Mittwoch, 9. Januar 2013

Die Piratenpartei am Scheideweg zwischen linker Bürgerrechtspartei und liberaler Nachfolgerin der abgehalferten FDP



„I´m free“ (Ich bin frei) ist ein Song von  den Rolling Stones aus dem Jahre 1965. 1965, einer Zeit der Unfreiheit und des Konservativismus, sowohl im Westen wie im Osten. Liedtexte wie „I´m free“ weckten die Jugend auf zu rebellieren gegen diese Unfreiheit und waren vielleicht gar nicht so politisch von den Rolling Stones gemeint, wurden aber von uns Jugendlichen in der DDR damals so aufgefaßt. Bewußt spielte meine Rockband „Yo-Yos“, in der ich Schlagzeug spielte, solche Titel wie „I´m free“ oder „Street fighting man“ um indirekt gegen das sozialfaschistische unfreiheitliche DDR-Regime zu protestieren. Dies führte zwar nicht zu Repressionen, denn verboten waren diese Titel ja nicht, aber Förderung bekam man als Band nicht gerade von Seiten des Staates, wie solche Bands die „rote“ Lieder in ihrem Repertoire hatten. 

Daß persönliche Freiheit natürlich einen Dreck wert ist, wenn nicht soziale Absicherung dazu kommt, das war uns schon damals bekannt. Die Hoffnung erfüllte sich aber leider nicht, daß nach dem Anschluß der DDR an die BRD 1990 es zu Freiheit und sozialer Gerechtigkeit kam. Die bis 1990 teilweise freiheitliche Gesellschaft in Westdeutschland wurde immer unfreiheitlicher und unsozialer, nicht etwa wegen der Wiedervereinigung, sondern weil es nicht mehr notwendig war gegenüber dem Gegner DDR mit Freiheit und Sozialstaat im Kampf der Gesellschaftssysteme zu punkten. Es stellte sich heraus, daß Freiheit und Sozialstaat nur solange gebraucht wurden um den „real-sozialistischen“ Gegner zu besiegen. Daß dieser Gegner DDR absolut nicht sozialistisch war, sondern sozialfaschistisch, brachte enorme Pluspunkte für das westliche System und die Sympathien der Mehrheit der DDR-Bevölkerung, die frei und sozial abgesichert leben wollte.

Die derzeitigen Systemparteien haben allesamt Anteile am Freiheitsabbau und Sozialabbau, einige mehr, andere etwas weniger, die Partei „Die Linke“ eingeschlossen, trotz gegenteiliger Propaganda. Als Partei des radikalen Sozialabbaus ist die FDP zu bezeichnen, die nicht mal mehr für Freiheitsrechte eintritt, siehe Zustimmung zum Beschneidungsgesetz (nur ein einziger Abgeordneter der FDP stimmte gegen dieses Schandgesetz). Wenn die FDP von der politischen Bildfläche der Bundesrepublik verschwindet, ist es nicht schade, denn auch in den sogenannten sozial-liberalen Zeiten war sie die Partei der Besserverdienenden, des Großkapitals und des öffentlichen Dienstes und keineswegs so freiheitlich und sozial wie sie jetzt rückblickend verklärt wird. 

Es wäre gut wenn der Platz der FDP im Bundestag zukünftig zum Beispiel von der Piratenpartei besetzt würde, allerdings nicht als „liberaler“ Nachfolger der FDP in die Fußstapfen der alten FDP der 70er Jahre tretend. So eine Piratenpartei braucht Deutschland genauso wenig wie ein Mensch einen Kropf am Hals. Was die Bürger brauchen ist eine freiheitliche und gleichzeitig soziale Partei, da dies von den herkömmlichen Parteien nicht vertreten wird, eine Partei die neben persönlicher Freiheit auch die Schere zwischen Arm und Reich schließt, welche die Privilegien des öffentlichen Dienstes radikal abschafft, die jedem Bürger ein menschenwürdiges Leben staatlicherseits garantiert, ohne derzeitige Schikanen durch Arbeitsämter, Jobcenter und Stadtverwaltungen, die bürokratisch gegen den Bürger vorgehen, die sich als „Der Staat sind wir“ und nicht als Dienstleister für den Bürger verstehen. 

