Sonntag, 15. Dezember 2019

Die Zerschlagung der Kultur-und Klubhäuser in Dessau nach dem Anschluß an die BRD

Das hatten wir Dessauer Ende 1989 nicht geahnt, daß schon in den nächsten Jahren nicht nur 80 % aller Betriebe, darunter etliche Großbetriebe, sondern auch 95 % aller Kultur-und Klubhäuser kaputt gemacht würden. Wer, wie ich, mit viel Kultur aufgewachsen ist, der konnte sich das einfach nicht vorstellen. Dieser Kahlschlag der Kolonialherren aus dem Westen und ihrer willfährigen Büttel im Osten, kann nur mit der Zerstörung Dessaus durch die alliierten Bomber zum Ende des 2. Weltkriegs verglichen werden, siehe dazu Fotos: 

http://barrynoa.blogspot.com/2012/07/bis-1989-bau-auf-bau-auf-nach-1989-rei.html

Von den großen Kultur-und Veranstaltungshäusern, überlebte nur eines, das Kulturhaus in der Wasserstadt, alle anderen wurden geschlossen und noch schlimmer, viele wurden einfach abgerissen. 

Und Kultur-und Klubhäuser gab es viele in Dessau: das Haus der Veranstaltungen „Kristallpalast“, das Kreiskulturhaus „Maxim Gorki“, das Kreisjugendklubhaus "Majakowski", Das Stahlbau-Klubhaus, das Abus-Kulturhaus, das Kulturhaus der Gärungschemie, das Klubhaus in der Wasserstadt, der Klub der Intelligenz, das Pionierhaus, die Station Junger Techniker und Naturforscher, die Klubhäuser der Werktätigen in den Vororten Alten, Großkühnau, Törten, Lorkpark, Waldersee, Mildensee, Mosigkau, Kochstedt, Dessau-Süd, Ziebigk, wobei letzteres noch einige Jahre als „Heinz-Rühmann-Klub“ als Rentnertreff bestand. Daneben gab es noch etliche klubähnliche gastronomische Einrichtungen von Konsum und HO. Nicht zu vergessen die vielen Jugendklubs und Jugendgaststätten, siehe hier:



Neben den geselligen Veranstaltungen in den Kultur-und Klubhäusern, wie Tanz, Disko etc. boten diese Einrichtungen die verschiedensten Arbeitsgemeinschaften, alles zum Nulltarif, d.h. man mußte nichts bezahlen, alles war kostenlos: Chöre, Schach, Skat, Bridge, Musikkapellen, Textiles Gestalten, Fotozirkel, Modellbau, bis hin, so wie in dem von mir geleiteten Klubhaus der Werktätigen in Törten, eine Schalmeienkapelle und eine Arbeitsgemeinschaft Ziegenzüchter. Für jeden war etwas dabei und es wurde von den Dessauern stark genutzt. Alles vorbei mit dem Anschluß an die BRD! 

In dem Blogbeitrag 
http://barrynoa.blogspot.com/2019/12/erinnerung-die-kulturkommission-der.html schrieb ich über meine Arbeit in der Kulturkommission der Stadtverordnetenversammlung, die neben meiner hauptamtlichen Arbeit in der Kultur lief. Außerdem betreute ich noch zwei Fotozirkel. Als ehemaliger Bildreporter bei der LDZ war ich befähigt Fotozirkel zu leiten. Aber auch da brauchte man eine staatliche Erlaubnis und der Honorarsatz war auch staatlich vorgegeben, siehe:





Einen Fotozirkel für Erwachsene leitete ich im Klubhaus der Werktätigen Lorkpark. Gern erinnere ich mich an die Zeit dort, an das schöne Haus mit Gaststätte, vielen Klubräumen, einem kleinen Garten mit Apfel-und Pflaumen-Bäumen, die wir Zirkelmitglieder ernten durften. Alles abgerissen!!! In diesem Fotozirkel pflegten wir besonders die Aktfotografie. Besonders diese Ausstellungen im Klubhaus waren stark besucht.


Ein Fotozirkelmitglied und eines unserer Aktmodelle

Den zweiten Fotozirkel hatte ich in der Station Junger Techniker und Naturforscher für Kinder und Jugendliche. Wir unternahmen Exkursionen in die nahe Natur oder fotografierten die anderen Arbeitsgemeinschaften in der wunderbaren Station, die auch eine eigene Kartbahn hatte, wo Kinder und Jugendliche kostenlos die kleinen Kartwagen fahren durften, siehe hier:



In beiden Fotozirkeln wurden alle Dunkelkammerarbeiten selbst ausgeführt, alles war vorhanden, von hochwertigen Fotoapparaten bis zu hochwertiger Dunkelkammerausrüstung. Man konnte jederzeit in unsere Zirkelräume, die auch als Klubräume eingerichtet waren, da ich Schlüssel hatte und nicht auf den Hausmeister angewiesen war. Eine schöne Zeit und außerdem konnte man sich durch die Honorarverträge noch ein paar Mark zu dem nicht üppigen Gehalt in der Kultur dazu verdienen.

Daß dieses mal alles kaputt gemacht werden würde, hätte ich mir nie geträumt. Doch schon am Tag des Anschlußes an die BRD, am 3. Oktober 1990, war Schluß für fast alle Klubhäuser und gerade an diesem Tag sah ich den ersten Obdachlosen in der Dessauer Innenstadt betteln, ein untrügliches Zeichen wohin die Reise hin gehen würde.   

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