Montag, 29. Dezember 2008

Vaters Tod vor einem Jahr am 29.12.2007 zum Gedenken




Heute vor einem Jahr um die Mittagszeit starb mein lieber Vater. Dieser Tod kam plötzlich und auch wieder nicht plötzlich, denn er selbst hatte eine Vorahnung, spürte, daß etwas nicht in Ordnung sei. Wie mir meine Mutter berichtete, hatte er ihr an seinem Geburtstag, den er einen Tag vor seinem Tod hatte, die Befürchtung geäußert, daß es mit ihm nicht mehr lange gehen werde, daß es auf jeden Fall sein letzter Geburtstag sei, er auch spüre, daß irgend etwas nicht in Ordnung sei bei ihm und er die nächsten Tage zum Arzt wolle. Nun war es gerade ein Freitag an diesem seinen Geburtstag, dann das Wochenende und dann auch noch diese vermaledeiten vielen Tage von Weihnachten bis Neujahr wo sowieso alles aus dem gewohnten Gleichmaß läuft, wo die Arztpraxen wegen Urlaubs oder wegen der Feiertage geschlossen sind, wo man also schon immer aufgeschmissen war wenn man gesundheitliche Ängste oder Probleme hatte, denn den Notdienst anrufen, dies macht man ja erst wenn man ernsthaft krank ist und wer das desolate deutsche Gesundheitswesen kennt der weiß, daß dieser Notdienst meistens eine Katastrophe ist wie das gesamte deutsche Gesundheitswesen – Ärzte die oberflächlich Diagnosen stellen oder die entweder viel zu schnell ins Krankenhaus einweisen oder die dies nicht tun, auch bei großer Dringlichkeit.

Es ist oft wie im Lotto, ob man Glück hat mit dem Notdienst, ob man da in guter Hand ist oder eben nicht. An was für Ärzte man bei diesen Notdiensten geraten kann, dies erlebte ich mit meiner Mutter zwei Tage nach dem Tod meines Vaters am Silvesternachmittag. Da ging es ihr sehr schlecht, Kreislaufstörungen, Bewußtseinsstörungen, kalter Schweiß, ich rief den Notdienst, der kam. Als erstes natürlich die Formalitäten, ehe der Patient angesehen wird, die Chipkarte, damit man auch schön Honorar abrechnen kann, dann die 10 Euro abkassieren für den Noteinsatz, ja das ist alles wichtig, dann mal schnell noch den Patienten abhorchen, Blutdruck messen. Alles in Ordnung, wahrscheinlich nur eine Kreislaufschwäche wegen der Aufregungen um den Tod des Ehemanns. Schwupp war der Notdienst wieder weg. Nur meiner Mutter ging es keinesfalls besser! Dies berichtete ich einer Bekannten am Telefon, die fragte ob denn der Arzt Blutzucker gemessen hätte, denn kalter Schweiß das wäre doch meistens eine Unterzuckerung? Diese Bekannte hat nun keineswegs einen medizinischen Beruf und sie hatte recht! Ich runter in die Wohnung meiner Mutter und Zucker messen, zum Glück haben wir ein Messgerät (Was machen aber die, die keines haben?), denn dies hatte der Notdienst nicht gemacht und siehe da, absoluter Unterzucker! Da weiß man ja was man tut, Traubenzucker und Langzeitzucker geben! Wäre meine Bekannte am Telefon nicht gewesen, dann wäre Mutter meinem Vater schon zwei Tage später gefolgt, denn der Notdienst hatte wie meistens kläglich versagt.

Jedenfalls hatte Vater eine Vorahnung nahenden Unheils. Daß die Zeit um die Wintersonnenwende, besonders Weihnachten bis nach Neujahr eine unheilvolle ist, dies war uns schon immer bewußt, siehe auch mein Posting vom gestrigen Tag. An seinem Sterbetag stand Vater wie immer um 6.00 Uhr früh auf, machte das Frühstück, holte die Zeitung aus dem Briefkasten. Mir selbst ging es nicht so gut und ich fuhr zur Apotheke um ein Magenmittel zu kaufen. Als ich zurück kam saß Vater in der Diele auf einem Stuhl und machte einen merkwürdigen Eindruck. Er hatte gerade mit dem Staubsauger den kleinen Teppich in der Diele saugen wollen und hielt den Staubsauger in der Hand und meinte ich solle ihn doch nach oben in sein Zimmer bringen, er fühle sich nicht. Dies tat ich nicht weil ich befürchtete daß er die Treppe nicht schaffen würde, wenn er einen Schwächeanfall hatte und sagte er solle sich ein wenig ausruhen. Ich ging kurz in ein Nebenzimmer und hörte ihn rufen. Dieser Ruf klang mir sehr bedrohlich, da merkte ich das Vater was ernsthaftes hatte. Er saß auf dem Stuhl mit verzerrtem Gesicht und sein Ausdruck war voller Panik und Angst. Sofort rannte ich zum Telefon im Nebenzimmer und rief die 112 an. Da meldete sich relativ schnell jemand, ich schilderte, daß doch schnellstens der Notdienst kommen müsse, es ist etwas sehr ernstes mit meinem Vater. Da hieß es dann: „Moment, ich verbinde, erzählen sie das dann nochmal!“ Ja und dann wartete ich minutenlang und nichts rührte sich! Ununterbrochen kam diese ekelhafte Stimme mit ihrem „Bitte warten Sie“ und diese ekelhafte Telefonmusik! Vater rief inzwischen immer verzweifelter nach Hilfe im Nebenzimmer, ich konnte nicht mal hin zu ihm, da ich an dem Festapparat bleiben mußte um Hilfe für ihn zu bekommen. Ich konnte ja nicht zu ihm, denn dann wäre ich nicht am Apparat gewesen und man hätte aufgelegt. Es war eine schlimme Situation, Vater immer wieder verzweifelt „Bernd“ rufen zu hören und nicht helfen zu können. Endlich war dann doch jemand dran und endlich hieß es, daß man einen Einsatzwagen schicken würde. Ich raus zu Vater, er saß auf dem Stuhl und röchelte, rang mit dem Tod, leise vor sich hin murmelnd. Als die Feuerwehrsanitäter kamen, mußte ich Vater verlassen, den ich nur streicheln konnte, denn mehr konnte ich nicht tun, rannte raus um das Tor aufzuschließen und gerade als wir ins Haus traten hörte ich es bummsen, Vater war tot vom Stuhl gefallen! Ein Leben hatte sich vollendet!

