Donnerstag, 10. April 2008

100. Kolumne: B.N. und Robert Genin









„Die ferne Insel“ ist das Buch welches mich zum ersten Mal mit Robert Genin (1884-1939) bekannt machte. In diesem Buch beschreibt Genin seine Reise nach Bali und seinen Aufenthalt dort. Dieses Buch zählt eigentlich zu dem bekanntesten was uns Robert Genin hinterließ. Zu DDR-Zeiten gab es kaum etwas über Genin zu erfahren, deshalb war ich desto erfreuter als ich in dem Dessauer Antiquariat, damals in dem Jugendstilbau neben dem Magnet-Kaufhaus beheimatet, das obige Buch „Skizzen und Erinnerungen“ von Robert Genin entdeckte. Es kostete allerdings 180,00 Mark, eine stolze Summe, wenn man bedenkt, daß ich zu dieser Zeit 450,00 Mark netto im Monat verdiente. Egal, ich wollte es einfach haben, so angerührt war ich von den Texten und den Zeichnungen Genins.

Robert Genins eigene Lebensschilderung darin, die immer bitterfroh war und voller Leidensdruck durch seine schlimmen Lebensumstände aber auch durch seine Wahl des Malerberufes mit all dem schweren Ringen um inhaltliche Substanz seiner Bilder, die sprachen mich an. Genin hätte auch einen leichteren Weg im Leben gehen können, hätte wie 90 % der Alltagsmenschen einen bürgerlichen Beruf ergreifen können, hätte ein konventionelles Leben im Krähwinkel oder in der merkantilen Mittelschicht mit all ihren Konventionen führen können, aber er wählte den Weg den ihm seine innere Pflichtauffassung vorgab, andere nennen es den Auftrag den Gott ihm gab, und er wählte den dornenreichen Weg des Künstlers der eben bewußt nicht den Geschmack des zahlenden Kunstpublikums traf und nahm sein Kreuz auf sich, ähnlich einem Jesus von Nazareth oder einem Paul Gauguin oder einem Vincent van Gogh.

Genin schreibt in „Skizzen und Erzählungen“ von dem auf das es ankommt: „Ja das Sehen, darauf kommt es an. Wir irren blind durch die schöne Welt, bis uns einmal die Augen aufgehen oder auch nie. Dem Blinden aber helfen seine noch so vollendeten Kenntnisse nichts. Nur der Sehende kann offenbaren. Die Menge aber unserer Künstler ist blind, und das Sehen – das lernt man aber in der Schule nicht. So wie die Mutter ihr Kind empfängt und trägt, so empfängt und trägt der Künstler sein Werk. Es braucht seine Zeit, es reift und entsteht – und mit Schmerzen. Doch sind die meisten Werke unserer Zeit Frühgeburten und sind dem Tode geweiht. Nebenbei - mit welcher Freude, ja, Gier, die Künstler ihre Werke, ihre Kinder, für Geld eintauschen. Wir sind viel zu schwach. Es mangelt uns an Überzeugung um zu arbeiten der Sache willen. Der edle Schmerz und die übermütige Freude des Schaffens sind für uns keine genügende Belohnung. Wir sind jenem Pianisten ähnlich, der nur spielt, wenn die Menge ihm zuhört und umgehend Beifall spendet. Der Starke aber arbeitet, weil er nicht anders kann, er gleicht dem Alkoholiker, der sieht, daß seine Kräfte schwinden, die Gesellschaft ihn verachtet, und doch nicht von der Flasche lassen kann. Der Künstler trägt einen großen Gedanken in sich, er wird ihn nie los, und seine Arbeiten sind Aufleuchten seines Gedankens. Der Vorgang, das Was, ist für ihn nebensächlich, an dem Wie soll man ihn erkennen. Das Wie ist sein Lebensgedanke, an dem er so oft zugrunde geht. Kunst ist Religion, Natur sein Tempel, Schönheit – Glaube und Künstler – Priester. Der wahre Künstler ist der Märtyrer seines Glaubens.“

Diese Zeilen erinnern mich sehr an das ähnliche Credo Walter Timmlings über den ich ja hauptsächlich arbeite, aber auch ich selbst kann mich in etlichen Passagen darin wider erkennen, denn auch bei mir ist jegliche künstlerische Arbeit mit den von Genin beschriebenen Schmerzen verbunden wie auch schon der Buchtitel meines damaligen Foto-Lyrik- Buches „Bitterfroh bin ich“ andeutet.
Was nun Genin wiederum mit Dessau verbindet, dies sind seine Grafiken zu dem Dessauer Dichter Hans Bethge (siehe mein Posting: YinYang-Verlag), so zu den "Liedern nach dem Chinesischen".
Bernd Nowack

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