Freitag, 10. Juni 2011

Altes: Richard Müller (1874-1954), Vertreter der "Neuen Sachlichkeit" und Surrealist


Googlet man nach dem Dresdner Maler Richard Müller (1874 Tschirnitz/Böhmen - 1954 Dresden-Loschwitz), dann stößt man auch auf eine Seite mit Nachdrucken seiner bekannten Radierungen. Das muß ein jeder für sich entscheiden, ob er sich derartige Dinge an die Wand hängt oder in die Sammlermappe legt, ich für meinen Teil mag nur Originale und da stehe ich auf dem Standpunkt, lieber ein zweitrangiges Original als ein Nachdruck oder gar ein Fotodruck. Daß man sich als Normalbürger keinen Gauguin leisten kann, das ist klar, aber es gibt genügend gute Künstler der Vergangenheit und Gegenwart, deren Originalbilder sich jeder leisten kann, man schaue da nur mal in die ebay-Auktionen, wo sehr gute Originalbilder mitunter weit unter 100,- Euro zu haben sind.

Eine solche Original-Radierung erwarb ich mal zu DDR-Zeiten in den 80er Jahren aus dem Nachlaß eines bekannten Sammlers: Maus mit Lorbeerzweig, Radierung, signiert Richard Müller, von 1910. Damals zog der Künstler 200 Blatt von der Platte ab. Mir gefiel die Radierung wegen der Maus, aber auch weil diese an einem Lorbeerzweig knabbert, denn Lorbeer mag ich. Das liegt vielleicht daran, daß meine Großeltern immer zwei große Kübel mit Lorbeerbäumen an der Haustür zum Garten stehen hatten und ich dies immer sehr schön fand, wirkte das Haus, in dem ich ja jetzt wohne, dadurch wie im Geiste der Zeit um 1900, wo diese Kübelpflanzen als Türeinrahmungen groß in Mode waren. Und zu der Zeit der 1900er Jahrhundertwende hatte ich schon immer eine große Affinität. Richard Müller, siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Richard_M%C3%BCller_(K%C3%BCnstler)  , hat viele recht skurrile Bilder geschaffen, die nicht so meine Welt sind, aber seine realistischen Bilder, die der „Neuen Sachlichkeit“ zu zuordnen sind, schätze ich wohl. Die Dame von der ich die Radierung der Maus mit dem Lorbeerzweig erwarb, schenkte mir auch einen Kunstdruck (wohl aus Velhagen & Klasings Monatsheften) welches ein Oelbild Richard Müllers zeigt: „Kind mit Puppe“, das 1925 in einer Kunstausstellung in Dresden gezeigt wurde und 1924 entstanden war. Von diesen Kunstdrucken hatte sie gleich mehrere Exemplare. Ich wunderte mich darüber und nach einigem Zögern teilte sie mir mit, daß sie das kleine Mädchen auf dem Bett gewesen sei, sie dem Richard Müller damals 1924 Aktmodell gelegen hatte. Ihr Vater, der Kunstsammler, kannte Richard Müller gut und dieser sprach ihn an, ob er nicht seine hübsche Tochter malen dürfe. Da ihre Familie der Freikörperkultur frönte, sie Nacktheit als etwas ganz natürliches gewohnt war, war ihr dies keineswegs unangenehm. Sie konnte sich noch sehr gut an das Aktzeichnen erinnern. Was mir die Dame damals nicht erzählte, daß sie des öfteren Modell gestanden haben mußte, denn ganz eindeutig ist sie es auch die auf dem bei Ketterer 2010 versteigertem Oelbild zu sehen ist, welches sich im Nachlaß des Künstlers befand, also zu seinen Lebzeiten nicht verkauft wurde, siehe: http://www.kettererkunst.de/kunst/kd/details.php?obnr=101001402&anummer=364

Das Aktzeichnen fand im Hause des jungen Mädchen statt und an ihr Bett und den Nachttisch mit der blauen Lampe konnte sich die in den 80er Jahren inzwischen im Rentenalter stehende Dame noch sehr gut erinnern. Allerdings hatte sie nie diese Puppe besessen, die hatte der Maler dann wohl später aus Phantasie dazu gemalt. Was mit dem fertigen Oelbild nach der Kunstaustellung geschah, wo es hinkam und wo es verblieben ist, dies konnte mir die Dame nicht sagen. Sie erinnerte sich allerdings daran, daß ihre Mutter als das Oelbild in einer Kunstzeitschrift veröffentlicht wurde, etliche dieser Ausgaben erwarb, so daß sie später noch mehrere dieser Drucke besaß.

Dieses Bild ist ja nun ganz im realistischen Stil der damaligen „Neuen Sachlichkeit“ gemalt worden. Was nun die Sache kunsthistorisch noch interessanter macht, ist, daß Richard Müller noch im gleichen Jahr 1924 eine fast identische Fassung malte. Da liegt das Mädchen allerdings nicht im eigenen Bett, sondern ist von zwei balzenden Kampfhähnen umgeben und liegt an einem Strand, siehe das bei Mehlis 2006 versteigerte Bild: http://www.mehlis.eu/archiv/42-auktion/objekte/0015103. Da kam also der Surrealist bei Richard Müller durch, die erste Fassung war ihm wahrscheinlich zu bieder.

PS: Leider paßt die Radierung der Maus mit dem Lorbeerzweig nicht in Gänze auf meinen Scanner, die Beeinträchtigung des Gesamtbildes bitte ich deshalb zu entschuldigen.

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