Heute möchte ich an einen Denker erinnern, der weitgehend dem Vergessen anheim gefallen ist: Dr. Hermann Ulrich (7. August 1896 in Chemnitz geboren – 26. März 1945 in Bad Wildungen gestorben). Hermann Ulrich war Dr. phil. und in den 30er Jahren als Übersetzer Kierkegaards bekannt geworden. Nach seiner Promotion bei Scheler arbeitete er als freier Schriftsteller. Zusammen mit Dr. Walter Timmling (siehe meine diversen Blogbeiträge) schrieb er 1933 das Buch „Kunst, Kitsch, Film und Propaganda“ (Herausgeber Dr. Werner Meinhof, der Vater von Ulrike Meinhof), welches das Mißfallen von Propagandaminister Goebbels erregte (In meiner Monografie über Walter Timmling schrieb ich darüber ausführlich).
Dr. Hermann Ulrich war verheiratet mit Dr. phil. Margarete Ulrich, diese war die damalige Patentante von Ulrike Meinhof. Ende der 20er Jahre bis 1933 gehörte er dem antifaschistischen Kreis von Studenten um Prof. Paul Frankl an, verließ aber als einer der ersten diesen Kreis nach der Machtergreifung der Nazis und driftete immer mehr in das nationalsozialistische Lager ab. Seine noch 1933 geäußerten antifaschistischen Äußerungen revidierte er offiziell. Trotzdem hielt er weiterhin heimlich Kontakt zu vom Regime verfemten früheren Freunden, wie Dr. Walter Timmling und Lotte Timmling. In Briefen der NS-Zeit an die Timmlings (siehe Scans der Briefabschriften) offenbarte Hermann Ulrich keineswegs eine stramm nationalsozialistische Geisteshaltung, sondern seine Briefe sind von Nihilismus durchzogen, obwohl er doch gerade dem philosophischen Nihilismus in seinen Schriften oft Paroli geboten hatte. In den Kriegsjahren leitete er ein Arbeitsdienstlager in Westfalen.
Ulrich war mit der Jüdin Margarete Westphal verheiratet (20. Oktober 1895 in Hamburg geboren – ? 1942 in Polen gestorben). Margarete Ulrich war wie er Dr. phil. 1942 ließ er sich von seiner Frau scheiden. Dies war das Todesurteil für Margarete Ulrich. Sie wurde wie so viele Juden nach Polen deportiert und fand dort in der Vernichtungsmaschinerie der Nazis den Tod. Daß Ulrich sich von seiner Frau scheiden ließ, obwohl jedem Bürger klar war, was dann diesen Menschen geschehen würde, ist natürlich rückblickend nicht zu verzeihen. Dabei muß aber berücksichtigt werden, daß es für Männer sehr viel schwerer war dem Druck des Staates auf Scheidung von einer jüdischen Ehefrau zu widerstehen, als das bei Frauen der Fall war die einen jüdischen Ehemann hatten. Männern wurde unverhohlen mit einem Fronteinsatz bei einem Himmelfahrtskommando gedroht, falls sie sich nicht scheiden ließen. Nachträglich darüber zu richten, ob Hermann Ulrich dem hätte widerstehen müssen, läßt sich leicht machen, aber wer in der damaligen Zeit hatte leben müssen, war konkreten Umständen ausgesetzt, die man heute kaum nachvollziehen kann. Schon einem Prominenten, wie Hans Moser, kostete es große Kraft, den Forderungen auf Scheidung von seiner jüdischen Frau zu widerstehen und es war nur möglich dies nicht zu tun, weil er als äußerst populärer Filmschauspieler Freiheiten hatte, die sonst nur wenige hatten. Trotzdem konnte auch er seine Frau nur deshalb retten, weil er sie nach Ungarn schicken konnte, was nur wenigen möglich war.
Hermann Ulrichs bleibender Verdienst ist es, in seinen Schriften die bis 1933 erschienen, die teuflische Macht des Films als Propagandamittel entlarvt zu haben, wie dies bisher sonst in dieser Deutlichkeit nicht geschrieben wurde, dies zu einer Zeit wo der nationalsozialistische Staat dem Film eine besonders wichtige Stelle in der Manipulation des Volkes zugedacht hatte.
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