Mittwoch, 4. Januar 2017

Kleine Vorlesung über Grundbegriffe der Ethik von Animal-Peace-Aktivistin Silke Ruthenberg

Ergänzend zu diesem Blogbeitrag:
 
Kleine Vorlesung über Grundbegriffe der Ethik
von Animal-Peace-Aktivistin
Silke Ruthenberg
 
 
Was ist eigentlich geschehen? Da fährt am 20.12. ein Mann mit einem LKW mit terroristischen Absichten in einen Berliner Weihnachtsmarkt und zermalmt ein Dutzend tödlich, verletzt mehrere Dutzend weitere. Da postet ANIMAL PEACE die Pressemeldung mit einem kleinen Text: „Gänse? Sechs Millionen Terroropfer jährlich in Deutschland. Für Gänse ist jeden Tag Weihnachtsmarkt. Vergesst das nie!“ Ein Shitstorm bricht los. „Geschmacklos“, ist noch eine der höflichsten Wertungen. Doch geht es hier wirklich nur um Geschmacksfragen? Oder doch um viel mehr?
 
ANIMAL PEACE hat in seinem Post den Terroranschlag von Berlin mit der Sache der Gänse verknüpft und benutzte das Schicksal der über 12 toten und 49 verletzten Gewaltopfer vom Berliner Weihnachtsmarkt als Vehikel, um auf andere Gewaltopfer hinzuweisen: sechs Millionen Gänse als Gewaltopfer derer, die jetzt vor allem nur Selbstmitleid und Schwarmsolidarität kennen. Die herrschende Moral nennt dieses Vorgehen nun unanständig und pietätlos. Es ist genau dieselbe herrschende Moral, die die anderen Tiere und deren Leben bürgerlichen Anstandsnormen unterordnet.
 
Die Begriffe „Maximalmoral“ und „Minimalmoral“ gehören zu den Grundbegriffen der Ethik. Die Minimalmoral bezeichnet dabei ethische Basispositionen wie das Tötungsverbot und das Diskriminierungsverbot. Es ist eine Art Urmoral, die über allem anderen steht und ohne die alles andere nichts ist.
 
Die Maximalmoral hingegen beschreibt Gebote, die zum einen nicht verpflichtend sind und die vor allem lediglich das soziale Miteinander angenehm gestalten sollen. Es sind Anstandsregeln, das Gebot zur Freundlichkeit, zur Höflichkeit, das Gebot, den Nachbarn zu grüßen und bei Tisch nicht zu furzen. Es geht allein um tugendhaftes Verhalten. Wenn die Minimalmoral eingehalten wird, darf dann auch die Maximalmoral Platz nehmen.
 
Wo aber die Minimalmoral nicht gilt, wird alles andere zur Farce. Oder anders gesagt: wer würde sich nach dem Terroranschlag auf dem Weihnachtsmarkt darüber empören, dass der LKW-Fahrer das Warnblinklicht nicht angeschaltet hatte? Wer würde sich beschweren, dass der Mörder nicht grüßte, bevor er die Leute abschlachtete? Es wäre ja auch zu grotesk. Im Angesicht von Mord und Totschlag wird jeder Anstand zum Zynismus.
 
Überhaupt ist alles, was man Wohlanständigkeit nennt […] nichts als schöner Schein, schreibt Immanuel Kant in seiner Anthropologischen Didaktik. Minimalmoral muss, Maximalmoral darf man einhalten. Maximalmoral kann ihren Wert erst entfalten, wenn die Minimalmoral eingehalten wird. Man darf sich aber über eines nicht täuschen: Da, wo Maximalmoral sich laut gebärdet, muss nicht unbedingt Minimalmoral dahinterstecken. Die schlimmsten Serienmörder und Soziopathen sind seit eh und je immer durch besondere Wohlanständigkeit gesellschaftlich aufgefallen.
 
