Montag, 9. Juni 2008

Am deutschen Gesundheitswesen, die Welt genesen?









Wie zwei Tage Klinikaufenthalt in Deutschland einen Menschen psychisch fertig machen können, dies zeigte sich an meiner Mutter, zumal eben in den Kliniken nur das rein fachspezifische berücksichtigt wird, der Mensch aber in seiner Ganzheit, seinen Bedürfnissen, seinen seelischen und körperlichen Belastbarkeitsgrenzen kaum Beachtung findet. Die heutige Schulmedizin, besonders im klinischen Bereich hat noch große Defizite aufzuarbeiten, es fehlen einfach die Kapazitäten einen Menschen ganzheitlich zu behandeln, es fehlen den Fachärzten einfach die psychologischen und seelsorgerischen Ausbildungen und besonders die Zeit diese Faktoren zu berücksichtigen. Durch das desolate deutsche Gesundheitswesen mit der Abrechnung von Fallpauschalen, dem wirtschaftlichen Zwang an einem Patienten möglichst viel zu verdienen, was man nur mit technisch aufwendigen Untersuchungen erzielen kann und dann natürlich durch Operationen, muß alles andere zwangsläufig zu kurz kommen. Es wird wohl kaum eine Klinik mit einer Operation noch zuwarten, wenn dadurch finanzielle Einbußen für die Klinik entstehen. Dieses Primat der Ökonomie wird natürlich immer geleugnet werden, wirkt aber letztendlich ähnlich einer Zensurschere im Kopf eines Publizisten in einem Land wo die Pressefreiheit eingeschränkt ist. Ich habe es deutlich gemerkt, daß ein Hauptproblem in unseren Kliniken der Ärztemangel ist. Ärzte sowohl auch mittleres medizinisches Personal arbeiten an ihrer Leistungsgrenze schon vom Umfang der Arbeit her. Es kann einfach keine notwendige Zeit für außerfachliche Behandlung eines Patienten da sein, nimmt man sich diese dennoch, so fehlt die Zeit wieder für andere Dinge.

Mein Mitbruder der WT, Armin von Bodenhausen, mit dem ich dankenswerter Weise ich mich in der letzten Zeit über ethische Fragen in Zusammenhang der Krankheit meiner Mutter austauschen konnte, war bekanntermaßen ein Freund von Prof. Julius Hackethal, der schon in den 70er Jahren unser obrigkeitsstaatliches Gesundheitssystem scharf kritisierte, besonders eben das wenig partnerschaftliche Arzt-Patienten-Verhältnis kritisierte, von den Ärzten als „Göttern in Weiß“ sprach. Vergleicht man aber die 70er und 80er Jahre mit der heutigen Zeit, dann wünscht man sich diese Zeit zurück, denn was nützen einem formale Patientenrechte mit Aufklärungsbögen und Unterschriften unter medizinische Eingriffe, wenn es kaum noch genügend Ärzte in den Kliniken gibt. Daß dies so ist, zeigen die Statistiken der Personalbestände an Kliniken. Im Klartext: In den letzten 25 Jahren wurde permanent der Personalbestand abgesenkt, dies können dann auch neu eingeführte externe Stellen von Sozialarbeitern, Psychologen oder grünen Damen bei weitem nicht ausgleichen. Trotzdem bleiben Prof. Hackethals Thesen in seinem Buch „Auf Messers Schneide, Kunst und Fehler der Chirurgen“ von 1976 immer noch gültig. In diesem Buch plädierte Hackethal für Behandlungsalternativen, mehr Ethik in der Medizin sowie eine bessere Arzt-Patienten-Beziehung. Nach Hackethal hätte z.B. ein Arzt erst einmal meine Mutter fragen müssen ob sie einen Blasenkatheder haben möchte. Auch wenn dieses medizinisch notwendig ist, muß erst einmal der Patient gefragt werden, ob er dem zustimmt, denn es kann ja sein, daß er negative Erfahrungen mit so einem Katheder gemacht hat und er dies als Entmündigung ansieht, wenn er so ein Ding ungefragt angelegt bekommt, welches ihn quält. Die Abwägung zwischen medizinisch notwendigem und dem Willen des Patienten geschieht in der Regel leider meistens fast immer zugunsten ersterem, da man dem Patienten die nötige Einsicht in Maßnahmen nicht zutraut. Das Recht des Patienten über seinen Körper selbst zu bestimmen, stößt in der Praxis des Klinikaufenthaltes an seine natürlichen Grenzen, es ist vom Patienten nur mit Aufbietung aller Kräfte möglich dieses Gleichgewicht zwischen Arzt und Patient zu wahren, welches unsere Gesetze vorschreiben. Es ist tatsächlich so, daß man bei Einweisung in eine Klinik oder ein Pflegeheim einen Großteil seiner Selbstbestimmung abgibt, ähnlich einem Aufenthalt in einem Gefängnis wo man ja auch nicht mehr selbst über sich bestimmen darf. Eine Balance dieser Interessen zu wahren, dies ist immer schwierig und muß zwangsläufig eine stark arbeitsbelastete Ärzteschaft zusätzlich belasten, darum wird im Regelfall es bei der Anordnung von Maßnahmen eines Arztes bleiben ohne langwierige Abstimmung mit dem Patienten. Hat dann der Patient von Außen keinerlei Unterstützung durch Angehörige wird ihm nichts anderes übrig bleiben als sich allen Maßnahmen zu fügen auch wenn er nicht mit ihnen einverstanden ist, dies bestimmen schon die praktischen Machtverhältnisse. Je kränker der Patient, desto weniger wird er seine Interessen und Sichtweisen einbringen können und er muß dann sein Schicksal ganz den Ärzten anvertrauen. Daß diese aber nun nicht unfehlbar sind ist eine Binsenwahrheit. Alle Menschen sind fehlbar und vor Fehlschlägen schützen auch keine akademischen Titel. Aber wenn die Theologie dem Menschen einen freien Willen zubilligt, sich für diesen oder jenen Weg zu entscheiden, wie dies schon Luther in seinen Schriften erkannte, dies sogar im Verhältnis des Menschen zu Gott, so muß dies natürlich erst recht im Alltag gelten, im Verhältnis Mensch zu Mensch, daß der freie Willen des Menschen oberstes Primat sein muß.

