Zum Gedenken an Udo Reiter empfehle ich unbedingt dieses sehenswerte Interview des BRAlpha-Fernsehens mit Udo Reiter: http://www.br.de/mediathek/video/sendungen/alpha-forum/zum-tod-von-udo-reiter-alpha-forum-100.html, daraus obiger Video-Snapshot
Udo Reiter ist tot!
Er nahm sich selbstbestimmt am vergangenen Freitag durch Erschiessen das Leben. Es war ihm aufgrund der reaktionären und unhumanen Gesetzeslage in Deutschland verwehrt eine sanfte eigenbestimmte Freitodlösung zu nehmen.
Udo Reiter verwirklichte seine Ansicht, daß ein jeder Mensch selbst bestimmen kann, wann er nicht mehr leben möchte. An die 45 Jahre im Rollstuhl sitzend, ein erfülltes Leben gehabt habend, entschied Reiter selbstbestimmend, ob er noch weiter leben wolle, ob er seinem Leben noch einen Sinn abgewinnen könne, oder nicht!
Als früherer Intendant des MDR (20 Jahre lang) bekam er mit, wie es Menschen in Krankheit und Alter in Deutschland ergeht und was ein späteres langes Siechtum an Leid für den einzelnen bedeutet. Er fand den Mut, seine seit langem geäußerte und publizierte Meinung bei sich selbst in die Tat umzusetzen. Ob das zu früh war, er noch viele Jahre hätte besser leben sollen, das zu beurteilen, dies steht uns nicht an - allein er muß darüber entscheiden können und es ist von Außenstehenden zu akzeptieren. Auch ich hätte gern gesehen, daß Reiter noch lebte, war er doch noch immer ein mehr als kluger Mann, dem man gern zuhörte, nicht nur in Fragen des Freitods, sondern auch als Denker, der die Lyrik eine Benn oder eines Trakl wie kein zweiter verstand und interpretierte. Auch Trakl wählte den Freitod. Siehe über Trakl auch meinen Blogbeitrag: http://barrynoa.blogspot.de/2014/07/georg-trakl-ich-wunsche-jedem-deutschen.html.
Warum eigentlich dieses über fremde Menschen bestimmen wollen? Warum jedem Menschen nicht selbst bestimmen lassen, wann und wie er sterben möchte? Ist es die Sorge um den Menschen, daß lebensüberdrüssige Mitmenschen sich voreilig das Leben nehmen? Absolut nicht, denn sonst kümmert sich die Gesellschaft ja auch nicht um das Wohl und Wehe des Einzelnen, ihm wird im Leben Eigeninitiative abverlangt und wirkliche Lebenshilfe findet nicht statt. Nein, es gibt einen anderen Grund, es geht um die Macht der Kirche über den Menschen. Auf allen möglichen Lebensfeldern verlor seit der Zeit der Aufklärung um 1750 herum die Kirche immer mehr Macht über die Menschen. Seit ein paar Jahrzehnten kehrt sich dieser Prozeß zwar wieder um, aber dennoch ist eine ganz feste Machtposition der Kirche das Bestimmenwollen wie der Tod des Menschen auszusehen hat, nach ihrer Ideologie, daß man sich nicht selbst töten darf, dies sei eine schwere Sünde.
An dieser Doktrin werden auch Massenmörder beurteilt, wie z.B. der frühere US-Präsident Bush, ein Mann, der unter der Lüge, daß ein Saddam Hussein Massenvernichtungsmittel hätte, den Irak mit Krieg überzog, wo 100.000 Menschen getötet wurden. Auch schon vorher, als ein jahrelanges Embargo gegenüber dem Irak ausgesprochen wurde, da starben zehntausende Menschen, in der Hauptsache Kinder, weil es im Irak keine Medikamente aufgrund des Embargos mehr gab. Dieserart Tode, waren und sind nach dem Selbstverständnis von „Christen“ keine Sünde für diejenigen die Krieg und Embargo zu verantworten hatten, da im Krieg ja das Töten angeblich „erlaubt“ sei, aber der selbstbestimmte Freitod eines normalen Menschen, den ächtet die Kirche! Was für ein heuchlerischer Standpunkt!
Gerade in diesem Punkt, den Menschen einen selbstbestimmten Freitod zu verweigern, ist die Kirche gesellschaftlich noch enorm stark. In vielen anderen Dingen mit ihrer Moral auf dem Rückmarsch, wie der Sexualität vor der Ehe, der Homosexualität, der Empfängnisverhütung und vielen anderen Dingen, da klammert sie sich mit allen Mitteln an das was sie noch voll unter ihrer weltanschaulichen Kontrolle hat, die Ablehnung des Freitods! Da die Kirche mit Worten allein einen Großteil der Bürger nicht überzeugen kann, so wird über den Gesetzgeber Einfluß genommen, und bekanntlich ist die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten direkt oder indirekt mit einer der beiden großen Kirchen in Deutschland verbunden und hat deren Ansichten zum Freitod verinnerlicht. Hinzu kommt noch, daß die Abgeordneten sich als Obrigkeit fühlen und es sowieso nicht gern sehen wenn Bürger freie Bürger sind, sondern die Obrigkeit will auch das privateste der Bürger bestimmen. Diese obrigkeitliche Tradition ist in Deutschland besonders stark, das zeigte die Geschichte. Es kommt nicht von ungefähr, daß ausgerechnet die zwei Länder, die am längsten in Europa die am wenigsten obrigkeitlichen Staaten waren, nämlich die Schweiz und die Niederlande, die beiden Staaten sind, die in Europa das freiheitlichste Recht bezüglich des selbstbestimmten Freitods haben.
Im Januar schrieb ich diesen Blogbeitrag über die passive Sterbehilfe mit Erwähnung von Udo Reiter, der sich so positiv gegenüber den Reaktionären aus Politik und Kirche (SPD-Mann und Lebemann Franz Müntefering und Oberkirchenrätin Petra Bahr) abhob:
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