Zurück zu den Gänsen: Wird aber nun die Minimalmoral eingehalten, wenn jährlich sechs Millionen fühlende und denkende Gänse ums Leben gebracht werden, um die robusten Mägen der humanoiden Kannibalen zu stopfen? „Nein“, sagen die sechs Millionen Gänse und „Nein“ sagt auch jeder, der das Tierrecht verstanden hat, der das Tötungs- und Diskriminierungsverbot wirklich verinnerlicht hat.
 
Die herrschenden Verhältnisse blenden es aus, dass aus der Basismoral Milliarden fühlende und denkende Personen willkürlich ausgeschlossen werden. Weil sie der falschen Art angehören. Wer die anderen Tiere als bedeutungslose Sache und Ware betrachtet, für den muss der Post von ANIMAL PEACE zwingend als ein geschmackloser Angriff auf die Pietät und die Anstandsregeln der Gesellschaft wahrgenommen werden.
 
Was aber ist mit den vielen, die die anderen Tiere eben nicht als Ware und Sache betrachten, sondern ihre Persönlichkeit, ihre Würde und Schönheit, ihre Klugheit und Sensibilität erkennen können?
Was ist mit denen, die verstanden haben, was längst wissenschaftlich erwiesen ist: dass uns Gänse in ihrer sozialen Intelligenz überragen? Die von den tiefen Gefühlen der Gänse wissen, von ihrer Liebe und Treue und von ihrer Trauer, wenn der Partner stirbt?
 
Die von der Gewalt wissen, die ihnen angetan wird, millionenfach. Diese furchtbare Gewalt, diese sadistischen Angriffe, wenn sie mehrfach in ihrem kurzen Leben lebendigen Leibes skalpiert werden, die Federn aus dem zuckenden, schmerzwindenden Leib gerissen, und das gefolterte, traumatisierte Opfer nackt sich selbst überlassen, bis der Zeitpunkt gekommen ist, ihm neben den Federn auch noch das Leben zu nehmen?
 
Dass dies geschehen kann, ist ein fundamentaler Bruch der Minimalmoral: des Tötungsverbotes und des Diskriminierungsverbotes gleichermaßen. Sie werden gemordet, weil sie der falschen Art angehören. Dafür können sie nichts. Und es tröstet sie nicht. Sie sind Opfer der Tyrannis der herrschenden Art.
Wir von ANIMAL PEACE sagen deshalb folgerichtig:
Anstandsregeln werden zur Farce, wenn die Minimalmoral nicht gilt. Und andererseits: wenn wir uns devot an Anstandsregeln halten, ordnen wir das Recht der Tiere auf ihr Leben der Pietätsvorstellung dieser Gesellschaft unter. Also werden wir uns nicht an Pietät und Anstand halten, solange diese Gesellschaft die Minimalmoral nicht einhält sondern foltert und mordet. Eben alles zu seiner Zeit.
 
Doch genau dazu sollte uns der Shitstorm der Überzeugungstierfresser und TÄTER treiben: dass wir das Tierrecht den Anstandsregeln unterordnen. Und viele Verräter aus den sogenannten eigenen Reihen sind gefolgt, sind allzubereitwillig eingeknickt. Habt Ihr nun verstanden, was ihr da eigentlich gemacht habt? Wen Ihr hier eigentlich verraten habt? Aus Feigheit und Unterwürfigkeit? Aus piefiger, eitler Sorge um den eigenen guten Ruf? Aus Gier, weil echte Moral und Geschäftsinteressen nicht gut zusammengehen?
 
Diese Frage kann jeder Gänseverräter nur für sich selbst beantworten. Aber erwartet niemals, dass ANIMAL PEACE den Weg der Verräter mitgeht. Weder aus Feigheit und Unterwürfigkeit, weder aus der Sorge um den Ruf und schon gar nicht wegen irgendwelcher Geschäftsinteressen. Das ist eine Frage der Selbstachtung. Vor allem aber sind wir das den Gänsen schuldig. Denn sie haben nur uns.
 
Silke Ruthenberg

http://www.animal-peace.org

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