Mittwoch, 23. Juli 2014

...und alle Kreatur


Mich widern diese sogenannten „bibeltreuen“ Christen so was von an, das kann ich wegen der Netiquette nicht schreiben. Abstoßend, wenn auf Tierrechtebeiträge im Blog, Bibelsprüche per Email kommen, die beweisen sollen, das allein der Mensch etwas wert ist, daß Gott die Tiere nur geschaffen hat, damit sie dem Menschen dienen sollen. Und dann Bibelsprüche, die belegen sollen, daß es im Sinne von Gottes Gesetzen ist, wenn wir Tiere töten und sie essen.

Ja, ja diese „Bibeltreuen“, die jeden Satz und jedes Wort in der Bibel wortwörtlich nehmen, aber nur dann wenn es ihnen in den Kram paßt. Dieselben Typen, die in Bezug der Stellung der Tiere in der Schöpfung oder die in Sexualfragen sich streng nach der Bibel ausrichten, die winken ab, wenn sie andere Bibelsprüche wortwörtlich nehmen sollen, meinen dann auf einmal, dies wäre den damaligen gesellschaftlichen Umständen geschuldet und nicht mehr für unsere Zeit verbindlich, wie z.B. daß Frauen in der Gemeinde zu schweigen haben (NT, Paulus 1 Kor 14,33b-36: „Wie in allen Gemeinden der Heiligen sollen die Frauen in den Gemeindeversammlungen schweigen; denn es ist ihnen nicht gestattet zu reden, sondern sie sollen sich unterordnen, wie auch das Gesetz sagt.“), oder, daß man einen unbotmäßigen Sohn steinigen solle (5. Mose 21,18-21: „Wenn jemand einen widerspenstigen und ungehorsamen Sohn hat, der der Stimme seines Vaters und seiner Mutter nicht gehorcht und auch, wenn sie ihn züchtigen, ihnen nicht gehorchen will, so sollen ihn Vater und Mutter ergreifen und zu den Ältesten der Stadt führen und zu dem Tor des Ortes und zu den Ältesten der Stadt sagen: Dieser unser Sohn ist widerspenstig und ungehorsam und gehorcht unserer Stimme nicht und ist ein Prasser und Trunkenbold. So sollen ihn steinigen alle Leute seiner Stadt, dass er sterbe“) oder daß man Homosexuelle töten solle (3. Mose 20,13: "Wenn jemand bei einem Manne liegt wie bei einer Frau, so haben sie getan, was ein Gräuel ist, und sollen beide des Todes sterben") und dergleichen Scheußlichkeiten und Grausamkeiten mehr, was angeblich Gottes Wort ist, siehe dazu noch mehr: http://barrynoa.blogspot.de/2012/07/genitalverstummelung-in-deutschland.html.

Schon merkwürdig, die Doppelmoral dieser Typen. Daß aber auch sich fortschrittlich gebende Kirchen reaktionäre Theologie propagieren, zeigt sich z.B. an der evangelischen Kirche. Dort haben die Frauen in der Gemeinde eben nicht mehr zu schweigen, trotz Bibelspruch des sonst so hochgehaltenen Paulus - angeblich ja Gottes Wort - sondern Frauen können dort sogar das Bischofsamt ausüben. Was aber Tierrechte angeht, da verharrt die evangelische Kirche in alten archaischen Überzeugungen, wo dem Tier die Lebensrechte und die Seele abgesprochen werden. Widerlich z.B. die alljährlichen Hubertusmessen in evangelischen Kirchen, Gottesdienste für Jäger!!!

Noch abstoßender sind natürlich die christlichen Fundamentalisten, die sogenannten „Bibeltreuen“, wie Typen, die z.B. in der Onanie eine Sünde sehen, gar meinen, davon bekomme man Haarausfall. Nimmt man sich aber mal so einen derartigen Typen vor, dann erfährt man per Zufall, daß dieser etliche Jahre in „wilder“ Ehe gelebt hat. Nichts unchristliches in heutiger Zeit, aber für so einen sonst sich so reaktionär gebenden, schon mehr als doppelmoralig. Gerade dieser Mensch diskutierte oft mit mir, wollte mir sein fundamentalistisches unchristliches Weltbild als einzig richtig andrehen, aber allein die Einstellung von ihm, daß Tiere etwas vollkommen anderes wären als Menschen, denn Gott hätte ja den Menschen die Erde, um über die Tiere zu „herrschen“, übergeben, die störten mich, dazu natürlich auch praktische Sachen, wie sein fehlendes Mitgefühl für das vom Menschen verursachte Leiden der Tiere. Wo bleibt da die angebliche Barmherzigkeit des Christen? Wieso werden Tiere von der propagierten Barmherzigkeit ausgenommen?

