Montag, 8. November 2010

"Deutsche Kunst und Dekoration"


                                                                                   

Wesentlich teurer als die „Kunst für Alle“ war die „Deutsche Kunst und Dekoration“, nämlich 2,50 Mark, dies zu einer Zeit wo ein Hafenarbeiter in Hamburg 61 Mark im Monat verdiente (lt. Wikipedia). Die Kunstzeitschrift „Deutsche Kunst und Dekoration“ war ein typisches Journal für das kunstsinnige Großbürgertum. Neben Malerei und Plastik gab man viel Raum für Architektur, Gärten und Wohnungskunst, d.h. es wurde Wert darauf gelegt dem damaligen Großbürgertum Tipps für repräsentative Villen und deren hochwertige Ausgestaltung zu geben, dies im modernen Sinne der früheren Zeit. Jugendstil, Art Déco und Werkkunst (Vorläufer des Bauhausstiles) wurden einem zahlungskräftigen Publikum nahe gebracht. Die Scans aus Zeitschriften aus meinem Besitz zeigen wie damals Architektur und bildende Kunst zusammenwirkten. Die Tischdekoration auf dem dritten Scan wurde z.B. von einem Architekten entworfen, Kunst und Dekorationen sollten mit der Architektur eines Hause oder einer Wohnung eine künstlerische Einheit bilden. Deutlich wird dies beim 6. und 7. Scan bei einer Villa in Darmstadt. Professor Edmund Körner entwarf sowohl die Villa wie auch die Inneneinrichtung, siehe das Herrenzimmer. Apropos Herrenzimmer! Zu einem großbürgerlichen Haus oder einer Wohnung gehörten unbedingt neben Küche, Schlafzimmer, Kinderzimmer, Wohnzimmer, Diele, ein Eßzimmer und ein Herrenzimmer. Die breite Masse der ausgebeuteten Arbeiter und kleinen Angestellten dagegen wohnte in bescheidensten Verhältnissen. Egal ob man kinderlos oder kinderreich war – das letztere war oft der Fall – hatte man meistens nur eine Wohnküche und eine Schlafkammer zur Verfügung. Zilles bekannte Darstellungen waren für den Großteil der deutschen Bevölkerung traurige Realität. So wie in „Deutsche Kunst und Dekoration“ gezeigt, konnte nur die kleine Schicht der Ausbeuter leben, dies muß man ehrlicher Weise aufzeigen, wenn man sich an der Schönheit der damaligen Wohnungskunst erfreut, die eine sehr stimmige war. Eine Aufwertung erfuhren durch die Zeitschrift die sogenannten Frauenarbeiten, wie Weberei, Stickerei, Mode. Bekannte Künstlerinnen und Kunsthandwerkerinnen machten Entwürfe für Kissen, Wandteppiche und Kleider, dies mit hohem künstlerischen Anspruch und damit wurde, zumindestens im Großbürgertum, der bis dahin vorherrschende Kitsch aus den Wohnungen weitestgehend verbannt.

Die „Deutsche Kunst und Dekoration“ hatte einen großen Anzeigenteil. Blättert man in diesem Teil, dann sieht man dort Firmen mit Annoncen die noch heute einen klangvollen Namen haben, wie August Gerber (Bronzefiguren), Deutsche Werkstätten (Möbel) oder Käthe Kruse (Puppen), siehe 9. Scan. Auf dem letzten Scan ist eine Annonce platziert die für eine weitere um 1900 sehr populäre Zeitschrift wirbt: „Die Schönheit“, eine Zeitschrift die sich der menschlichen Schönheit, besonders der nackten Schönheit, widmete. Zu späterer Zeit folgt hier im Blog ein Beitrag über diese Zeitschrift.

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