Nun, im speziellen Fall meiner Mutter, gibt es jetzt keinen Grund zu klagen, daß dieser freie Willen meiner Mutter mißachtet wurde, aber es steht eben doch im Raume, ob sie diese ihre Sicht auch ohne Schützenhilfe von Außen hätte durchsetzen können. Diese ethische Frage gilt es zu verallgemeinern und es müssen mehr Instrumente geschaffen werden diese Patientenrechte besser durchsetzen zu können, neben den derzeitigen Betreuungsgesetzen für Personen die selbst nicht mehr geschäftsfähig sind, sondern auch für solche Patienten die de jure noch geschäftsfähig sind. In Absprache mit der WT, werden sich einige Brüder in Verbindung mit anderen Brüdern befreundeter Freimaurerlogen und Theologen der beiden großen Kirchen sich zukünftiglich stärker diesem Problemkreis zuwenden, eventuell durch Anregung einer Diskussion z.B. im Rahmen einer evangelischen Akademieveranstaltung die sich mit Fragen der Ethik, der Selbstbestimmung und deren Verhältnis zu der derzeitigen Praxis im Gesundheitswesen befaßt.

Um nun nicht alle Emails zum Zustand meiner Mutter beantworten zu müssen, so möchte ich in altbekannter offener Berichterstattung nur mitteilen, daß natürlich der Gesundheitszustand weiterhin sehr kritisch ist, aber der mentale Zustand meiner Mutter seitdem sie wieder zuhause ist, sich spürbar gebessert hat. Da sie nun immer geäußert hat, daß sie wenn es denn Gott gefällt sie aus diesem Leben abzuberufen, sie sich nichts sehnlicher wünscht, daß sie zuhause sein möchte, so fühlt sie sich endlich wieder besser und hat wieder Mut. Da der Geist einen großen Einfluß auf den Körper hat, machte sich dies auch an körperlichen Reaktionen bemerkbar, wie wieder erlangter geistiger Klarheit und wieder essen können und sogar wieder Zeitung lesen. Dieser Gewinn an Lebensqualität ist eventuell höher zu bewerten als die Aussicht durch eine Operation, deren Ausgang mehr als fraglich ist, das Grundleiden zu beseitigen. Die Abwägung eine schwere Operation in so hohem Alter bei so schlechtem Allgemeinzustand zu wagen, wenn einem das wochenlange postoperative Leiden einen so graut, allein die fremde Umgebung als Horror empfunden wird oder die Alternative nach Hause zu gehen und dort mental sich relativ wohl zu fühlen, dies muß allein der Einzelne selber treffen.

Was mich nun schon ein wenig erschreckte, dies war, als ich die diversen blauen Flecke meiner Mutter sah, die sie nach nur zwei Tagen Klinikaufenthalt bekam. Es ist natürlich notwendig intravenöse Infusionen zu legen, aber wie würde der Körper meiner Mutter aussehen wenn so ein Aufenthalt Wochen dauern würde und man immer wieder neue Stellen für die Kanülen suchen müßte und dann kaum noch Stellen frei wären, weil schon jetzt das Setzen der Kanülen kaum gelang? Anbei heutige Fotos meiner Mutter in ihrem vertrauten geliebten zuhause, ebenso ein paar Fotos von den blauen Flecken die allein durch nur zwei Tage Krankenhausaufenthalt zustande kamen. Nicht gerade eine Ermutigung in eine deutsche Klinik zu gehen! Vergleicht man nun den Service einer deutschen Uni-Klinik mit dem Service einer Klinik in Thailand, so tun sich da Welten auf. An besagter Uni-Klinik ist es nicht möglich ein Privatzimmer zu bekommen, wo ein Angehöriger in der Nähe des Patienten sein darf, in Thailand ist dies eine Selbstverständlichkeit. Eine gute Bekannte läßt sich aus diesem und vielen anderen Gründen grundsätzlich nur noch in Thailand operieren. Dort steht der Patient und dessen Wünsche im Mittelpunkt allen Tuns. Es war überhaupt kein Problem, daß ein Bekannter meiner Bekannten nach der Intensivstation im Zimmer übernachten konnte. Es wurde einfach eine Liege hineingestellt und der Bekannte wurde ohne Formalitäten mit verpflegt, einfach so ohne irgendwelche bürokratischen Hürden zu erfüllen. Was nun das Können und den technischen Ausrüstungszustand dieser thailändischen Klinik anlangte, so können deutsche Kliniken nicht mithalten. Es ist also so, daß Deutschland sowohl menschlich wie auch was den medizinischen Fortschritt anlangt von einem wirtschaftlichen Schwellenland wie Thailand weit abgehängt ist. Deutschland, Deutschland über allem? Was die Menschlichkeit und das Gesundheitswesen anlangt – auf gar keinen Fall!

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