Lang ist´s her und die alten Zeitungen sind vergilbt, die gute alte "LDZ", die Tageszeitung die gern in Dessau gelesen wurde. 3 Tageszeitungen gab es in der DDR-Zeit die eine Dessauer Lokalseite und eben auch eine Lokalredaktion in Dessau hatten, dies waren die "Freiheit" von der SED (Nachfolger ist die heutige "Mitteldeutsche Zeitung"), dann die "Mitteldeutschen Neuesten Nachrichten" von der NDPD (Nationaldemokraten) und schließlich die kleinste Zeitung, dies war die LDZ von der LDPD (Liberaldemokraten).
Als sehr junger Mann fand ich die Johannisstraße interessant mit dem kleinen Parteibüro der LDPD, was so ganz anders war als das große Gebäude der Kreisleitung der SED. Im Gebäude der SED war Zimmer an Zimmer und es wimmelte von hauptamtlichen Mitarbeitern, anders bei der LDPD, da gab es nur einen Geschäftsführer, einen Herrn Koch und eine Sekretärin und in einem Nebenraum da saß die Lokalredaktion der LDZ mit einem einzigen verantwortlichen Redakteur, dem markanten Harry Herrmann und seiner apparten Sekretärin, der Frau Eckert. Wie das Parteibüro, waren auch die Räume der LDZ-Redaktion mit gediegenen bürgerlichen Vorkriegsmöbeln ausgestattet, dies gefiel mir schon mal gut und gut gefiel mir die bürgerliche Atmosphäre die bei den Liberaldemokraten herrschte, statt Kampfparolen gaben sich dort distinguierte private Händler, Künstler und die Inhaber der halbstaatlichen Betriebe die Klinke in die Hand, jedenfalls der Ton war ein ganz anderer als der, der im Proletenmillieu der volkseigenen Betriebe herrschte. Da zog es mich hin, dort wollte ich beruflich unterkommen, denn ich hatte wenig Lust auf sozialistischen VEB.
Ohne eine Ausbildung in der Zeitungsbranche klopfte ich dort an, ob man nicht noch einen Reporter gebrauchen könne und wurde zwar wegen meines jungen Alters und meiner fehlenden Ausbildung mit Skepsis aber sogar noch am selben Tage engagiert, da man dringend jemanden brauchte.
Der Witz an der Sache war aber nun der, daß man keinen Reporter gebrauchen konnte, dies machte Harry Herrmann selber, sondern einen Bildreporter, das heißt einen Mann der hauptsächlich täglich die Fotos schiessen und entwickeln mußte und auch noch Texte schreiben mußte, da Harry nicht alles machen konnte. Damals wurde nur in schwarz-weiss gearbeitet und ein Fotolabor hatte die Redaktion nicht, da wurde vorausgesetzt das man die Entwicklungsarbeiten wie Film-Entwickeln, Vergrößern, Fixieren und Trocknen in einem eigenen Labor machen mußte und dies unter Zeitdruck, denn die Fotos die vormittags geschossen wurden, die mußten bei Redaktionsschluß nachmittags auf dem Tisch der Redaktion liegen und das mußte hinhauen, einen Patzer wie einen mißglückten Film konnte man sich nicht erlauben, dann wäre man als Mitarbeiter nicht tragbar gewesen.
Wieso nun Witz? Der Witz war der, dass ich die Stelle annahm, ohne eine Kamera, geschweige denn eine Dunkelkammer-Ausrüstung zu besitzen und auch keinerlei Erfahrung darin hatte. Hätte ich dies aber gesagt, dann hätte ich diesen interessanten Job nie bekommen. Ulkig war, daß man gar nicht bei dem Bewerbungsgespräch fragte, ob ich denn überhaupt fotografieren könne und ein Labor hätte, dies wurde einfach vorausgesetzt, daß ein Bewerber dies können und ein Labor zuhause haben müsse.
Eine Stunde später stürmte ich zu Photo-Schade und kaufte dort meine erste Kamera, eine Praktika LLC mit Innenlichtmessung, die ich noch heute habe. Sie war über 1000 Mark teuer, dann noch eine komplette Fotolaborausrüstung und etliche Fotofachbücher, mit Titeln wie "Wie entwickle ich meinen Schwarzweiss-Film" oder "Wie vergrößere ich richtig" und schon am nächsten Tag wurde ich ins kalte Wasser geschmissen und auf eine erste Reportage geschickt: Text mit Foto!
Es klappte, den Text konnte ich schnellstens tippen und die erste Filmentwicklung und Vergrößerung des ersten Zeitungsfotos machte ich mit den Lehrbüchern in der Hand, genau nach Vorschrift wie es da geschrieben stand. So kam also das erste selbst geschossene und selbst entwickelte Foto auf Anhieb gleich in eine Zeitung.
Als ich nach einem Jahr dies mal Harry Herrmann erzählte, blieb ihm die Spucke weg, er hatte gedacht ich wäre ein Fotoamateur mit Kenntnissen seit Kindesbeinen an gewesen, da die Fotos bei der Chefredaktion in Halle immer Anklang fanden und dies von Anfang an.
Bernd Nowack, 21.1.08
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen