Mittwoch, 29. August 2018

Dr. Gunter Bleibohm und Harald Hoos: Antinatalismus und existenzielle Skepsis

Dr. Gunter Bleibohm und Harald Hoos:

Liebe Freunde der Tiere,

nahezu alle globalen Problemkreise für Natur, Tier- und Menschenwelt resultieren aus dem ungebremsten Wachstum der Spezies Mensch und sind die Wirkung eines anthropozentrischen Denkens und Verhaltens. Klimawandel mit allen Facetten, Vermüllung von Land und Meer, Wasserknappheit, Artensterben, Abholzung der Urwälder sowie Völkerwanderungen aus Armut, Wirtschaftskriege und lokale Verteilungskämpfe sind nur einige Beispiele, die in der Kausalkette auf Überbevölkerung als Ursache zurückzuführen sind.

Wir haben Ihnen zu diesem Themenkomplex einige exemplarische Sichtweisen zusammengestellt, um die Tragweite und Brisanz dieses Tabuthemas zu verdeutlichen. Auch unsere Lücken-Presse schweigt bisher staatskonform beharrlich.

Wer sich mit Antinatalismus bei Mensch und Tier näher befassen möchte, findet weitere Einführungsartikel hier: https://www.pro-iure-animalis.de/index.php/antinatalismus.html 

Weitere Literaturstellen und eine nahezu lückenlose Zusammenstellung aller Argumentationspunkte können in dem Standardwerk von Karim Akerma (www.akerma.de): Antinatalismus, Ein Handbuch, epubli 2017, 736 Seiten, nachgelesen werden.

Wir wünschen einen interessanten Gedankenstreifzug.

Ich meine ganz und gar nicht, dass die Fortpflanzung eine Pflicht ist oder dass die Welt ohne sie einen Verlust erleiden würde. Stell dir vor, jegliche Fortpflanzung würde eingestellt, diese würde nur bedeuten, dass es keinerlei Zerstörung mehr gibt.

(Mohandas Gandhi, The Collected Works of Mahatma Gandhi (Electronic Book), New Delhi, Publications Division Government of India, 1999, Bd. 26: 24 JANUARY, 1922–12 NOVEMBER, 1923, S. 369)

Es ist wirklich unglaublich, wie nichtssagend und bedeutungsleer, von außen gesehen, und wie dumpf und besinnungslos, von innen empfunden, das Leben der allermeisten Menschen dahinfließt. Es ist ein mattes Sehnen und Quälen, ein träumerisches Taumeln durch die vier Lebensalter hindurch zum Tode, unter Begleitung einer Reihe trivialer Gedanken. Sie gleichen Uhrwerken, welche aufgezogen werden und gehen, ohne zu wissen warum; und jedesmal, dass ein Mensch gezeugt und geboren worden, ist die Uhr des Menschenlebens aufs Neue aufgezogen, um jetzt ihr schon zahllose Male abgespieltes Leierstück abermals zu wiederholen, Satz vor Satz und Takt vor Takt, mit unbedeutenden Variationen.

(Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung)

F i n a l e . — Die Welt versinkt. Nicht nur unter den steigenden Meeren, mehr noch unter der steigenden Menschenflut. Das exponentielle Wachstum der menschlichen Spezies hat jegliche Beherrschbarkeit hinter sich gelassen; das Boot ist am Sinken, das Schöpfen ist eine Vergeblichkeit geworden, das Zweckloseste überhaupt.
Ein täglicher Zuwachs von netto ca. 200.000 Essern weltweit ist der Vernichtungswirkung einfallender Heuschreckenschwärme weit überlegen.
Sucht man eine, nein, d i e apokalyptische Zahl, dann ist es die neue Konstante des Untergangs – 200.000 menschliche Individuen zusätzlich, täglich, bis zum bitteren Ende, bis zum tödlichen Ende.

(Gunter Bleibohm, Widerrede I, S. 158)

An meiner eigenen persönlichen Position soll kein Zweifel bleiben. Ich halte die Bedingungen menschlichen Lebens für schlechthin unzumutbar.
Intelligente Lebewesen mit einem Todesurteil für eine befristete Zeit ins Leben zu rufen, sie schwersten Leiden auszusetzen, ihre Existenz vom Verzehr anderer Organismen abhängig zu machen, sie isoliert und ohne Perspektive als Entwicklungsform auszuprobieren und ins Leere laufen zu lassen, ihnen eine Moral zu geben ohne jede Chance, schuldlos zu bleiben, ihr Scheitern und ihren Untergang auch als Kollektiv fest zu programmieren – das sind Konditionen, die auch durch eine gehörige Zugabe spontaner Lebensfreude nicht annehmbar werden. Dies fordert ein Nein zum Leben geradezu heraus.

(Martin Neuffer, Nein zum Leben)


Wer aber vollends die Lehre meiner Philosophie in sich aufgenommen hat und daher weiß, dass unser ganzes Dasein etwas ist, das besser nicht wäre, und welches zu verneinen und abzuweisen die größte Weisheit ist, der wird auch von keinem Dinge, oder Zustand, große Erwartungen hegen, nach nichts auf der Welt mit Leidenschaft streben, noch große Klagen erheben über sein Verfehlen irgend einer Sache; sondern er wird von Plato‘s „Auch ist keine menschliche Angelegenheit es wert, dass man sich sehr darum bemüht“ durchdrungen sein.

