Mittwoch, 18. Dezember 2013

Rainer Schlewitt: Email zum Schulsystem, zu Hans-Werner Richter und Hannes Hegen

Es erreichte mich eine Email des Bansiner Cartoonisten und Mosaikkenners (Digedags von Hannes Hegen) Rainer Schlewitt, welcher hier schon öfter mal einen Gastbeitrag geschrieben hat, die ich hier im Blog veröffentlichen möchte, da sie Mosaik-Fans und Hans-Werner-Richter-Fans gleichermaßen interessieren wird. Außerdem reißt die Email noch das Thema des Verhältnisses zwischen Lehrer und Schüler an, welches sowohl im bürgerlichen Schulwesen, wie auch im nationalsozialistischen, wie auch in der sozialfaschistischen (DDR), ein Oben-Unten-Verhältnis war, wo die schwarze Pädagogik den Schülern das Leben schwer machte und immer noch macht, denn leider sind die reformerischen Versuche der Nach-68er im Schulwesen durch das reaktionäre Rollback mittlerweile wieder aus dem Schulalltag verschwunden.

Lehrer verstehen sich wie eh und je wieder als Staatsdiener, wobei sie weniger Diener sein wollen, sondern Macht ausüben wollen. Da las ich dieser Tage in einem Forum wo über einen alten Blogbeitrag von mir diskutiert wurde. Es ging um die alte Geschichte von einem Bekannten von mir, der nach der Wende von einer Lehrerin eine 6 in Musik bekam, weil er sich weigerte das Deutschlandlied zu singen. Selbige Lehrerin war vor der Wende eine eifrige Verfechterin des DDR-"Sozialismus“, natürlich SED-Mitglied, und hatte sich schnell gewendet und dies besonders fanatisch, denn es wäre ihr ja durchaus möglich gewesen besagten Schüler ein anderes Lied singen zu lassen, denn in Musik sollte es ja eigentlich darum gehen die Gesangesstimme zu beurteilen und nicht die politische Einstellung. Statt nun Empörung über das Verhalten dieser Lehrerin in diesem Forum zu erzielen, kam nur eisige Ablehnung, die in diesen Sätzen eines Users (einem Lehrer!) gipfelte: „Da ist der Schüler kein Opfer der Lehrerin, sondern er hat einfach die geforderte Leistung nicht erbracht.
Und bei Leistungsverweigerung: Note 6. Völlig normal, hat nichts mit "Opferrolle" oder "Mobbing" oder dergleichen zu tun. Da gibt es ein altes deutsches Sprichwort, das da heißt: Wessen Brot ich fress, dessen Lied ich sing! Und danach wird als Staatsdiener gehandelt. Sollte sich aber mittlerweile schon mal rumgesprochen haben ...“

Diese Äußerung eines Lehrers ist entlarvend und zeigt die moralische Verkommenheit großer Teile der Lehrerschaft, die immer die Fahne nach dem Wind hängte. Käme mal wieder die Monarchie an die Macht, würden sie die Kinder zwingen die Kaiserhymne zu singen und übernähmen die Islamisten mal die Macht in Deutschland, würden sie ohne Skrupel die Kinder mit dem Auswendiglernen von Koranversen traktieren. Würde gar ein Mädchen dann mal das Kopftuch ablegen, dann bekäme es sofort selbstverständlich eine 6 in Betragen. Obiger Lehrer in diesem Forum sagt zwar die Wahrheit, daß er keine Moral hat - das ist ihm anzurechnen - trotzdem sind Leute seines Schlages Gesinnungslumpen, die nicht als Lehrer auf Schüler losgelassen gehören.

Ein Buch welches die „schwarze Pädagogik“, an vielen historischen Fallbeispielen entlarvt, ist dieses hier:




Es sollte unbedingt auf den Gabentisch eines jeden Schülers gehören, damit der Widerstand in der jungen Generation gegenüber einem überholten Erziehungssystem wächst. Wie ein freiheitliches Schulsystem aussehen müßte, dies ist übrigens wunderbar in den Thesen von Krätzä (http://kraetzae.de) und in diesem Blogbeitrag nachzulesen: http://barrynoa.blogspot.de/2011/04/freiheitliche-schule-kontra.html.



