Vor allem die dem Neokonservatismus zugewandten Teile der Pseudo-Linken würden am liebsten die antispeziesistische Strömung mitsamt der ganzen Tierbefreiungsbewegung in die tendenziell rechte Ecke stellen. Offensichtlich ist jedoch, dass die Tierbefreiungsbewegung, die eigentlichen linken Ideale vertritt, welche die Pseudolinken verraten haben.
„Die Bewegung zur Befreiung der Tiere sieht ihre Forderungen traditionell als logische Fortsetzung und Konsequenz der großen emanzipatorischen Imperative, und die Geschichte zeigt, dass diejenigen Menschen, die sich organisierten, um eine Verbesserung der elenden Situation der Tiere in der menschlichen Gesellschaft zu bewirken, durchweg auch Teil anderer Befreiungskämpfe waren – sie stritten etwa gegen monarchistische Willkürherrschaft, für Menschenrechte, gegen die Sklaverei, für die Emanzipation der Frauen, für die Belange der lohnabhängigen Massen oder waren im antifaschistischen Widerstand aktiv. Aber sie gingen weiter, für sie war klar: Befreiung hört nicht beim Menschen auf.“
aus „Antispeziesismus, Eine Einführung"
Die moderne antispeziesistische Strömung nimmt durchweg linksradikale, anarchistische und kommunistische Positionen ein. Es ist kein Geheimnis: Besonders die bourgeosien Salonlinken, wie auch die Pseudolinken die nicht links sondern „link“ sind, wie die Partei „Die Linke“ und sich links gebende Grünen oder verschiedene Antifagruppen, tun sich schwer mit den Anliegen der Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung. Wieso?
Klaus Petrus von www.tier-im-fokus.ch im Gespräch mit dem Publizisten und Aktivisten Matthias Rude (Jahrgang 1983, Studium der Philosophie und Religionswissenschaft, aktiv in der Tierbefreiungsbewegung und der Linken, von ihm erschien 2013 das Buch "Antispeziesismus"), hier das aufschlußreiche Interview:
Petrus: Eigentlich ist die Linke dafür bekannt, ungemein emanzipatorische Ansprüche zu erheben. Geht es um Tiere, ist davon aber wenig bis gar nichts zu spüren.
Rude: Das stimmt. Geht’s um Naturverhältnisse, sinkt das Niveau linker Debatten schlagartig, hat Susann Witt-Stahl einmal festgestellt, und von einer “intellektuellen Misere der speziesistischen Linken” gesprochen – also quasi: Fanatisch für Fleisch und dumm wie Brot. Dabei sprach schon Friedrich Engels davon, dass er die falsche Überheblichkeit des Menschen gegenüber den anderen Tieren verachte, und in der linken Theorietradition finden sich zahlreiche Ansätze, in denen emanzipatorische Forderungen über den Kreis der Menschen hinaus ausgedehnt werden. Seit es den Kapitalismus und die Tierindustrie gibt, gibt es auch antikapitalistische Proteste gegen Tierausbeutung.
Rude: Das stimmt. Geht’s um Naturverhältnisse, sinkt das Niveau linker Debatten schlagartig, hat Susann Witt-Stahl einmal festgestellt, und von einer “intellektuellen Misere der speziesistischen Linken” gesprochen – also quasi: Fanatisch für Fleisch und dumm wie Brot. Dabei sprach schon Friedrich Engels davon, dass er die falsche Überheblichkeit des Menschen gegenüber den anderen Tieren verachte, und in der linken Theorietradition finden sich zahlreiche Ansätze, in denen emanzipatorische Forderungen über den Kreis der Menschen hinaus ausgedehnt werden. Seit es den Kapitalismus und die Tierindustrie gibt, gibt es auch antikapitalistische Proteste gegen Tierausbeutung.
Petrus: Doch wurden diese Ansätze in der Linken nicht sonderlich populär…
Rude: Ja, über eine lange Zeit hinweg hielt linke Theorie und Praxis fast ungebrochen am aufgeklärt-bürgerlichen Glauben eines emanzipatorischen Fortschritts der Gesellschaft mittels rationaler Naturbeherrschung fest. Das änderte sich eigentlich erst ab den 1940er Jahren, als bedeutende marxistische Theoretiker, Vertreter der Kritischen Theorie wie Adorno, Horkheimer und Marcuse, die unterdrückte menschliche und nichtmenschliche Natur ins Zentrum ihrer Überlegungen rückten und den marxistischen, historisch-kritischen Materialismus um die Forderung nach der Befreiung der Tiere erweiterten. Sie erkennen, wie Adorno es formuliert, “dass die Utopie in jene sich vermummt, denen Marx es nicht einmal gönnt, dass sie als Arbeitende Mehrwert liefern” – und damit sind die Tiere gemeint.
