarkeit in gesunden Tagen.
Im Zeitalter der Empfindsamkeit, um 1750, schätzte man mehr als in heutiger Zeit „das Glück des Tages“, das Bewußtsein, das am nächsten Tag alles zu Ende sein könne, das war weit verbreitet, anders als heute. Übrigens wurde nach diesem geläufigen Begriff in Frankreich ein kleiner zierlicher Damen-Schreibtisch, der in den 1760er Jahren von den Pariser Marchand-Merciers eingeführt wurde, so genannt und Kunsthändler und Antiquitätenfreunde kennen noch heute diese Rokoko-Damen-Schreibtische als „Bonheur-du-jour“, siehe so einen (ganz besonders schönen) auf dem Foto unten.
Foto: Patrick Clenet
Martin Carlin, Table d'écriture (1772), Paris. Chêne, bois exotiques, porcelaine de Sèvres, laiton et bronze. Photographie prise à la Fondation Calouste Gulbenkian à Lisbonne, Portugal.
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