Dienstag, 19. November 2013
Anno 1900: Lange Haare und kurze Haare bei Jungs
Den SED-Sozialfaschisten waren in der früheren DDR lange Haare bei Jungs und Männern ein Graus, dies ganz in der Tradition der Nazis. Ich kann mich noch gut an die Hetze und Hatz der Lehrer erinnern, wenn es um lange Haare bei Schülern ging. Dabei waren die Haare anfänglich bei manchen Jungs gar nicht lang, sondern nur ein wenig die Ohren bedeckend. Schon das brachte das DDR-Lehrerpack in Wallung und in jedem derartigen Schüler sah man einen Feind des Sozialismus. Lange Haare waren oft der Grund, daß Schüler die sich weigerten ihre Haare zu kürzen, nicht zur erweiterten Oberschule zugelassen wurden, und die sich damit die berufliche Zukunft verbauten, d.h. dann auch nicht studieren konnten. Aber auch noch 1969 als ich im VEB Waggonbau Dessau Industriekaufmann lernte, nahmen einen die Lehrausbilder auf Korn und es gab unzählige Diskussionen mit diesen Spießbürgern. Da nützte auch rein gar nichts wenn man sich auf den Zottelkopf Karl Marx berief, solcherart Argumente verhärteten eher noch die Fronten. Rückblickend gesehen waren zum Beispiel meine etwas längeren Haare ein größeres Ärgernis für das rote Spießerpack als meine Weigerung am 1. Mai zur Demonstration zu kommen oder statt an FDJ-Nachmittagen lieber zur Jungen Gemeinde des liberalen und weltoffenen Pfarrers Bitzmann in die evangelische Auferstehungskirche in Dessau zu gehen, was ich, sowohl in der Schule wie auch Lehre kundtat.
Was mich nach der Wende am meisten ärgerte, das war, daß fast alle DDR-Lehrer im Amt bleiben durften. Dies empörte nicht nur mich, sondern auch Generationen von Schülern, die unter dem DDR-Lehrergesindel zu leiden hatten. Wenn man bedenkt wie rigoros die SED nach 1945 mit Lehrern umging die Mitglied der NSDAP waren, sie aus dem Schuldienst entließen und tausende unbedarfte Menschen in Schleuderkursen zu Junglehrern ausbildeten, dann konnte man es nicht verstehen, daß nach der Wende so mit den DDR-Lehrern verfahren wurde. Auch die Lehrer, die nicht Mitglied der SED waren, konnten ja in der DDR nur Lehrer werden, wenn sie zum sozialistischen Establishment gehörten, sie sich im Sinne des DDR-Staates auch gesellschaftlich stark engagiert hatten. Mir ist jedenfalls nicht bekannt, daß etwa ein Bausoldat, der den NVA-Dienst mit der Waffe abgelehnt hat, Lehrer in der DDR werden konnte.
Daß diese Roten meistens gar keine wirklichen Sozialisten waren, dies zeigte sich nach der Wende, wo Lehrer die Berufsgruppe der eifrigsten Wendehälse darstellte. Ein Bekannter von mir bekam z.B. an einer Roßlauer Schule von einer ehemaligen SED-Genossin, die nahtlos von der DDR in die Bundesrepublik in den Schuldienst glitt, eine 6 in Musik, weil er es aus politischen Gründen abgelehnt hatte das Deutschlandlied zu singen. Dieses verkommene Subjekt von Lehrerin hätte wahrscheinlich die Stasi informiert, wenn das gleiche ein Schüler zu DDR-Zeiten getan hätte, damals die DDR-Hymne zu singen abgelehnt hätte.
Was die wenigsten wissen, das ist, daß Haare lange Zeit ein Klassenmerkmal waren. Noch in der Kaiserzeit mußten Arbeiterjungs in Volksschulen kurze Haare tragen, taten sie das nicht, gab es welche mit dem Rohrstock. Dagegen durften Knaben aus „gutem Hause“, d.h. gutbürgerlich oder adelig, lange Haare tragen. Dies war mehr oder weniger ein Statussymbol der gehobenen Schicht. Erst mit Eintritt in das Jugendalter wurden die Haare gekürzt, schon im Vorgriff auf die spätere Zeit beim Militär, wo die Preussen die kurzen Haare eingeführt hatten, dies allerdings auch nur für die unteren Ränge, währendessen Generäle sich durchaus eine wallende Mähne erlauben konnten.
Postkarten um 1900 zeigten selten mal einfache Arbeiterjungs, schon gar nicht bei schwerer Kinderarbeit, dagegen gab es in Massen Fotografien und Grafiken wo bürgerliche oder adelige Knaben süßlich abgebildet wurden. Wenngleich diese Sujets besonders kitschig und wirklichkeitsfremd ausfielen, eines war damals Realität, daß die Buben aus „gutem Hause“ lange Haare tragen durften, im Gegensatz zu den Jungs der „niederen“ Schichten.
Ich habe mal ein paar Postkarten von Buben mit langen Haaren aus meiner Sammlung von Postkarten um 1900 heraus gesucht. Trotz langem Suchen fand ich nicht eine einzige eines Arbeiterjungen mit kurzem Haar, deshalb darunter dieses Foto einer Schulklasse um 1900, rechts die Mädchen sitzend, links die Jungen (alles Kinder „niederer“ Schichten).
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