Gerade in progressiven Kreisen der Linken ist man der Meinung, erst müsse die soziale Frage geklärt werden, und die betreffe den Menschen, nicht aber das Tier.
Petrus: Die Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung sieht das anders: Die Befreiung von Mensch und Tier gehe Hand in Hand. Was ist damit gemeint?
Rude: Es ist ein Fehler, die Tiere im Rahmen einer Kritik der Gesellschaft nicht zu beachten. Auch sie müssen zur Verwirklichung einer emanzipierten Gesellschaft aus den Ausbeutungsverhältnissen befreit werden, in denen sie zu leben gezwungen sind. Will man verstehen, weshalb die Befreiung der Tiere und die menschliche Emanzipation sich gegenseitig bedingen, so hilft es, eine historische Perspektive einzunehmen. Dann sieht man, dass die Geschichte der Anstrengungen des Menschen, über die Natur und die Tiere zu herrschen, auch die Geschichte der Herrschaft des Menschen über den Menschen ist. Naturbeherrschung schließt Menschenbeherrschung ein: Jedes gesellschaftliche Subjekt hat nicht nur an der Unterjochung der äußeren Natur – der menschlichen und der nichtmenschlichen – teilzunehmen, sondern muss, um das zu leisten, auch die Naturanteile, sozusagen das Tier in sich selbst, beherrschen. Dergestalt unterdrückte und verdrängte Triebimpulse werden auch auf gewisse Menschengruppen projiziert, die als naturnah, als Tiere oder tierähnlich dargestellt werden.
Petrus: Wie zum Beispiel?
Rude: In die Sphäre des Natürlichen, die es zu beherrschen gilt, fallen traditionell nicht nur die Tiere, sondern auch die zu beherrschende Frau und der zu unterjochende Fremde. Auf diese Art und Weise diente das Ausbeutungsverhältnis gegenüber der Natur und den Tieren, in dem die Geschichte der Zivilisation ihren Ursprung hat, seit je als Legitimationsfolie für Gewalttaten an Menschen und ist somit in vielfältiger Art und Weise ideologisch mit der Unterdrückung und Ausbeutung von Menschen verbunden.
Petrus: Und deshalb können, wie du schreibst, die auf die Befreiung des Menschen zielenden Emanzipationsbewegungen nicht vollständig zum Ziel führen, solange sie diesen Aspekt ausblenden?
Rude: Genau. Die Gewalt, die wir gegen Tiere übten, schlägt gegen uns um – und sollte also nicht nur zum Wohl der Tiere, sondern auch zu unserem eigenen überwunden werden. Für Horkheimer beispielsweise war das ganz klar – er schrieb im Zusammenhang seines Engagements gegen Tierversuche, der Kampf für das Tier sei auch ein Kampf für den Menschen.
Petrus: Was müsste die Tierbefreiungsbewegung denn tun, um die Linke für sich zu gewinnen?
Rude: Sie müsste aus dem Bann bürgerlicher Ideologie treten, in welchem sie teilweise noch steht, und sich noch stärker in sozialen Kämpfen engagieren.
Petrus: Kannst du das an einem Beispiel ausführen?
Rude: Beispielsweise beteiligen sich manche Gruppen bereits bei Aktionen zum 1. Mai oder bei antikapitalistischen Protesten wie “Blockupy”.
Petrus: Dann stimmt es nicht, dass die Tierbefreiungsbewegung sich bloß mit abstrakter Theorie beschäftigt, oder damit, sich von allen anderen abzugrenzen, wie manche sagen?
Rude: Nein, das sehe ich nicht so. Die Stärke der Praxis der Bewegung ist, dass sie, und zwar um einiges energischer als viele anderen linken oder sozialen Bewegungen, ganz konkret dort ansetzt, wo Ausbeutung und Leiden stattfindet. Mit diesem Vorgehen konnte sie bereits große Erfolge erzielen. Damit könnte sie gerade in diesem Bereich eigentlich sogar Vorbild für linke Bewegungen sein.
Petrus: Konkret gefragt: Welche politischen Ziele verfolgt die Tierbefreiungsbewegung und mit welchen Mitteln möchte sie diese umsetzen – hier und jetzt?
Rude: Die Tierbefreiungsbewegung versucht, quasi direkt an der ökonomischen Basis anzusetzen und Unternehmen, die von Ausbeutung profitieren, durch Kampagnen oder auch durch Sabotage, ja auch durch Brandstiftung oder Sachbeschädigung und so weiter, unter Druck zu setzen. Politische Ziele sind die Abschaffung der Tierausbeutung und die Errichtung einer befreiten Gesellschaft für Mensch und Tier.
Petrus: Du hast zuvor von großen Erfolgen der Bewegung geredet, was hast du da vor Augen?
Rude: Beispielsweise die Kampagnen gegen Pelz, die so wirksam waren, dass Unternehmen aufgrund der bloßen Ankündigung, dass sie das nächste Ziel der Kampagne werden sollen, aus dem Pelzhandel ausgestiegen sind.