Mindestlohn, Mindestrente und bedingungsloses Grundeinkommen sind dazu gute Instrumente. Derzeit ist die Piratenpartei noch tief gespalten, zwischen bourgeoisen Kräften, die sich schon als modernisierte FDP verstehen, dauernd das Wort „liberal“ in den Mund nehmen, obwohl es diskreditiert ist, eben weil das Soziale darin nur Anhängsel ist, und Kräften die aus den Piraten eine wirkliche freiheitliche und soziale Partei machen wollen, und sozial sein, heißt links sein, soziale Gerechtigkeit der Mitte oder gar rechts gibt es nicht. 

Sollten in der Piratenpartei die bourgeoisen Kräfte die Oberhand gewinnen, die aus den Piraten eine liberale Partei machen wollen, dann wird sie der Wähler gnadenlos abstrafen und sie werden in der Versenkung verschwinden. Weshalb gab es denn die letzten großen Wahlerfolge für die Piratenpartei in den Bundesländern? Doch nicht etwa wegen des Urheberechts oder freiheitlichem Internet, sondern weil die Bürger eine Alternative haben wollten zu den bourgeoisen herkömmlichen Parteien, aber keineswegs eine Kopie von etwa der FDP, und sei sie auch noch so sozialliberal oder gar eine Kopie der Grünen. Bekommen die Bürger mit, daß die Piratenpartei auch eine bürgerliche systemerhaltende Partei ist, die an den Lebensumständen des unterdrückten und ausgebeuteten Volkes auch nichts ändern will, dann wird man sie schlicht und einfach nicht wählen. Warum auch eine Kopie wählen wenn man ein Original haben kann? 

Gibt es jetzt schon einen Ruck von einer linken Partei hin zu einer liberalen Partei bei den Piraten? Äußerst bedenklich sind die Aussagen des Bundesvorsitzenden der Piratenpartei Schlömer in einem Interview in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: Es sei in der Vergangenheit versucht worden, «uns als linke Partei zu vereinnahmen. Das ist aber nicht die Politik, die die Piraten favorisieren», sagte Schlömer der «Neuen Osnabrücker Zeitung» «Wir sind eine liberale Partei mit dem Kernanliegen, dass die Bürger frei handeln und entscheiden können.» Die FDP habe dieses liberale Fundament an die Piraten verloren.
Die deutlich gefallenen Umfragewerte hält der Piratenchef für normal. «Wir waren nie eine Partei der dreizehn Prozent, sondern sehen uns zwischen fünf und sieben Prozent.» Für die Landtagswahl in Niedersachsen im Januar nächsten Jahres gab Schlömer sechs Prozent der Stimmen als Ziel aus.“

Nun mit derlei Aussagen und Verortungen, daß die Piratenpartei keine linke Partei sein solle, sondern eine liberale, werden alle Chancen vergeben jeweils mal wieder in einen Landtag einzuziehen, geschweige denn in den Bundestag zu kommen. Gegen derartige Aussagen sollten die Linken in der Piratenpartei mobil machen und nicht wie die Linken in der SPD das Maul halten wenn ein Spitzenkandidat Steinbrück unsoziale Forderungen erhebt (höheres Kanzlergehalt) oder wenn er als Abgeordneter mehr seinen persönlichen finanziellen Vorteil suchte, durch hochbezahlte private Vorträge als sich um seine eigentlichen Abgeordnetenaufgaben zu kümmern, wofür er hohe Diäten, finanziert vom Steuerzahler, erhältt. Derlei Stillhalten der linken Kräfte in einer Partei, unter dem Motto „Wir müssen nach Außen hin zusammenhalten, egal was passiert“, dies zahlt sich nicht aus und wird hoffentlich in der Piratenpartei nicht kopiert, denn diese Partei ist ja mit dem Versprechen der absoluten Transparenz angetreten und dies bedeutet auch, daß auch die Ansichten eines Vorsitzenden kritisiert werden können und daß keine Einheitsmeinung in der Partei verordnet wird, wie: „Wir sind nicht links, sondern nur liberal“! 

I´m free (Rolling Stones, 1965):  

I´m free to do what I want any old time
(Ich bin
frei zu tun, was ich die ganze vergangene Zeit wollte.)

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