Dieser Tage fiel mir mein alter Ausweis von der Dessauer Stadtverordnetenversammlung der Wahlperiode von 1979 bis 1984 in die Hände. Ich war damals Mitglied der Ständigen Kommission Kultur, meiner Spezialstrecke zu DDR-Zeiten (LDZ-Reporter, Privatsekretär einer Kunstwissenschaftlerin, Klubhausleiter, Filmtheaterleiter, Mitarbeiter des Klubs der Intelligenz, Bezirkstanzfest-Mitarbeiter, freiberuflicher Bibliothekar), also mit viel Erfahrung auf dem Gebiet der Kultur.
Gewählter Stadtverordneter war ich nicht, aber man konnte vom Rat der Stadt berufen werden, ein sogenannter "berufener Bürger" sein, mit allen Rechten und Pflichten wie ein Abgeordneter, nur bei der Stadtverordnetenversammlung abstimmen durfte man nicht. Aber das war auch nicht so wichtig, denn die Beschlüsse wurden in den Kommissionen entschieden und da hatten berufene Bürger manchmal mehr zu sagen als die Abgeordneten, die oft von der Materie nicht viel verstanden und die oft von uns berufenen Bürgern erst einmal fachlich auf die richtige Bahn geführt werden mußten.
Diese Arbeit hat mir gefallen, da sie auch nicht besonders arbeitsaufwendig war. Einmal im Monat gab es eine Kommissionsitzung und da machten wir Kulturleute es uns interessant und legten die Sitzung immer in eine andere Kultureinrichtung, wie Landestheater, Gemäldegalerie, Pionierhaus, Klubhäuser usw. So lernten wir selber jede Einrichtung kennen und die jeweiligen Leiter mußten uns Rechenschaft ablegen, dabei gab es dann Führungen durch die Häuser, wie z.B. Museen - sehr interessant!
Den ganzen Tag dauerte so eine Sitzung nicht, so daß man an so einem Tag außerdem noch viel Freizeit hatte. Ebenso war es bei der Stadtverordnetensitzung. Die begann um 9.00 Uhr und endete offiziell meistens 15.00 Uhr. Anwesenheit war Pflicht, aber ich wäre nicht schon immer ein libertärer Bürger (Mitglied der LDPD) gewesen, wenn ich auch da nur bis Mittag blieb. Hauptsache man war in der Anwesenheitsliste verzeichnet. Es gab natürlich auch Ausnahmen, daß eine wichtige Rede am Nachmittag war, die man nicht verpassen konnte.
In der gesamten Legislatur hielt ich nur eine einzige Rede, diese allerdings fast eine Stunde lang. Die Stadtverordnetensitzungen fanden im Dessauer Kristallpalast statt. Wer alter Dessauer ist, kennt diesen größten Saal Dessaus noch. Nach der Wende eine Ruine, wie so vieles in Dessau, um nicht zu sagen das meiste, denn die meisten Kultureinrichtungen gibt es nicht mehr, abgerissen oder Ruinen. Man kann mit Recht sagen, die Wende hat Dessau ruiniert, alle Großbetriebe tot und fast alle Kultureinrichtungen. Von den über 20 Kulturhäusern und Klubhäusern, die es in Dessau gab, blieb nicht ein einziges!!!
An einem dieser Rangtische im Kristallpalast saß ich immer (ist leider auf dem Foto nicht drauf, da ein wenig mehr links, nur wenig entfernt von der Tür nach unten)
Oben auf dem Rang war mein Stammplatz, immer neben der Chefin des Kreisjugendklubhauses „Majakowski“. Elke Arndt. Man hatte einen guten Überblick über den Saal und saß separat und war nicht unter Kontrolle. Wir machten es uns dort an einem 2er-Tisch gemütlich, holten uns um 9.00 Uhr erst einmal Frühstück und Kaffee von unten. lasen Zeitung und waren beide in der Mittagspause verschwunden, was keinem auffiel.
Trotzdem konnten wir in der Kulturkommission viel bewirken und auf die Kultureinrichtungen positiv einwirken. Was auch eine schöne Sache war, man kam mit dem Ausweis als Kommissionsmitglied jederzeit in eine Kultureinrichtung ohne Eintritt bezahlen zu müssen. Dabei gab es dann oft die besten Plätze, denn die Kulurleute wollten es sich nicht mit uns verscherzen. Alles in Allem eine schöne Zeit. Aufgrund meiner Westkontakte und meiner Abkehr von der politischen Linie wurde ich zur darauf folgenden Wahlperiode nicht mehr berufen. Das war dann die Zeit wo es mit der DDR zu Ende ging und ich sowieso keine Lust mehr hatte mich zu engagieren.
Während meiner Zeit bei der Kulturkommission arbeitete ich auch für das vom Rat der Stadt Dessau herausgegebene Journal "Dessauer Informationen". Etliche Titelbilder in dieser Zeit sind von mir fotografiert worden. Außerdem schrieb ich die Naherholungstipps, siehe Scans unten. Chefredakteur war damals Hans-Henning Schiffmann, Mitglied der LDPD wie ich, mit dem ich gut klar kam. So brachte Schiffmann schon des öfteren mal ein Aktfoto integriert in irgend etwas heimatkundliches, sehr zum Mißfallen einiger Funktionäre. Ich erinnere mich noch an den Eklat um das harmlose Aktfoto auf dem Titelbild (siehe Scan) von dem von mir organisierten ersten Dessauer Aktfoto-Pleinair (siehe auch frühere Postings), als Schiffmann und ich zu dem damaligen Stadtrat für Kultur Hamal zitiert wurden, der uns daraus einen Strick drehen wollte. Dieser prüde Typ und üble pseudorote Scharfmacher sah in Aktfotos den Sozialismus gefährdet, dies in einer Zeit wo sogar die SED-Spitzen der DDR diesbezüglich liberale Ansichten vertraten, sogar entschieden liberalere als in der heutigen Bundesrepublik derzeit herrschen.
Aus dem von Hamal geplanten Rausschmiß wurde allerdings nichts, da wir uns zu wehren wußten, uns bei der SED-Kreisleitung beschwerten und außerdem die bekannte DDR-Politikerin Wilhelmine Schirmer-Pröscher (LDPD) sich für uns einsetzte. Hamal mußte klein beigeben. Hamal war dann übrigens einer der ersten Dessauer Stadträte die bei der Wende aus der SED austraten, eigentlich typisch für gerade diejenigen, die damals auf besonders "rot" machten.
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