Dienstag, 27. Dezember 2016

Erinnerung an die "Große proletarische Kulturrevolution" in China, 1966 - 1968



China heute ist ein durch und durch kapitalistischer Staat! Der obszön anmutende Reichtum hochrangiger Parteikader und ihrer Familien, der primär auf der Verfügungsmacht über staatliche Ressourcen basiert, schafft immer größer wachsende soziale Unterschiede in China! Wie konnte es dazu kommen, ausgerechnet nach Mao? Mao Tse-Tungs eigene düstere Prognosen hinsichtlich einer Wiederkehr des Kapitalismus in China nach seinem Tod bestätigten sich.

Schuld war Mao selbst, indem er nicht konsequent gegen Revisionisten und Reaktionäre in der eigenen Partei vorging. Aus Gefühlsduselei machte er dem größten Erzreaktionär Deng Xiaoping nicht den Prozess und eliminierte ihn nicht, sondern verbannte ihn bloß, ließ ihn bloß einige Zeit als einfachen Arbeiter in einer Fabrik arbeiten. Wie viele andere Reaktionäre kam Deng nach dem Tode Maos wieder in die Politik und bestimmte kurze Zeit später die gesamte Politik der Kommunistischen Partei Chinas und machte aus ihr eine kapitalistische Kaderpartei.

Anfang der 60er Jahre hatten schon einmal die Mao-Gegner die Macht fast an sich gerissen, im Zentralkomitee saßen inzwischen mehr Mao-Gegner als Befürworter. Mao mußte sich zwangsweise zurück ziehen. Aber es gelang ihm mit der von ihm entfachten „Großen proletarischen Kulturrevolution“ ein genialer Schachzug, der zur Entmachtung der Cliquen an der Macht der Kommunistischen Partei Chinas führte.

1965 fing alles an, als Mao die chinesische Kultur als "bourgeois und reaktionär" brandmarkte. Doch aus der anfänglichen Kulturkritik entwickelte Mao die permanente Revolution gegen die konservativen, reaktionären und konterrevolutionären Elemente in Staat, Gesellschaft - und vor allem im Parteiapparat. "Bombardiert das Hauptquartier" rief er den jungen Chinesen zu.

Die revolutionäre Jugend folgte ihm. Universitäten und Schulen schlossen und es war Revolution im Land! Vorbei die Zeit als die Jugend den strengen Lehrern und Eltern, den alles und jeden überwachenden Parteikadern länger Folge leisten mußten. Die Machtverhältnisse kehrten sich um und manch Akademiker und Schulleiter wurde aufs Land oder in die Produktion geschickt, herunter vom bourgeoisen hohen Roß und als Reinemachekraft oder als Schweinehirt gearbeitet. Manch einem Parteifunktionär und manch einem Akademiker wurde erst jetzt bewußt, wie das einfache Volk lebte und wie es von den Cliquen an der Macht schikaniert worden war. Statt der Schüler, wie bisher, wurden den Lehrern Noten erteilt und so manch schikanöser Lehrer mußte vor seinen Schülern Selbstkritik üben oder wurde sogar verprügelt.


Mao setzte den ökonomischen Erfolg einer sozialistischen Staatsgründung scheinbar aufs Spiel, indem er die Volksmassen zum Widerstand gegen revisionistische Tendenzen innerhalb der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) selbst aufrief, gegen die eigene Partei mobil machte.

Die Entwicklungen in der Sowjetunion waren für Mao das alarmierende Beispiel, dass der Erfolg der sozialistischen Revolution mit der Staatsgründung 1949 keineswegs gesichert ist. Ein Rückfall in kapitalistische Denk- und Wirtschaftsweisen, zeitgenössisch als Revisionismus bezeichnet, erschien somit auch in der Volksrepublik China als potentielle Gefahr.
Schon ab 1962 betonte Mao öffentlich die fortdauernde Bedeutung des Klassenkampfes und sprach vage von "neuen bourgeoisen Elementen", die auch nach der sozialistischen Revolution bekämpft werden müssten. Er ließ allerdings offen, inwiefern es sich hierbei nur um Vertreter alter Eliten handelte, die bei bisherigen Säuberungen nicht entdeckt worden seien. 1965 stieß er erstmals eine ungleich radikalere Deutung an, als er feststellte, daß in einigen Regionen Chinas eine Bürokratenklasse dem Volk feindselig gegenüberstehe. Dieses Postulat der Parteibürokratie als Nährboden einer neuen, funktionalen Bourgeoisie, die ihre Privilegien nicht länger aus Grundbesitz, sondern mittels der Verfügung über staatliche Ressourcen sicherte, wies eine gänzlich andere Stoßrichtung auf. Gegenüber Kadern aus ländlichen Regionen betonte Mao gar die Notwendigkeit der Rebellion gegen die Parteizentrale, wenn dort Revisionismus aufkommen sollte.

Anders als in der oft nostalgischen Rückschau wahrgenommen, war die frühe Volksrepublik China ein Staat mit ausgeprägten Sozialhierarchien. Bei Nachkommen vormaliger Feindesklassen führte diese Stigmatisierung zu erheblichem Rebellionspotential. Auch in den Fabriken hatte sich Unmut über die zunehmenden Differenzierungen zwischen festbeschäftigten Facharbeitern mit sozialer Absicherung und temporär Beschäftigten in prekären Arbeitsverhältnissen aufgestaut, vom großen Stadt-Land-Gefälle nicht zu sprechen. Soziale Konflikte bestanden somit in unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft fort und traten nach Schwächung der Parteidiktatur zu Beginn der Kulturrevolution offen zutage.

Von 1966 bis 1968 mobilisierte Mao die revolutionäre Jugend gegen reaktionäre akademische Autoritäten, indem er in Zeitungsartikeln zur Kritik an altem Denken, alten Sitten und Gebräuchen und alter Kultur aufrufen ließ. In einem berühmten Brief an seine Frau Jiang Qing beschrieb Mao sehr richtig die Gefahr, dass nach seinem Tod in China die Wiedereinführung des Kapitalismus drohe und die Kulturrevolution daher als "Übungsmanöver" gegen den drohenden Umsturz dienen und alle sieben bis acht Jahre wiederholt werden solle. Er sollte recht behalten! Die Kulturrevolution wurde nicht wiederholt und damit wurden die reaktionären Kräfte in der Partei wieder stark und konnten nach seinem Tod die Macht an sich reißen und ungehindert den kapitalistischen Weg beschreiten.

 
Holzschnitt: "Die revolutionäre Generation gleicht einer anhaltenden Flut"



 

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