(Arthur Schopenhauer, Aphorismen zur Lebensweisheit, S. 110)

D a n a e r g e s c h e n k . — Jeder von uns ist hinausgejagt worden in das Leben mit der stillen Maßgabe der Eltern: „Jetzt bist du da, du kannst nicht mehr zurück, sieh zu, wie du klar kommst, wie du die Aufgaben löst, die dich erwarten. Wir haben dich am Ufer des Lebens ausgesetzt, wie du zurückkommst aus diesem Leben, das alles geht uns nichts mehr an, das ist dein Problem.“
Das Ganze nennt man das Geschenk des Lebens, ein Danaergeschenk der bösartigsten Sorte, ein Geschenk, auf das so mancher hätte gut verzichten wollen.

(Gunter Bleibohm, Widerrede II, S. 56)

Wir schonen die Eltern, anstatt sie anzuklagen lebenslänglich des Verbrechens der Menschenzeugung, sagte er gestern. ... sie haben mich, ohne mich zu fragen, erzeugt und sie haben mich, wie sie mich erzeugt und in die Welt gestürzt hatten, unterdrückt, sie haben das Erzeugungsverbrechen an mir begangen und das Unterdrückungsverbrechen.

(Thomas Bernhard, Alte Meister)

Jesus aber wandte sich um zu ihnen und sprach: Ihr Töchter von Jerusalem, weinet nicht über mich, sondern weinet über euch selbst und über eure Kinder.
Denn siehe, es wird die Zeit kommen, in welcher man sagen wird: Selig sind die Unfruchtbaren und die Leiber, die nicht geboren haben, und die Brüste, die nicht gesäugt haben!

(Lk 23, 28-29)

W e l t . — Ich bin in eine andere Welt hineingeboren worden. Die Welt, die ich demnächst verlassen werde, ist verändert, ist nicht mehr meine Welt. Was einst groß war, ist klein geworden, was einst schön war, ist hässlich geworden, was einst Geist war, ist Stumpfsinn geworden, was einst Individualität war, ist Masse geworden, was einst Natur war, ist Müll geworden, was einst Freiheit war, ist demokratische Diktatur geworden. Was ich zurücklassen werde, ist ein stinkender, versinkender Planet, ist eine Erde, von der ich rechtzeitig fliehen konnte, bevor mir die Verzweiflung den Atem nimmt.

(Gunter Bleibohm, Widerrede I, S. 158)

Es ist wichtig, die Fortpflanzung zu entmutigen, denn die Furcht, dass die Menschheit erlösche, hat keine Grundlage: was auch geschieht, es wird immer genug Blöde geben, die nichts besseres wünschen, als sich fortzusetzen, und wenn selbst sie sich schließlich entziehen, so wird sich immer irgendein widerliches Paar finden, das sich dafür opfert. Es geht nicht so sehr darum, den Hunger aufs Leben zu bekämpfen, als die Lust auf „Nachkommenschaft“. Die Eltern, die Erzeuger, sind Provokateure oder Irre. Dass noch die letzte Missgeburt die Gabe besitzt, Leben zu geben, „auf die Welt zu bringen“ – gibt es Demoralisierenderes?
Die kriminelle Aufforderung der Genesis: „Wachset und mehret euch“, konnte nicht aus dem Munde des guten Gottes gekommen sein. Seid selten, hätte er vermutlich empfohlen, wenn er mitzureden gehabt hätte. Niemals hätte er ferner jene unheilvollen Worte hinzufügen können: „Und macht euch die Erde untertan“. Man sollte sie sogleich ausmerzen, um die Bibel von der Schmach zu reinigen, sie aufgenommen zu haben. Das Fleisch wuchert immer mehr wie ein Ganggrän auf der Erdkruste. Es vermag sich keine Grenzen zu setzen, es wütet trotz allen üblen Erfahrungen, es hält seine Niederlagen für Eroberungen, es hat niemals etwas gelernt.


(Emil Cioran, Die verfehlte Schöpfung)

Vor allem stellt die grandiose Lebensverschwendung der Natur das in unserer Sittlichkeit tief verankerte Prinzip der Ehrfurcht vor dem Leben oder gar der Heiligkeit des Lebens von Grund auf in Frage. Eine Schöpfung, die ihren „Betrieb“ und ihre evolutionäre Weiterentwicklung ausschließlich über den Weg einer permanenten Massenvernichtung aller ihrer lebenden Geschöpfe betreibt, lässt nicht gerade darauf schließen, dass sie dem einzelnen Lebewesen – und sei es vernunft – und empfindungsbegabt – irgendeinen Eigenwert zuerkennt.
Wenn Rückschlüsse vom Verhalten eines Systems auf die Intentionen seines Urhebers, in welchem Maße auch immer, überhaupt Aufschluss geben können, so lässt sich für unseren Kosmos daraus nur die Hypothese gewinnen, dass sein Schöpfer dem individuellen Leben keinen besonderen Rang, sondern im Gegenteil völlige Gleichgültigkeit hat zuteil werden lassen.

(Martin Neuffer, Nein zum Leben)

Herzliche Grüße

für pro iure animalis

Dr. Gunter Bleibohm und Harald Hoos

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