Petrus: Auf gesellschaftlicher Ebene scheint sich ein Trend hin zu einem veganen Lifestyle abzuzeichnen. Ist das ein Zeichen dafür, dass die Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung doch Erfolge verzeichnen kann? Oder bist du skeptisch?
Rude: Es ist sicher zunächst einmal als ein gewisser Erfolg zu verbuchen. Aber skeptisch bin ich durchaus. Der Kapitalismus ist ja in der Lage, widerständige Bewegungen zu integrieren und noch Profit aus ihnen zu schlagen. Das ist schon mit der Lebensreformbewegung passiert, die ja auch zum Ziel hatte, die Gesellschaft als Ganzes zu ändern; alles, was heute von ihr übrig geblieben ist, sind die Reformhäuser. Das passiert im Moment auch mit dem Veganismus. Die vegane Bewegung im deutschsprachigen Raum war anfangs strikt antikapitalistisch, im Selbstverständnis der Veganen Offensive Ruhrgebiet, einer überregionalen deutschen Gruppe, die sich bis ins Münster- und Rheinland hinein rekrutierte und den Veganismus in den 1990er Jahren bekannt machte, ist etwa davon die Rede, das “Ausbeutungs- und Unterdrückungssystem in seiner komplexen und verzahnten Ganzheit anzugreifen”.
Petrus: Und heute, 20 Jahre danach?
Rude: Inzwischen wurde die vegane Sparte als Wachstumsmarkt erkannt. Also wird ein “neuer” Veganismus geschaffen, der in den Liberalismus passt. Kritik an Ausbeutung oder gar das Infragestellen der herrschenden Eigentumsverhältnisse hat hier natürlich nichts verloren. Propagiert wird ein mit Gesundheit, Jugend und Schlankheit assoziierter “Lifestyle”, der mit einer Konsummentalität, die ständig neue, teure Produkte verlangt, konform geht – mehr nicht.
Petrus: Trend hin oder her: Viele, die in anderen und gerade auch linken Bewegungen aktiv sind, empfinden den Veganismus als zu rigoros, zu sektiererisch, sie wollen sich keinen Lebensstil “aufzwingen” lassen. Kannst du das nachvollziehen?
Rude: Nein. Gerade wenn man fortschrittlich sein will und gegen Ausbeutung eintritt, so ist auf der individuellen Ebene der Veganismus die einzige logische Konsequenz. Dagegen gibt es keine Argumente.
Petrus: Du hast dich intensiv mit der Geschichte der Tierbefreiungsbewegung auseinandergesetzt. Wagen wir einen Blick in die Zukunft: Wie wird sie sich, deiner Meinung nach, weiter entwickeln?
Rude: Die Tierbefreiungsbewegung wird stärker werden in den nächsten Jahren, weil immer mehr Menschen die schrecklichen Auswirkungen des industriellen Systems der Tierausbeutung auf die Tiere, auf die Umwelt und den Menschen sehen und wir, was die technische Entwicklung angeht, auf einem gesellschaftlichen Stand angelangt sind, der Tierausbeutung unnötig macht.
Petrus: Und wo siehst du für die Bewegung Gefahren?
Rude: Sie muss jetzt aufpassen, dass sie sich nicht blenden lässt vom Erfolg der veganen Idee. Der “neue”, als “undogmatisch” geltende Veganismus wird ja in den Feuilletons gefeiert, gewisse Köche von den Medien protegiert – aber natürlich nur, weil sie die Ausbeutungsverhältnisse nicht mehr klar benennen und grundsätzlich in Frage stellen. Die Tierbefreiungsbewegung muss radikal bleiben, das heißt, sie muss grundsätzlich an der Produktionsweise des Kapitalismus rütteln, die Mensch, Tier und Natur ausbeutet und zerstört. Die vegane Bewegung selbst hat hier den Fehler gemacht, dass sie zu wenig gesehen hat, dass bloße Appelle an eine Veränderung des Konsums noch keine Umwälzung der Produktion nach sich ziehen. Es reicht eben nicht, nach diesem individuellen Schritt stehen zu bleiben. Dass die Nachfrage das Angebot bestimmt, ist der große Irrtum derjenigen Sparte der veganen Bewegung, die meint, lediglich durch ihren Konsum etwas ändern zu können. So einfach funktioniert der Markt nun mal nicht. Beispielsweise ist der Markt für Hühnerfleisch in Europa längst übersättigt, dennoch wird im niedersächsischen Wietze derzeit die größte Hühner-Schlachtfabrik Europas gebaut. Nicht primär durch individuelle Konsumentscheidungen wird sich die Gesellschaft als Ganzes ändern, sondern durch tiefgreifende Veränderungen in der Sphäre der Produktion. Diese sind nur durch den Aufbau einer starken politischen Bewegung zu erreichen.
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