Montag, 30. Dezember 2019

Schäuble verhöhnt in Zeitungsinterview uns ehemalige DDR-Bürger

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble schlägt eine Art „Bekenntnisidentität“ vor für mehr Gefühl der Zusammengehörigkeit von Ost und West in Deutschland. Dazu müßten die Ostdeutschen allerdings auch ihre „Opferhaltung“ überwinden. Ausgerechnet einer der Haupttäter an dem Raubzug gegen uns DDR-Bürger wagt es seinen Mund aufzumachen? 

Schäuble:
Mancher pflegt geradezu den eigenen Opferstatus, statt selbstbewusst darauf zu verweisen, den Menschen im Westen eine wertvolle Erfahrung vorauszuhaben: die Anpassung an massive gesellschaftliche Umwälzungen“, schreibt der CDU-Politiker in einem Beitrag für die „taz am Wochenende“, in dem er sich zudem eine stärkere Identifizierung der Menschen mit Europa wünscht.

Diese Verhöhnung kann man mit den Kolonialherren in früheren Jahrhunderten vergleichen, die ihren unterworfenen Neu-Untertanen, denen sie alles weggenommen hatten, empfohlen ihren „Opferstatus“ aufzugeben und stolz darauf zu sein, daß sie diese Unterwerfung überlebt haben.

Alles hat man uns 1990 genommen, angefangen von unseren Betrieben, die einst unser Volkseigentum waren, unsere alltäglichen Produkte eingestellt, die wir von Kind auf hatten und die wir liebten und uns ihren Westdreck angedreht, unsere Kultureinrichtungen alle geschlossen und meistens abgerissen, unsere Arbeitsstellen vernichtet und Millionen von DDR-Bürgern zu Arbeitslosen gemacht, die nun um Almosen bei den Arbeitsämtern betteln mußten und sich von ihnen schikanieren lassen mußten. 

Kurz nachdem wir Kolonie wurden, da gab es auch meine geliebten Zeitungen und Zeitschriften nicht mehr. In Dessau gab es 3 Tageszeitungen mit Dessauer Lokalteil und es war mir zu meinem Tagesablauf geworden, Zeitung zu lesen. Nur die SED-Zeitung mochte ich nicht und nur die wurde von einem Kölner Millionär übernommen und weiter geführt. Ekelhaft! Die freiheitliche LDZ und MNN (von der LDPD und NDPD) die gab es nicht mehr. Es war überall so, die westdeutschen Kolonialherren verbündeten sich mit den alten SED-Kadern. Das hätten wir 1989 nicht erwartet, daß es mal so kommen würde.   

Auch ich als Selbständiger verlor alle meine Arbeitsstellen und dies schon ab der Umstellung von DDR-Mark auf Westmark. Ich war die letzten Jahre der DDR selbständiger Bibliothekar mit Honorarvertrag mit der Stadtbibliothek und schon im Mai auf Westgeldumstellung verlor ich meine sehr geliebte Arbeit. Auch die Klubhäuser bezahlten ab diesem Tag keine Honorare mehr für Leiter von Arbeitsgemeinschaften volkskünstlerischen Schaffens. 

Wenn ich noch heute die dämliche Meinung höre, daß unser DDR-Geld weniger wert gewesen wäre als das Westgeld, dann geht mir der Hut hoch. Nur 10 DDR-Mark kostete die Krankenversicherung im Monat, die Honorarleute wie ich abschlossen. Dafür bekam man alles und bei Krankenhausaufenthalten mußte man nicht noch Tagegeld bezahlen wie in der ekelhaften BRD jetzt. Der Hausarzt war wirklich ein Hausarzt, weil er ins Haus kam, jetzt muß man sich in ein Wartezimmer setzen und warten bis man dran ist. Sofort nachdem Westgeld bei uns eingeführt wurde, da sollte ich statt 10 Mark an die 200 D-Mark an die Krankenkasse zahlen, wo ich kaum noch Einnahmen hatte! Auch alles andere war besser, von wegen das DDR-Geld wäre weniger wert gewesen als das Westgeld. Ich gehörte jedenfalls nicht zu den DDR-Bürgern ohne Würde, die nach Grenzöffnung in den Westen fuhren, um sich "Begrüßungsgeld" zu holen. Ehrloses Gesindel, die dies machten! Auch die SED-Genossen, die noch Wochen vorher über den Klassenfeind herzogen und Andersdenkende hinter Gitter brachten, holten sich die 100 Westmark im Westen. Typisch für diese Pseudokommunisten, die nur ihr eigenes Wohl und Wehe im Kopf hatten und denen der Sozialismus am A. vorbei ging.  

Auf alle einträglichen Stellen wurden Westdeutsche gesetzt, vom kleinen Abteilungsleiter angefangen bis hin zu den Ministerpräsidenten der neu geschaffenen Bundesländer. Sogar unser Fernsehprogramm wurde abgeschaltet. Und dann der Beschiß beim Zwangsumtausch des Geldes: Unser Geld wurde halbiert! 

Mühsam hatten wir DDR-Bürger Geld fürs Alter gespart, durch zusätzliche Jobs neben dem Hauptjob, und uns über 3 Prozent (ab 1971 3 1/4 %) Zinsen auf dem Sparbuch gefreut und bei den billigen Preisen konnte man in der DDR mit 100.000 Mark unbesorgt ins Alter gehen, man hatte ein finanziell sorgenfreies Leben vor sich im Alter bei den billigen Preisen für Dienstleistungen, Strom, Heizung, Miete, Lebensmittel. Naiv wie ich war, hatte ich vor der Währungsreform nur einen kleineren Teil in Sachwerten angelegt und mußte nun erleben, daß meine 60.695,15 Mark auf dem Sparbuch in 32.347,58 Mark vernichtet wurden. Diese Halbierung war nicht nur eine Halbierung, sondern alles war nun mit dem neuen Geld viel teurer. Ein sorgenfreies leben im Alter war mit dieser Summe nicht mehr möglich, noch dazu wo es dann später noch einmal eine Halbierung gab, als die D-Mark in Euro umgetauscht wurde.

All das können Westdeutsche gar nicht nachvollziehen. Hätten sie die „Opferrolle“ abgelegt, wenn ihnen ihr Erspartes halbiert worden wäre, alle ihre Betriebe geschlossen worden wären, ihnen die Arbeitsplätze genommen worden wären und Glücksritter aus der DDR für eine Mark riesige Betriebe „erworben“ hätten und sie nun arm wie eine Kirchenmaus gewesen wären, sie als Ministerpräsidenten durch die Bank weg alles DDR-Politiker vor die Nase gesetzt bekommen hätten??? 

Nein, auch sie hätten sich wie unter die Räuber gefallen gefühlt und auch sie hätten nie ihren neuen Kolonialherren Dank gezollt. Es hätte wahrscheinlich einen Aufstand gegeben, denn die Westdeutschen wären nicht wie damals die DDR-Bürger als Lämmer lammfromm zur Schlachtbank getrottet und hätten noch ihren Schlächtern zugejubelt.

Mein altes Sparkassenbuch:



   

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