Mittwoch, 10. November 2010

Der Literaturkalender des Aufbau-Verlages



„Eine Perle in der Kalenderflut“, so schrieb 2001 die „Thüringer Allgemeine“ über den „Literaturkalender“ des Aufbau-Verlages. Mittlerweile gibt es diesen Kalender schon das 43. Jahr (2010) und es ist zu hoffen, daß er auch noch seinen 50. Geburtstag feiern kann. Ich selbst kaufte diesen Kalender ab 1968, also ab dem zweiten Jahr des Erscheinens. Durch die Ringbindung, wo man die Blätter nur umlegen braucht, habe ich viele alte Jahrgänge dieses Kalenders noch komplett. Die Verbindung zwischen Literatur und Kunst (viele Blätter zeigten Kunstwerke) war der Kalender für mich zu DDR-Zeiten besonders reizvoll. Schriftsteller die ich sonst nie beachtet hätte, wurden mir durch den Literaturkalender nahegebracht. Ich habe mal ein paar Kalenderblätter von der 2. Ausgabe des Literaturkalenders von 1968 eingescannt, die diese Verbindung zwischen Literatur und bildender Kunst belegen: Januarblatt vom 21.1. - 27.1. mit einem Auszug aus dem Chorlied der Tragödie „Herakles“ von Euripides und Abbildung einer griechischen Amphora um 500 vor unserer Zeit, April-Blatt vom 14.4. - 20.4. mit einem Auszug aus einem Brief Erwin Strittmatters an den Aufbau-Verlag vom 3. Juli 1961 in Verbindung mit einem Foto von Edith Rimkus, welches Strittmatter mit seinen Ponys (Pony Pedro!) zeigt, Mai-Blatt vom 12.5. - 18.5. mit einem Auszug von Chestertons „Würdigung und Kritik der Werke Charles Dickens“ von 1906 in Verbindung mit dem bekannten farbigen Kupferstich von George Cruikshank „Oliver bittet um mehr“ aus dem Roman „Oliver Twist“ von Charles Dickens und das Novemberblatt vom 24.11. - 30.11. mit einer Anekdote um Voltaire bezüglich der bekannten Zeichnung des Barons Denon von 1775 („Das Frühstück von Ferney“), welches damals soviel Aufregung verursachte. Diese Zeichnung konnte man dann auf dem Kalenderblatt gleich anschauen und sich selbst ein Urteil bilden ob denn Voltaires Empörung berechtigt gewesen wäre oder nicht.

Daß ich ein paar Kalenderblätter ausgesucht habe, wo Schriftsteller gewürdigt werden, die ich besonders liebe, dies liegt in der Natur der Sache eines subjektiv schreibenden Bloggers. Euripides ist mir einer der liebsten griechischen Dichter und von Erwin Strittmatter habe ich viel für mein eigenes Schreiben gelernt. Besonders sein „Schulzenhofer Kramkalender“ war mir Vorbild und Lehrbuch zugleich. Charles Dickens schätze ich wegen seiner schonungslosen Anklage gegen die Unmenschlichkeit kleinbürgerlicher Denk-und Handlungsweise, so wie sie besonders in der Drangsalierung und Unterdrückung von Armen, sowohl früher wie auch noch heute, praktiziert wird. Gerade die widerliche Verbindung zwischen „Wohlfahrt“ und „Armenfürsorge“ mit dem Gerede von angeblicher Gnade wird bei „Oliver Twist“ deutlich. Noch heute spricht man z.B. bei Hartz-IV-Empfängern von Menschen die alimentiert werden, als wenn diese eigentlich keinen Anspruch am Volksvermögen hätten, man ihnen eigentlich dies nicht geben bräuchte, es ihnen die Steuerzahler mehr oder weniger aus Großmut geben würden. Daß aber nun z.B. Milliardäre ihre Milliarden schon gar nicht durch eigene Leistung erarbeiten, sondern durch Ausbeutung von Arbeitnehmern und nur durch ungerechte Gesetze des Staates, daß dieser Mehrwert nicht der Allgemeinheit zugute kommt, sondern in die Privatschatullen der vielen Milliardäre und Millionäre wandert, dies wird ausgeblendet. Auch von Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst spricht man nicht vom Steuerzahler alimentierten Personen, obwohl diese genauso aus dem Staatssäckel bezahlt werden wie die Hartz-IV-Bürger, nur mit dem Unterschied, daß erstere im Gegensatz zu Hartz-IV-Empfängern ein mehrfaches an Geld bekommen, dies obwohl z.B. ein 1-Euro-Jobber oft viel mehr und schwerer arbeiten muß wie ein Beamter, von der Drangsalierung, dem viel wenigeren Urlaub, den schlechten späteren Rentenbezügen mal ganz abgesehen.

Ja, und der große Voltaire ist der geistige Vorreiter der Aufklärung, der beginnenden Befreiung aus Unterdrückung und Dunkel, die auch im Jahre 2010 erst am Anfang ist. Betrachte ich mir das Blatt vom „Frühstück von Ferney“, dann muß ich sagen, daß der satirische Schuß des Barons Denon nach hinten losgegangen ist. Voltaire ist der einzig sympathische auf dieser Zeichnung, seine Besucher auf der linken Seite, der widerlich frömmelnde Pfaffe und der großkotzig breitbeinig dasitzende Adelige enttarnen sich selbst wes Geistes sie sind.

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