Sonntag, 28. Februar 2010

Der Mord an meinem Onkel Albert vor 90 Jahren in Dessau



Ein Jahr bevor meine Mutter geboren wurde starb mein Onkel Albert Dennhardt im blühenden Alter von 15 Jahren durch Mord. Diesem Vorfahren fühlte ich mich zeitlebens emotional verbunden, wahrscheinlich ist es Seelenverwandtschaft und wäre Albert nicht so früh von dieser Erde gegangen, wer weiß, er wäre bestimmt ein Künstler, ein Dichter oder Maler geworden. Wieviele Talente konnten sich nie entfalten, weil Lebensumstände sie daran hinderten oder sie, noch bevor Menschen Großes leisten konnten, sie starben. Letztendlich ist es eben doch die unverdiente Gnade die einem gewährt wird überhaupt zu leben und etwas zu schaffen, die vielen ungerechterweise versagt wird. Das Leben an sich ist schon in höchstem Maße ungerecht und unsere derzeitige Gesellschaftsordnung setzt noch eines drauf und verschärft diese Ungerechtigkeit durch den bürokratischen Kapitalismus der immer mehr in einen totalitären Polizeistaat mündet, wo das Maß aller Dinge das Geld ist.


Zwei kleine Beispiele dieser auch noch vom Volk so gewollten, da gewählten, Ungerechtigkeit: Ein Knöllchen wegen Falschparkens bekommt ein Beamter im öffentlichen Dienst mit 5.000, - Euro Monatsgehalt ebenso wie ein Leiharbeiter mit 700, - Euro Monatsgehalt zu jeweils der gleichen Strafsumme, man ist ja gerecht, oh ja! Daß etwa 20, - Euro Ordnungsgeld den Beamten natürlich nicht schmerzen und den armen Leiharbeiter aber empfindlich treffen, dies ist gewollt! Diese Gesellschaftsordnung will nicht gerecht sein, das hat sich die Bourgeoisie auf ihre Fahnen geschrieben. Zweites Beispiel! Da wird ein junger Mann, 20 Jahre alt, zu Wochenendknast von unserer ach so gerechten Justiz verurteilt weil er schwarz mit der Straßenbahn gefahren ist. Das Strafgeld konnte er nicht bezahlen weil seine Mutter, Hartz IV-Empfängerin, für Strafgelder kein Geld ausgibt, sie von Staats wegen berechtigt ist, den Hartz IV-Satz ihrer Kinder zu erhalten und damit zu machen was sie für richtig hält und dies bis zum 25. Lebensjahr der Kinder. Daß diese Entmündigung von unter 25jährigen Hartz IV-Empfängern das deutsche Volk nicht sonderlich aufregt, zeigt wie wenig sich emotional geändert hat an der deutschen Wesensart seit Kaiser, Hitler, Honecker und Konsorten. Die Deutschen stören sich nicht an Ungerechtigkeiten, ja sie befürworten sie in großem Maße, eine Minderheit natürlich ausgenommen! Ein Beamtensohn wäre nie wegen des gleichen Deliktes zu Knast von der deutschen Justiz verurteilt worden. Erstens hätte so ein Beamtensöhnchen genügend eigenes Geld oder Taschengeld zur Verfügung, brauchte also nicht Schwarzfahren und täte er es doch, so hätte der Herr Beamte seinem Sohn wohl die Leviten verlesen, aber ihm dann doch die 60,- Euro Bußgeld gegeben um ihm das Gefängnis zu ersparen. Abgesehen davon, daß 20jährige junge Bourgeois kaum in die Verlegenheit kommen Straßenbahn zu fahren, denn oft bekommen sie von Pappi ein Auto zum 18. Geburtstag geschenkt, nebst Geld für die Fahrschule.


Daß die deutsche Justiz schon in der Weimarer Zeit keineswegs Gerechtigkeit üben wollte, dies zeigte der tragische Tod meines Onkels. Albert war der Bruder meiner Großmutter Gertrud, der Mutter meiner Mutter Erika. Albert war ein stiller, feiner Junge – vornehm und an Kunst und Wissenschaft interessiert. Mit Jungen seines Alters verkehrte er selten, waren sie doch, zumindestens in der Schulstraße in Dessau-Ziebigk, wo er wohnte, mehr vom Schlage proletenhaft und rabaukenhaft. Nichtsdestotrotz ergab es sich, daß er doch mit diesen Gleichaltrigen aus der Straße Umgang hatte. Ein gewisser Dropp, ebenso wie er, 15 Jahre alt, hatte eine Pistole, aber keine Munition. Ausgerechnet Albert wußte wo es passende Munition gab, nämlich ein Verwandter hatte aus dem Krieg (1. Weltkrieg) ein paar Kugeln als Souvenir mitgebracht und sie den Dennnhardts dagelassen. Fatalerweise erzählte Albert diesem Dropp davon und dieser drängelte mit anderen Jugendlichen Albert doch ihm diese Kugeln zu geben. Albert, der dies nicht wollte, wurde aber schwach als Dropp ihn als Feigling und Memme vor den Jungs der Straße hinstellte. Dies wollte er nicht auf sich sitzen lassen. Das Unfaßliche geschah, dieser Dropp machte die Kugeln in die Pistole, zielte auf Albert und schoß auf ihn. Einfach so! Dies im Beisein etlicher Jugendlicher aus der Clique des Dropp.


Wenn ich heute allenthalben lese, daß die Jugend heutzutage immer brutaler wird, dann kann ich nur mit dem Kopf schütteln, denn diese Kaltschnäuzigkeit und Brutalität ist gewiß keine neue Erscheinung wie der Mord an meinem Onkel zeigt.


Albert war nicht gleich tot. Er hatte einen Bauchschuß und mußte qualvoll leiden, wie mir meine Großmutter erzählte. Ohne kaum mal Morphium zu bekommen wandt er sich in Schmerzen im Krankenhaus der Anhaltischen Diakonissenanstalt und verschied nach ein paar Tagen. Die deutsche Justiz reagierte sehr merkwürdig, es kam nicht mal zu einem Prozess, es wurde als Unfall abgetan, denn dieser Dropp behauptete, er wäre aus Versehen auf den Abzug gekommen und schließlich hätte ja Albert die Todeskugeln selbst geholt, er hätte ja keine gehabt. Das Verfahren verlief im Sande, die Justiz verhängte nicht mal ein paar Tage Arrest, was sie bei dem Klauen eines einzigen Brotes durchaus damals öfter tat. Dieser Dropp trat noch vor 1933 in die NSDAP ein und soll nach Aussage des sozialdemokratischen Prokuristen in der Firma Krzisowski in der Zimmerstraße, sich unrühmlich bei dessen Verhaftung 1933 als SA-Mann hervor getan haben.

Zum Gedenken an meinen so früh verstorbenen Onkel Albert Dennhardt (von seinen Geschwistern Alli genannt) habe ich die wenigen Dinge eingescannt die von ihm erhalten sind: ein Foto (von links nach rechts: mein Urgroßvater Max, Albert im Alter von ca. 10 Jahren, meine Großmutter Gertrud, meine Urgroßmutter Anna, geb. Dolge), sein Schulliederbuch und Zeichnungen die er für den Schulzeichenunterricht angefertigt hatte.

Keine Kommentare: