Dienstag, 21. Juni 2011
Erinnerung an Mutter: Urlaub im Ostseebad Grömitz im Juni 1943
Juni 1943, die Kriegsproduktion lief auf Hochtouren. Meine Mutter arbeitete damals in den Dessauer Junkers-Flugzeugwerken, siehe meine Beiträge: http://barrynoa.blogspot.com/2010/02/meine-mutter-und-die-dessauer-junkers.html und
http://barrynoa.blogspot.com/2010/02/humor-in-den-junkers-flugzeug-und.html.
Gerade im Entwurfsbüro, wo die zukünftigen Flugzeuge entworfen wurden, die allerdings durch das baldige Kriegsende nie zum Einsatz kamen, es denn viel später, wie die französische Concorde (nach Entwürfen aus dieser Zeit), da saßen die besten Ingenieure und tüftelten Tag und Nacht. Oft wurde die Nacht durchgearbeitet und die folgende Tagesschicht natürlich weiter gearbeitet. Noch im Krieg (bis Ende 1943) sorgten die Junkers-Flugzeugwerke dafür, daß sich diese Mitarbeiter im Urlaub gut erholen konnten, so in einem Urlauberheim im Ostseebad Grömitz.
Meine Mutter bekam aufgrund ihrer guten Arbeit auch einen solchen Urlaubsplatz, was im Juni 1943, wo viele verwundete Frontsoldaten zur Erholung an solche Orte geschickt wurden, keine Selbstverständlichkeit war. In Grömitz spürte man nichts vom Krieg, wie sie mir erzählte, und es war ein wunderbarer Urlaub für sie. Verpflegung, Service - alles war wie in Friedenszeiten. Das Urlauberheim von Junkers lag direkt am Strand und man kam nach ein paar Metern gleich zum Wasser.
Eine Kahnfahrt endete beinahe tödlich. Mutter hatte das Zimmer mit einer Kollegin teilen müssen. Beide junge Frauen – Mutter war im Juni 1943 21 Jahre alt – wurden von zwei jungen Männern zu einer Bootsfahrt eingeladen. Die waren allerdings keine Einheimischen und kannten sich auf See nicht aus. Der Kahn hatte kein Segel, sondern war nur ein Ruderkahn und er trieb ab. Stundenlang ruderten die beiden Männer gegen die Strömung an und kamen nicht wieder an Land. Es war mehr als gefährlich, denn einen Seerettungsdienst wie zu Friedenszeiten gab es nicht mehr, da alles für die Kriegsmarine eingezogen war und auch sonst wußte keiner von der Kahnfahrt, das Verschwinden wäre erst am nächsten Morgen bemerkt worden und dann diese Nußschale von Kahn längst der Ostsee zum Opfer gefallen und damit meine Mutter ertrunken. Wie mir meine Mutter erzählte, gelang es mit letzten Kräften ans rettende Ufer zu gelangen, aber es war mehr als knapp. Erst als alle am Ufer waren, beichteten die jungen Männer, daß sie keine Seeerfahrung hatten, wie sie vorher vorgaben, wahrscheinlich um Kontakt zu den jungen Frauen zu bekommen.
Aus Mutters Fotoalbum, aus historischen Gründen, die Seiten mit Mutters Urlaub im Juni 1943 im Ostseebad Grömitz, aber auch aus privaten Gründen - Erinnerung an meine liebe Mutter!
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