Ganz klar war „Atze“ ein Berliner Heft, der blonde Knabe Atze ein typischer Ostberliner Junge der Nachkriegszeit und in seinen Comicgeschichten noch sehr dem zwar geteilten Berlin, aber eben noch grenzoffenen Berlin verhaftet. Das Heft „Atze“ sollte wahrscheinlich einen Gegenpol zu diversen westlichen Comic-Kinderzeitschriften darstellen und paßte sich auch in der ersten Zeit in vielen Comicgeschichten ganz stark westlichen Produkten dieser Zeit an. Viele der damaligen Comicfiguren erinnern sehr an amerikanische Disney-Figuren oder an die der französischen Pif-Figuren, z.B. der Mausefips. die Hasen Nuck und Nick, der Affe Bimbo, Füchslein Gernegroß oder das Nilpferd Quambo. Diese Comicgeschichten waren meist unpolitisch und wurden leider später ganz eingestellt, nur die beiden Mäuse Fix und Fax, die überlebten und hielten „Atze“ am Leben, denn nur wegen dieser Bildgeschichten von Jürgen Kieser kaufte die überwiegende Mehrheit der Leser damals das Heft, so wie ich auch.
Die Comics um den Jungen Atze, die waren allerdings zu einem großen Teil politisch ausgerichtet und da spielte das geteilte Berlin eine große Rolle. Daß ein Berliner Junge aus dem Osten, wie eben Atze, einfach öfter vom Osten Berlins nach Westberlin fuhr, dort Abenteuer erlebte, das war damals noch Gang und Gäbe, schon Ende der 50er Jahre unmöglich!
Der Knabe Atze wurde in diversen Comicgeschichten auch dazu eingespannt gegen westlichen „Schund-und Schmutz“ zu kämpfen, siehe dazu das Titelbild der „Atze“ Nummer 4 von 1955, wo Atze in den Straßen von Westberlin reißerische Plakate des „Großen Schun“ mit einem Zusatz versieht: „Der große Schund“ und so wurde aus „Ganz Westberlin hält den Atem an: Der große Schun“, „Ganz Westberlin hält den Atem an: Der große Schund“!
In dieser Zeit waren derartige politischen Aktionen aus dem Osten sowieso an der Tagesordnung, also in den Atze-Geschichten wurde die Realität nur kindgerecht und humorvoll verpackt. Diese politische Ausrichtung von Bildgeschichten war wahrscheinlich erforderlich um überhaupt im Osten erscheinen zu dürfen, denn Comics zählten ja eigentlich nach Überzeugung des Ostens zu den „Schund-und Schmutz"-Produkten, die es zu bekämpfen galt, was auch in der Praxis passierte, das können Schüler die in den 50er und 60er Jahren zur Schule gingen leidvoll bestätigen, als Comics und sogenannte „Schmöker“ aus dem Westen beschlagnahmt wurden, wenn man sie in die Schule mitnahm. Das betraf kurioserweise auch mitunter Comic-Hefte aus der DDR, wie „Atze“ oder das „Mosaik“, welche von Hardlinern unter den SED-Sozialfaschisten als „Schund-und Schmutzliteratur" eingestuft wurden.
Eine recht drastische Geschichte des Kampfes von Atze gegen Schund-und Schmutz-Schmöker gibt es in Heft 10 von 1955, siehe Scans. Atze entdeckt bei seinen Kumpels „Schmöker“ eines Westberliner Autors, dieser biedere Mann entpuppt sich nicht als der wie er sich in seinen Groschenheften darstellt und Atze „entlarvt“ diesen „Aufschneider“. Krass, aber typisch für damalige tatsächliche „schlagkräftige“ rote erwachsene Agitatoren aus Ostberlin, lassen Atze und seine Freunde diesem Westberliner Autoren nach einem Überfall folgenden Brief da:
Bill the Killer, du Schwächling!
Wir pfeifen auf dein Geld und deine Schmöker.
Wir behalten unsere Pfennige und kaufen was vernünftiges davon.
Wenn du weiter Schmöker schreibst, rücken wir dir mit Verstärkung auf die Bude.
Anbei ein Schlüssel, den du mit ner Pistole verwechselt hast.
Atze, Rolli, Manne
Die schon ab der Nummer 1 von 1955 erschienene Comicserie mit „Mausefips“ einer Maus, die stark an Micky Maus erinnert, gehörte zu den Serien, die nicht lange in der „Atze“ erschienen, sehr zum Leidwesen der damaligen kindlichen Leser, wie auch mir.
Die Mausefips-Geschichte aus dem „Atze“-Heft Nr. 6 von 1955 „Wie der Maulwurf durch Schaden klug wurde“, die habe ich mal eingescannt, weil ich sie heute noch gut finde, trommelt doch der Mausefips die Tiere zusammen um gegen den räuberischen Kater Rikus etwas zu unternehmen. Schon damals wurde den Kindern beigebracht, daß freilaufende Katzen eine große Gefahr für alle anderen Tiere darstellen. Besonders am Beispiel der Meise, die gerade brütet und nun berechtigte Angst um ihre Jungen haben muß, wird den Lesern dies vor Augen geführt - eine Comicgeschichte, die auch heutigen Kindern noch viel beibringen könnte, besonders wenn diese Kinder sich eine Katze als Haustier wünschen.
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