Rainer Schlewitt, Bansin:  


Werter Herr Nowack, zum Thema "Personen, die in der Schule keine Lieblinge der Lehrer waren". Ich möchte Ihnen von einem späteren Schriftsteller berichten, der hier in Bansin aufwuchs und als Kind und Jugendlicher wirklich wenig Erfolgserlebnisse vorzuweisen hatte. Aber er hat später diverse autobiographische Bücher geschrieben, die belegen, daß sich das alles noch wieder ändern kann. Und noch größere Berühmtheit als durch die eigenen Bücher hat er als Mentor und Leiter der "Gruppe 47" erlangt, einer Autorenvereinigung in der Nachkriegszeit, die sich zum Ziel gesetzt hatte, talentierte Leute der neuen Generation, welche sich zum Schreiben berufen fühlten, aufzuspüren und zu fördern. –

Seit Sommer 2007 arbeite ich in diesem Haus:




Neben der Bansiner Leihbücherei befindet sich hier ein Museum mit dem Nachlaß von Hans Werner Richter, jenem späteren Schriftsteller, der in Bansin aufwuchs: Bücher, Fotos, Kunstgegenstände, Möbel.


Bereits zur Kaiserzeit besuchte er in Bansin die Volksschule, war aber nicht gerade ein Musterschüler. Wohl schon als Kind ein Querdenker, den die Lehrer nicht sehr mochten. Und so wurden seine Lernergebnisse immer schlechter, je mehr man ihn zu formen versuchte. Nach acht Jahren hatte er es dann auch gründlich satt, sich noch länger dirigieren und drangsalieren zu lassen, sagte der Schule ade. Aber dann in der Lehrzeit beinahe das gleiche Lied, dreimal die Lehre vorzeitig geschmissen, da es am nötigen Untertanengeist mangelte. Erst als Buchhandelsgehilfe in Berlin-Tempelhof ging es aufwärts. Dort hatte er die nötigen Freiräume, was sich günstig auswirkte, der Druck von außen fiel weg. Da hat er sehr viel gelesen und autodidaktisch eine Menge bisher Versäumtes nachgeholt. Was bei ihm auch den Grundstein legte und Lust machte, selbst Schriftsteller zu werden sowie andere ans Schreiben heranzuführen. Gute Literatur und überhaupt Kunst sollte aus einer Art Muße, nicht unter Zwang entstehen, es bringt nichts, sich ehrgeizig vorwärts zu quälen, war seine spätere Lebensmaxime. Man nannte ihn darum auch den "Meister des kreativen Müßiggangs". Gut, sagte er, ich habe viel geschrieben, aber weil es mir Freude gemacht hat, nicht, weil ich mußte. Mehr noch zu seinem Werdegang auf dieser Seite:




Hier wurden – wie Sie es neulich auch schon an anderer Stelle bemängelten – wieder ein paar Angaben leicht fehlerhaft gemacht, wie das des öfteren in der Wikipedia mal vorkommt: In "Rose weiß, Rose rot" erzählt er nicht von Erfahrungen aus seiner Pariser Zeit, das kam erst später im Buch "Ein Julitag", sondern beschreibt die Zeit vor der Machtergreifung der Nazis in Deutschland, von 1930 – 1933. Und die Bücher "Geschichten aus Bansin" und "Deutschland deine Pommern" sind in den Erstauflagen bereits 1970 erschienen.


Ich könnte noch mehr über Richter und meinen Bezug zu ihm erzählen, vielleicht ein anderes Mal, jetzt wollen wir uns nicht allzu weit vom Thema entfernen.

Richter hat fast ausschließlich autobiographische Bücher geschrieben, aber einige davon bezeichnete er als Romane. Ein Roman ist nun keine Autobiographie und umgekehrt sicher auch nicht. - Er hat seine Schilderungen dort ein wenig verklausoliert und subjektiviert, den handelnden Personen manchmal andere Namen gegeben. Eingeweihte erkennen trotzdem recht klar, daß der Stoff auf eigenem Erleben fußt.

