Sonntag, 22. Dezember 2019

Erinnerung an die Politikerin Wilhelmine Schirmer-Pröscher (1889-1992)

Ein großer Segen für die DDR-Bürger war, daß Stalin, im Gegensatz zur Sowjetunion, in der SBZ und später DDR, Blockparteien zuließ. Diese hatten sich zwar dem Diktat der SED unterzuordnen, aber hatten doch Mitspracherecht. 

Wenn man Politiker der SED mit denen z.B. der LDPD verglich, dann stellte man fest, daß die LDPD-Politiker den SED-Oberen haushoch intellektuell überlegen waren. SED-Politiker waren oft Proleten spießbürgerlichster Natur und es muß den LDPD-Politikern schwer gefallen sein, sich diesen primitiven Typen unterzuordnen. Intellektuelle Ausnahmen gab es auch in der SED, aber diese Politiker kamen nie an die Spitze, wurden von den Proleten an der Spitze auf die zweite Reihe verwiesen, so z.B. der großartige Kulturminister Johannes R. Becher. 

Wenn ich die LDPD-Politiker Revue passieren lasse, auch die auf kommunaler Ebene, so waren diese intellektuell den SED-Leuten weit überlegen. Allein wenn ich an die primitiven mächtigen SED-Kreisleitungs-Chefs von Dessau zurück denke, dann wird mir übel über soviel Primitivität und niedere Instinkte, siehe:


http://barrynoa.blogspot.com/2011/08/gedanken-anlalich-des-50jahrestags-des.html.



Allein schon von seiner äußeren Erscheinung (der Mann mit der Maigret-Pfeife) war der Kreisvorsitzende der LDPD in Dessau, Edgar Wahn, aus ganz anderem Kaliber als die SED-Leute. Man konnte sich mit ihm sehr gut über Kunst, Kultur etc. unterhalten, wo er sehr bewandert war. In meiner Eigenschaft als Klubhausleiter hatte ich das zweifelhafte Vergnügen mich den Weisungen der SED-Bonzen zu fügen, so gut wie immer primitive Typen ohne Allgemeinbildung, dazu versoffen bis zum „Gehtnichtmehr“! Die Klubhäuser der Werktätigen hatten Trägerbetriebe, denen man finanziell unterstellt war und in diesen Trägerbetrieben herrschte immer das „heilige“ Dreigestirn: staatlicher Leiter, Betriebsparteisekretär und Gewerkschaftsboss. Ich kannte diese Typen nur als versoffene Primitivlinge, kulturlos, daß einem schlecht wurde. Das höchste der Kultur war für diese Typen Fußball und der Anglerverein. Ich stelle mir vor, die Siegermacht UdSSR hätte in der DDR nur ein 1-Parteien-SED-System installiert, also das wäre schrecklich gewesen. Durch die Existenz von Blockparteien wurde die DDR erträglicher.



Besonders die LDPD hatte hervorragende Politiker, wie Prof. Dr. Johannes Dieckmann und Dr. Manfred Gerlach, aber auch der NDPD-Politiker Lothar Bolz war ein großartiger Außenminister. Unvergessen, als er die Bombenangriffe der Angloamerikaner als das bezeichnete was sie waren: Terrorangriffe!




Persönlich kannte ich von den hohen LDPD-Politikern nur Wilhelmine Schirmer-Pröscher (1889-1992), die noch mit 100 Jahren Volkskammerabgeordnete war, und damit natürlich Alterspräsidentin. Es ist überliefert, daß Honecker LDPD-Politiker nicht mochte und sie klein hielt. Kein Wunder, denn er spürte wohl, daß sie ihm intellektuell weit überlegen waren und bekanntlich haben Dumme eine Abneigung gegenüber Intelligenten und wollen sie unterdrücken. Die einzigste LDPD-Politikerin vor der Honecker Respekt hatte, das war Wilhelmine Schirmer-Pröscher, das war allgemein bekannt. Er wollte es sich mit ihr nicht verscherzen und was Dr. Gerlach nie gelang, bei Honecker etwas durchzusetzen, was nicht die reine SED-Linie war, das gelang sehr oft Wilhelmine Schirmer-Pröscher. Auch die Kommunalpolitiker machten oft das was sie vorschlug. So wurde das Altersheim in Roßlau auf ihren Wunsch hin außerplanmäßig aus dem Boden gestampft. Es konnte gut möglich sein, daß Honecker Wilhelmine Schirmer-Pröscher sogar ein wenig fürchtete, weil sie gute persönliche Kontakte zu den Ehefrauen der sowjetischen Generalsekretäre hatte, außer später zu der Frau von Gorbatschow. Ich schätzte Wilhelmine Schirmer-Pröscher sehr, war sie doch eine große Kunstfreundin und sie unterstützte meine Forschung zu dem Maler, Kunsthistoriker und Lyriker Dr. Walter Timmling, da sie selber Timmlings Bilder mochte.



Sie hatte zwei Timmling-Bilder aus meinem Besitz gekauft, zwei wundervolle Landschaften. Sie war es auch, die dafür sorgte, daß ich eine Druckgenehmigung für die von mir ausgerichtete Walter-Timmling-Ausstellung schnell und unbürokratisch bekam, siehe:



Ich war allerdings nur einmal in ihrer Wohnung, wo sich die Gespräche um Walter Timmling drehten und wo ich begeistert war von ihren vielen Kunstgegenständen in der Wohnung. Ein paar mal sahen wir uns in Dessau, davon besuchte sie mich einmal zuhause und das völlig überraschend. Ich war außer Haus und als ich nach Hause kam, da stand ein einfacher Wartburg mit ihrem Fahrer vor unserem Haus und als ich reinkam, das saß meine Mutter mit Frau Wilhelmine Schirmer-Pröscher beim Kaffee. Wie mir meine Mutter später erzählte, wollte Wilhelmine Schirmer-Pröscher unbedingt auch mal meine Mutter kennen lernen, weil ich damals ihr von meiner Mutter erzählt hatte, daß ich durch sie zur Literatur und Kunst gekommen war. Was mich sehr freute, daß meine Mutter mir später erzählte, daß Wilhelmine Schirmer-Pröscher voll des Lobes von mir gewesen sei. Sie hätte gesagt: „Frau Nowack, sie haben einen großartigen Sohn, hoch gebildet, mit scharfem Verstand und mit dem Herz auf dem rechten Fleck. Die DDR braucht viel mehr solcher Leute, aber leider ist oft das Mittelmaß vorherrschend“! 

Daß mich dieses Lob ehrte, es bei mir runter ging wie Öl, das wird man verstehen, zumal ich sonst von den Bonzen in Dessau nie besonders gelobt wurde, sondern mir oft eher Steine in den Weg gelegt wurden und ich in der Kulturarbeit besser sein mußte, als meine Kollegen SED-Genossen. Sehr ungerecht, war, daß nach der Wende Wilhelmine Schirmer-Pröscher die Ehrenbürgerschaft der Stadt Berlin aberkannt wurde. Es wurde damit begründet, daß sie sich zu sehr dem SED-Regime unterworfen hätte. Was für ein Wahnsinn, als wenn es einen anderen Weg gegeben hätte. Fundamentalopposition wäre doch gar nicht möglich gewesen, aber mitzuwirken in der sozialistischen Gesellschaft und sie menschlicher zu machen, das war doch eine segensreiche Möglichkeit, denn eins steht fest, ohne die Blockparteien wäre die DDR viel bürgerfeindlicher gewesen und darum kann ich das Niedermachen der Blockparteien nach der Wende nicht gutheißen. 

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