2250. Blogbeitrag
Wenn ich mir so die vegetarische und vegane Szene anschaue, dann bin ich immer wieder erstaunt, daß auch ältere jetzige Vegetarier/Veganer jenseits der 60 erst in den letzten Jahren zum Vegetarismus/Veganismus kamen. Lebten die vorher auf dem Mond? Oder kamen sie aus Milieus, die kulturfern waren? Seit der Zeit um 1900 gehörte doch nun wirklich zumindestens der Vegetarismus zur Alltagskultur und breite Schichten des deutschen Volkes waren damit befaßt, schon durch die vielen Publikationen, Kochbücher, die Reformhäuser und Lebensreformvereine.
Schon damals gab es natürlich ungebildete und unpolitische Hinterwäldler, die Vegetarismus nicht kannten, meistens das spießbürgerliche Kleinbürgertum und das nicht klassenbewußte sogenannte Lumpenproletariat - im Gegensatz zu dem klassenbewußten Proletariat, welches in Arbeiterbildungsvereinen, in fortschrittlichen Parteien, in FKK-Vereinen und in der Lebensreformbewegung organisiert war. Auch das fortschrittliche Bürgertum war in der Lebensreformbewegung, zu der untrennbar der Vegetarismus gehörte, engagiert.
Ich kenne den theoretischen und praktischen Vegetarismus von Kindheit an. Theoretisch durch die bei uns zuhause vorhandenen Reformbücher- und Schriften und praktisch natürlich durch die vegetarischen Gerichte, die sowohl meine Mutter, wie auch meine Großmutter auf den Tisch brachte. Meinen Urgroßvater, Max Denhardt, hatte ich ja nicht mehr kennen gelernt, aber er war schon um 1900 Vegetarier und konsequenter Anhänger der Lebensreformbewegung und Mitglied eines Naturfreundevereins. Über ihn und die Kontakte zu den Dessauer Reformhäuern der Hederichs kann man hier im Blog in älteren Beiträgen lesen, einfach mal danach googlen.
Auch meine Großmutter kochte vegetarisch und dann natürlich meine Mutti. Eines ihrer vielen vegetarischen Kochbücher habe ich mal eingescannt, jedenfalls ein paar wenige Seiten. Nicht, daß ich dieses Kochbuch selbst jeden Tag zur Hand nehme und danach koche, denn das ist gar nicht nötig, denn viele der dortigen Gerichte, die sind mir in Fleisch und Blut über gegangen und zu deren Zubereitung brauche ich kein Kochbuch, wie gebratene Selleriescheiben oder mit Reis gefüllte Gurken, die ähnlich Schmorgurken bei mir sehr oft auf den Tisch kommen.
Warum das Fahrrad neu erfunden werden soll, das ist mir ein Rätsel und mit diesem Vergleich spiele ich auf all die Spätzünder an, die erst jetzt den Vegetarismus/Veganismus propagieren und leben und die meinen, erst jetzt wäre die Zeit dafür gekommen und sie hätten den Vegetarismus erfunden. Diese Vegetarier/Veganer, die kann man mit Neugläubigen einer Kirche vergleichen, die gerade missioniert, meinen, sie müßten diejenigen, die schon seit der Kindheit an in der Kirche sind, lehren, was Glaube ist.
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