In manchen dieser "Romane" gibt er außerdem zu Beginn des jeweiligen Buches noch die Erklärung ab, daß die Handlung frei erfunden und Ähnlichkeiten mit lebenden oder schon verstorbenen Personen rein zufällig wären. Das ist natürlich glatt geschwindelt, aber wer will ihm das schon handfest beweisen? Ich bewunderte Hans-Werner Richter für diesen Kunstgriff, denn damit hat er bereits im Vorfeld abgebogen, daß es (auch ungerechtfertigte) Verleumdungsklagen oder Anzeigen wegen übler Nachrede gegen ihn hätte geben können. Da hab ich mir im ersten Moment gesagt: solltest du mal ein Buch oder auch nur eine Kurzgeschichte schreiben wollen, die für manchen etwas peinlich werden könnte, dann schreibst du das auch so versteckt und setzt diesen Vorsatz obendrein an den Anfang. Aber nein, sagte ich mir alsbald, ich mach es doch etwas anders, es muß dann wirklich eine frei erfundene Story sein! Ich will den Richter ja nicht vordergründig imitieren, so wie das mit meinen Freunden, den Digedags, mal gemacht wurde! Hab’s probiert, und in dieser Geschichte steht wirklich ein Meer von (gewolltem) Blödsinn. Wer aber tief genug gräbt, findet unter all dem Nonsens eventuell noch einen Schatz! (Kommt nicht jetzt und hier, der Brief wird sonst zu lang.) Wir Freunde des Digedags-Mosaiks bewundern ihren Schöpfer Hannes Hegen ja nicht nur wegen seines Strebens nach künstlerischer Perfektion rückhaltlos, sondern er war uns auch durch seine eisernen Lebensprinzipien, insbesondere seine Enthaltsamkeit ein leuchtendes Vorbild. So gründete sich einmal eine Art Bruderschaft, deren Mitglieder sich regelmäßig in bestimmten Lokalitäten trafen oder immer noch treffen, um in meditativen Sitzungen sein hehres Vorleben zu verinnerlichen. Die eine Lokalität hieß "Saloon der Abstinenzler" (oder so ähnlich). Denn dort herrschte absolutes Rauchverbot und es gab nie hochprozentige Sachen (sollte es zumindest nicht geben), wie will man dabei auch meditieren, wie es uns der Digedag-"Vater", auch durch seine "Kinder", einst vorlebte. Meine Geschichte schildert nun, wie dieses hehre Projekt durch die Halbherzigkeit und Scheinheiligkeit der meisten Vereinsmitglieder, welche die ursprünglichen Regeln systematisch umgingen, in große Gefahr geriet.

Ja, und damit haben wir wieder die Kurve gekriegt zum Ausgangspunkt: Hannes Hegen war tatsächlich gegen beides ("Hasch und Alk"), das geht auch aus mehreren Stellen im Digedag-Universum hervor. Im MOSAIK 126 bei der Siegesfeier auf der Insel Pordoselene trinken Dig und Dag als einzige Fruchtsaft mit klarem Quellwasser, während alle anderen Wein verkonsumieren. Ebenso lief es bei Hannes Hegen privat ab, wenn er seine engeren Mitarbeitern einlud, um mit ihnen den Inhalt der nächsten Abenteuer zu besprechen. Dann schenkte er den anderen auf Verlangen kräftig ein. Aber er selbst trank nie hochprozentige Sachen und hatte vielleicht sogar neckische Freude daran, am Ende als einziger die Übersicht zu behalten. Das geht aus manchen Schilderungen seiner ehemaligen Mitarbeiter hervor. Im Heft 159, als die Digedags in Billy‘s Saloon zu großen Whiskys eingeladen werden, lehnen sie dies ebenfalls dankend ab und verlangen statt dessen Fruchtsaft. Vielleicht wurde dadurch diese Kneipe später in "Saloon der Abstinenzler" umbenannt? In MOSAIK 97, kurz bevor sie Ritter Runkel kennenlernen, wollen sich Dig und Dag am mitgeführten wunderlieblichen Himbeersaft erlaben, wozu es dann allerdings leider nicht mehr kommt. Im Heft 34 bestellen sie nur zum Schein ein Bier, um mit dem vermeintlichen Spion ins Gespräch zu kommen. Und in MOSAIK 195 zeigt sich, daß sie wohl auch jeglichen Tabakkonsum und den Genuß anderer Rauschmittel ablehnen, als sie in der Opiumhölle von Chinatown in Ohnmacht fallen. Zum Schluß ein Bild zur Weihnachtszeit mit Dig und Dag, das jetzt genau elf Jahre alt ist. Es vermengt Impressionen aus dem Winterkurort von Heft 37 (Dezember 1959) und Geschehen aus Heft 40, als der Agent Mac Gips die Digedags mit Chloroform betäubte. Von der Polizei zur Rede gestellt, erfindet er dann eine Lügengeschichte, Dig und Dag wären seine Kinder, die aus Versehen statt Fruchtsaft eine Rotweinflasche ausgetrunken hätten. Nebenher, weil vor ein paar Tagen hier dieses zweideutige Motiv mit der Nuß zu sehen war, auf diesem Bild hier kann man mehrere ähnliche Zweideutigkeiten erkennen. Es ist von Hagen "Rookie" Flemming, dem Chefzeichner der BMC. Weil ich damals auch noch intensiv für die BMC tätig war, haben wir manches zusammengemacht, die Verse hier sind von mir, die Zeichnung von ihm.

Hier auch noch ein Link zu einer anderen Seite mit dem Motiv:


Viele Grüße und bis demnächst

Ihr Rainer Schlewitt

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