Mir sind mitfühlende und gute Taten vollbringende Atheisten tausendmal lieber, die z.B. wie die Tierschützer der Soko Tierschutz die Grausamkeiten in Massentieranlagen aufdecken, als „Christen“ die emsig zur Kirche rennen, die aber solche Tierleiden akzeptieren, wenn nicht gar zu den Tätern gehören. Übrigens, dieser mein oben erwähnter Gegenpart in derartigen Diskussionen, die ich mit ihm nicht mehr führe, da sinnlos, da kein Sinneswandel bei ihm, hätte wohl für mein Einsetzen für unsere Ratten, siehe gestriger Blogbeitrag, kein Verständnis, denn wie er mir mal erzählte, hatte der Sohn der Frau, mit der er in „wilder“ Ehe lebte, auch Ratten. Dieser Junge nahm sich als Jugendlicher das Leben. Das erste was seine Mutter und mein Bibelfan nach dem Tod des Jungen taten, war, die Ratten an einen Tierpark zum Verfüttern an Schlangen zu geben. Unabhängig davon, ob man nun Ratten mag oder nicht, fand ich es mehr als pietätlos gegenüber dem Sohn der den Freitod gewählt hatte, dessen Tiere nicht zum Gedenken an diesen jungen Mann zu behalten und sie gut zu behandeln. Wer da nun meint, beide hätten wohl eine Antipathie gegenüber Ratten, hätten die nicht behalten können, wären aber sonst doch wohl nicht ganz so üble Menschen, der irrt meines Erachtens, denn dieser Bibeltreue fand nichts dabei, Katzenbabys seiner Mutter zu ertränken. Seine Mutter hatte über 20 Katzen in ihrer Wohnung, was nichts mehr mit Tierliebe zu tun hatte. Anstatt da für Sterilisierung zu sorgen, machte der bibeltreue Sohn nichts, außer die Katzenbabys zu ersäufen. Mein Entsetzen darüber tat er ab und meinte Sterilisierung wäre auch gegen Gottes Gesetze.

Daß es auch eine kleine Minderheit bei den Christen gibt, die ein anderes, ein barmherziges Verhältnis zu unseren Mitgeschöpfen, den Tieren, haben, dies zeigt der Theologe Eugen Drewermann oder die Christen die in den Tierrechte-Sendungen der Fernsehsender „Sophia TV“ und „Die Neue Zeit“ ihre Theologie verbreiten. Aber auch schon zu DDR-Zeiten gab es in der evangelischen Kirche wirklich christlich denkende und wirkende Menschen. Ein Buch ist mir dabei schon seit den 1970er Jahren eine Richtschnur gewesen und hat mich tief beeindruckt, „...und alle Kreatur“, herausgegeben von Siegfried Scharfe, Evangelische Verlagsanstalt Berlin, 1972, siehe obiger Scan. Die Autoren darin, aus mehreren Jahrhunderten, Christen und Nichtchristen, haben ein anderes Verhältnis zwischen Mensch und Tier als die Amtskirchen von früher und von heute oder gar die sogenannten bibeltreuen fundamentalistischen „Christen“. Bis heute sind solche wahren Christen leider eine verschwindende Minderheit geblieben, wie z.B. Christian Morgenstern, der auch mit einem Gedicht in diesem Buch vertreten ist:

 
Von einem zur Schlachtbank geführten Kalbe

 
Leben wird zu Tod geführt,

ohne daß das Herz sich rührt,

Mensch!

 
Freilich, schlachtest noch Dich selbst,

wie Du auch die Stirne wölbst,

Christ!

 
Bis die Kreatur Dir schreit,

o wie weit, o wie weit,

Gott!

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