Dienstag, 6. Juli 2010

Schöne neue Brief und Zustelldienste-Welt


„Das Postmonopol ist abgeschafft! Hurra!“ – so tönte es vor Jahren und neue Postdienste schossen wie Pilze aus dem Boden. Die Arbeitnehmer wurden und werden oft mit Hungerlöhnen abgespeist und man machte Lobbyarbeit, machte gar den schon als Vorsitzenden des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit unsozial agierenden Florian Gerster (siehe Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Florian_Gerster ) zum Präsidenten des neu gegründeten Arbeitgeberverbandes Neue- Brief und Zustelldienste (AGV NBZ).


Wo liegen nun die Vorteile dieser Privatisierung für den Kunden? Ja, in Ballungszentren können Betriebe und Institutionen meistens billiger ihre Post befördern, aber zu welchem Preis an Datenschutz und Zuverlässigkeit geschieht das? Der Preis ist hoch, denn was sich bei vielen der neuen Postdienste so abspielt ist sagenhaft. Wurden früher Postzusteller vereidigt, wurden intensiv geschult, waren mit hoheitlichen Aufgaben, wie der Zustellung von Einschreibbriefen beauftragt, hatten niemals Post bei sich zuhause liegen zu haben, so trifft dies für die neuen Postdienste nicht mehr zu, es ist reine Glückssache ob man an seriöse Unternehmen und geschulte Zusteller kommt oder an dubiose Unternehmen und unseriöse Zusteller.


Vorigen Samstag fand ich oben abgebildeten Schein in meinem Postkasten vor. Hm, ein Einschreiben, also eine wichtige Sache! Zustellversuch am 2.7. erfolglos? Möglich, da waren ich und mein im Hause wohnender Hausmeister mal eine Stunde lang einkaufen, also möglich, daß da der Postbote gerade geklingelt hatte, aber am 3.7. als der gute Mann den Zettel in meinen Briefkasten warf, da waren sowohl mein Hausmeister sowohl auch ich im Hause, wir hätten die Klingel auf jeden Fall gehört, denn kaputt war diese nicht, wie wir mehrmals ausprobierten. Na ja, also bei diesem privaten Postdienst anrufen, denn ich wurde ja aufgefordert, einen neuen Postzustelltermin zu vereinbaren. Also im Internet gegoogelt, was das für eine Postfirma ist die sich „-------“ nennt und ihren Firmensitz in einer Stadt in der Nachbarschaft Dessaus hat. Hm, noch nicht mal eine Homepage wo ein potentieller Kunde mal die Konditionen dieser Firma einsehen kann und nur in zwei Branchenseiten (den einzigen die es zu dieser Firma gab) waren Festnetznummern angegeben. Also habe ich die angerufen! Bei beiden Telefonnummern: „Kein Anschluß unter dieser Nummer!“ Hm, also dann doch zwangsweise die 0800-Nummer gewählt die auf dem Schreiben stand. Da war man so clever, oder besser so unverschämt, einen Satz zu drucken der da lautete:

„Die Sendung gilt mit Einwurf dieser Benachrichtigung als rechtsgültig zugestellt, egal wann und ob Sie von Ihrem Inhalt Kenntnis nehmen.“

Na prima! Alles sehr logisch und kundenfreundlich!

Also, ich rief an! Da meldete sich nun nicht etwa ein Büro oder Call-Center, sondern ein Herr der mir mitteilte, daß er mich schlecht verstehen könne, denn er sei gerade in einem Supermarkt wo er seine Wochenendeinkäufe tätigen würde und das Einschreiben würde mir am Montag erneut wieder zugestellt werden. Daß wir zuhause waren, als der Zusteller die Benachrichtigung in den Briefkasten warf, dies wischte er vom Tisch, seine Zusteller seien zuverlässig, basta! Ja und auf meine Frage, wo der Einschreibbrief denn jetzt sei, kam zur Antwort: „Na beim Zusteller, bei ihm zuhause!“. Meine Bitte, mir doch dessen Telefonnummer oder Anschrift zu geben, damit ich dort den Brief abholen könne, dies lehnte er ab. „Montag wird zugestellt“!

Ja, nun hatte ich aber am Montag Wege zu erledigen und ich befürchtete, daß der Brief wieder nicht in meine Hände kommen würde, also rief ich Montag früh wieder bei dieser Firma an. 7.00 Uhr, 7.30 Uhr, 8.30 Uhr – immer nichts, nur die Mailbox die nun nicht etwa ansagte: Hier ist die Mailbox der Firma ---, sondern: „Hier ist die Mailbox von (Vorname) – (Nachname)“, also einer privaten Person. Endlich um 9.00 Uhr ein Lebenszeichen dort, der Herr, den ich schon am Samstag an der Strippe hatte, – Sie wissen schon, der da am Samstag im Supermarkt seine Wochenendeinkäufe während des Gespräches erledigte – der war dran. Ich fragte wann denn der Zusteller in etwa kommen würde, heute! „Heute gar nicht, der hat heute seinen freien Tag, meine Zusteller arbeiten von Dienstag bis Freitag! Also dann erst wieder am Dienstag ab ca. 9.30 Uhr!“ Hm! „Und der Brief, der wichtig sein könnte“ - fragte ich! „Ach der, da machen Sie sich mal nicht heiß, solche Einschreiben sind meistens nicht so wichtig“ - lautete die Antwort. Ich: „Ja und wo ist der Brief jetzt?“! Er: „Na beim Zusteller zuhause, was sonst!“ Hm! Ich: "Aber Sie hatten doch am Samstag gesagt, der Brief wird am Montag zugestellt?" Er:"---- (Schweigen)."

Also warten auf Dienstag! Ich konnte also am Montag in Ruhe meine Wege machen, holte das Auto aus der Garage und fuhr los. Und, oh Wunder, in meinem Wohngebiet fuhr vor mir ein Auto mit der Aufschrift dieser privaten Post  und hielt an einer Kreuzung auch noch an. Ich raus aus dem Auto und den Fahrer gefragt. „Haben Sie zufällig mein Einschreiben, Adresse so und so…?“ „Ja, habe ich, das wollte ich heute wieder nach xxx (andere Stadt) fahren! Hier haben Sie es!“ Ich: „Ich denke Sie haben frei heute, dies hat doch ihr Chef gesagt?“ Der Zusteller.„Ich frei? Davon weiß ich nichts!“ Ich: „Ja und haben Sie heute wieder versucht zuzustellen, ich war doch bis jetzt zuhause! Und wären Sie nachher noch mal gekommen?“ Der Zusteller: „Nö, zugestellt hätte ich heute das Schreiben nicht, heute bin ich hier fertig, muß jetzt woanders hin!“


Häh! Also konfuser geht’s nimmer und solch einer Firma wird Einschreibpost anvertraut? Der Einschreibbrief war von der Evangelischen Landeskirche Anhalts. Also, liebe anhaltischen Evangelen! Überlegt Euch mal, wem Ihr da Post anvertraut. Ein bischen seriöser könnte es wohl sein, oder? Oder ist Seriosität seit der Wende auch bei Kirchens ein Fremdwort geworden und man macht kräftig mit bei all den Verwerfungen des Kapitalismus, ist selber Teil eines unmoralischen und unchristlichen Systems geworden?

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