Es war alles schlimm und schockierend, dies so zu erleben. Im Nachhinein gesehen, muß man feststellen, daß Vater noch Glück gehabt hat, denn es ist ihm eine lange Leidensgeschichte in deutschen Krankenhäusern und deutschen Pflegeheimen erspart geblieben. Dies ist viel wert, denn wer möchte da wohl seine letzten Tage oder gar Jahre verbringen wollen und da sterben müssen?

Daß die deutsche Gesellschaft eine zutiefst inhumane ist, dies zeigte sich dann gleich an den praktischen Dingen kurz nach Vaters Tod. Vater war sehr schwer und ich konnte ihn allein als Toten nicht vom Teppich weg auf die Couch legen. Die Sanitäter ließen ihn auf dem Boden liegen, mal mit anfassen und ihn würdig auf die Couch legen, dies kann man von deutschen „Samaritern“ natürlich nicht verlangen. Ja und dann steht man da, wen ruft man an, von den Bestattern? Ich hatte bis dato davon keine Ahnung, war aber mehr als einfältig ausgerechnet einen Bestatter zu nehmen wo ich wußte, daß der sehr vermögend war, durch sein Gewerbe seit der Wende erworben und dessen Ausspruch bekannt war „Geld spielt für mich keine Rolle!“ Aber scheinbar eben doch, denn was ich mit diesem Menschen erlebte, dies geht auf keine Kuhhaut und dies behalte ich mir für eine ausführlichere Story vor, weil es den Rahmen hier sprengen würde. Nur soviel vorab, der Ordner des Schriftverkehrs mit seinem Rechtsanwalt wird immer dicker, da ich mich nicht wie ein Lamm zur Schlachtbank führen lassen wollte, in finanziellen Dingen. Aber dieser Typ ist ausgebufft, mit allen Wassern gewaschen und leider interessiert die deutsche Rechtsprechung nur was man unterschrieben hat, wie die Unterschrift zustande kam und, daß die mündlichen Absprachen ganz andere waren, dies interessiert dann weniger. Nur soviel, ich ließ mich in der Panik und Trauer zu einer Unterschrift hinreißen obwohl dort nicht alles ausgefüllt war. So bot dieser saubere Herr an, da wir keinen Trauerredner wollten, daß er noch ein paar Worte dann als Freundschaftsdienst am Grabe sprechen werde. Das tat er dann später auch und ein Redner war er wahrlich nicht, denn auch im normalen Leben konnte er „mir“ und „mich“ nicht auseinanderhalten. Jedenfalls sprach er ein paar wenige Worte bei der Urnenbeisetzung, Standardsätze wie sie halt so üblich sind. Ja und dann kam die Rechnung, da war dann keine Rede mehr davon, daß er versprochen hatte diese Wort unentgeltlich zu sprechen, da wurde tüchtig zugelangt mit Honoraren wovon Hartz-IV-Empfänger lange, lange von leben könnten. Für eine halbe Stunde Urnenbeisetzung wurde dann Rednerhonorar, Anwesenheitshonorar, Blumentransporthonorar allein für den Bestatter gefordert. Ich kam aus dem Staunen nicht heraus, wie leicht man doch Geld verdienen kann im Bestattungswesen und dachte dann aber an meinen Bekannten der auch einige Zeit in dieser Branche gearbeitet hatte, allerdings dort schwere Arbeit machen mußte, auf einem evangelischen Friedhof Steine umsetzen und dergleichen Friedhofsarbeiten mehr. Und was verdiente der? Ein (1,00) Euro die Stunde, denn er war 1-Euro-Jobber! Ja so sieht es aus in Deutschland! Gerechtes Einkommen ist in diesem Land ein Fremdwort und die Kluft zwischen denen die horrende Summen abkassieren dürfen und denen die in Armut versinken wird groß und größer. Diese miesen Zustände muß mein lieber Vater nun nicht mehr mitmachen, möge er in Frieden ruhen.

Zur Erinnerung stelle ich drei Fotos von ihm in meinen Blog, die typisch für seine Lebensspanne sind, einmal ein Foto in ganz jungen Jahren, ein Foto welches ein Fotograf in seiner Heimatstadt Schneidemühl gemacht hat, da ist er 18 Jahre alt, dann ein Schnappschuß eines unbekannten Knippsers welches meinen Vater mit ca. 45 Jahren zeigt, zusammen mit seinem langjährigen Fahrer Herrn Hochmuth (hinter ihm stehend) und seinem Dienstwagen, einem Wartburg, ein sehr typisches Foto, da er jahrelang mit diesem Auto gefahren wurde und er da in für ihn typischer Pose steht, so wie ich ihn meistens kannte, und schließlich das letzte Foto von ihm, wo er würdelos auf dem Teppich unserer Diele lag und gerade gestorben war und Sanitäter und Arzt raus waren und wo man ihn einfach so liegen gelassen hatte.

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