Fröhliche Schwibbogen-Weihnachten überall, tönets aus Volkes Kehlen überall....
Neulich im Fernsehen! Da fragte eine Reporterin Passanten im Alter von etwa 20 bis 50 Jahren in Mitteldeutschland, was denn eigentlich zu Weihnachten gefeiert wird! Die Antworten, bis auf ganz wenige, erschreckend, wie doof und gedankenlos doch der deutsche Michel ist. „Den Weihnachtsbaum, den Weihnachtsmann, das Fest der Liebe, Lichterfest, das Zusammensein der Familie bei Stolle und Gänsebraten“ und dergleichen mehr kam als Antwort. Als die Reporterin „aufklärte“, daß da der Geburtstag eines in der ganzen Welt bekannten Mannes gefeiert wird, da kam meistens nur Achselzucken: „Weiß nicht, verraten sie es mir“, oder „Da wurde Joseph geboren, die Mutter war Maria“!
Hm, da braucht man sich nicht zu wundern, daß besonders in Mitteldeutschland, eine große Anzahl von Bürgern verständnislos mit dem Kopf schütteln, wenn Kulturfreunde es befremdlich finden, daß im Dessauer Bauhausgebäude „Kornhaus“ Schwibbögen aus dem Erzgebirge die Fenster "verzieren", halten diese Bürger doch so einen Schwibbogen für eine unentbehrliche Weihnachtsdekoration. Abgesehen davon, daß so ein erzgebirgiger Schwibbogen in der üblichen kitschigen kleinbürgerlichen Machart schon rein stilistisch nicht zu einem Bauhausgebäude paßt - da fehlt es einfach bei diesen Bürgern an Bildung über Stile - , sondern er ist schlicht und einfach auch keine Weihnachtssache, wie etwa geschnitzte oder sonst wie gefertigte Krippen-Ensembles, die Bezug nehmen auf die Geburt Jesu Christi.
Daß nun diese Schwibbögen hauptsächlich Bergmannsmotive zeigen, hängt mit der Herkunft aus dem Erzgebirge zusammen, wo, wie der Name schon sagt, Bergbau betrieben wurde. Weshalb nun die früher rein regionale Berechtigung habenden Bergmanns-Schwibbögen sich wie die Pest über halb Mitteldeutschland (zum Glück nicht in Norddeutschland oder auf dem Gebiet der alten Bundesrepublik) ausbreiteten, dies lag daran, daß diese Schwibbögen zwei Diktaturen gut in den Kram paßten, auf jeden Fall ihnen genehmer waren als rein christliche Motive, deren Namen z.B. in Zeiten der SED-Diktatur gar nicht mehr erwähnt werden durften. So hießen denn auch Engel in der DDR : Jahresendflügelfiguren! Eine erste Förderung der Schwibbögen erfuhren sie im Jahre 1937 durch die Nazis, die zwar nicht direkt kirchenfeindlich waren, die aber dem Weihnachtsfest eine mehr „deutsche“ Ausrichtung geben wollten und die mit der Weihnachtsgeschichte aus dem fernen Palästina, einem damaligen Gebiet der Juden, schon rein ideologisch nichts im Sinn hatten. Da kamen natürlich „deutsche“ Bräuche gerade recht – der Weihnachtsmann, der Weihnachtsbaum, der natürlich ein Nadelgehölz zu sein hatte, und nicht etwa eine Palme, die dann doch zu sehr an Gefilde Palästinas erinnern würde und natürlich der Schwibbogen mit dem Bergmann, einem Arbeitsmann. Ja, Arbeitsmänner brauchte das 3. Reich und ehrte sie, genau wie später die DDR, da denke man nur an Adolf Hennecke, der geradezu zu einem sozialistischen Heiligen verklärt wurde.
Bis 1937 gab es in ganz Anhalt nicht einen einzigen Schwibbogen. Dann auch nicht in Massen, sondern nur einige Nazigrößen stellten sich so etwas ins Fenster, um zu dokumentieren, daß ihnen so ein Bergmann wichtiger sei als das Jesuskind in der Krippe. Überliefert ist, daß sich Gauleiter Jordan mehrere solcher Bergmanns-Schwibbögen in seine Fenster stellte. Die SED förderte dann nach 1945 massiv ebenfalls diese Bergmanns-Schwibbögen, dies hauptsächlich um das christliche aus dem Weihnachtsfest zu drängen, aus Weihnachten ein säkulares Fest der Familie zu machen. Es war mehr oder weniger makaber, da wurde Weihnachten gefeiert und der Anlaß dazu wurde vollkommen weggelassen. Das war wie ein Weinfest, an dem kein Wein ausgeschenkt wird, sondern nur Faßbrause und wo auch allein das Wort „Wein“ nicht mehr ausgesprochen werden darf. Nun, daß der historische Jesus nicht an einem 24.-25. Dezember geboren wurde, dies steht fest, sondern nach neuesten Forschungen wurde er in einem Frühjahr geboren und die frühe Kirche verlegte nur seinen Geburtstag auf Ende Dezember weil da heidnische Feste der Wintersonnenwende gefeiert wurden. Der SED-Propaganda gelang es tatsächlich aus dem christlichen Weihnachtsfest ein säkulares Weihnachten zu machen, und dies nicht nur bei strammen SED-Genossen, sondern bei breitesten Schichten.
Gerade dieser Tage schrieb mir ein Leser, den mein Beitrag „Holzmicheleien“ (http://barrynoa.blogspot.de/2012/12/neues-holzmicheleien-am-dessauer.html) wutschnaubend erregte (Baldrian-Perlen nehmen, lieber Hugo Lustig [Lustige Email-Adresse, hugo.lustig@arcor.de, immer schön anonym bleiben, nöch?], daß er annehme, daß auch die Bauhausmeister früher „mit ihren Familien Weihnachten zelebriert haben - so richtig gemütlich mit Weihnachtsschmuck, Bergmann, Engel und Schwibbogen“. Das ist also Weihnachten? Weihnachtsschmuck, Bergmann, Engel und Schwibbogen? Dazu dann noch Gänsebraten am 1. Feiertag, so wie es der DDR-Bevölkerung eingeimpft wurde, á la Fernsehsendung „Zwischen Frühstück und Gänsebraten“? Ein typisch spießbürgerliches Weihnachten eben! Daß nun die Bauhausmeister sich einen Schwibbogen mit Bergmännern ins Fenster gestellt hätten, dies ist mehr als unwahrscheinlich. Wenn sie nicht aus Deutschland geflohen waren, dann hätten sie als den kleinbürgerlichen Ungeist der Nazis ablehnende Weltbürger garantiert nicht zu denen gehört, die den Gauleiter Jordan nachgeäfft hätten. Also allein so etwas anzunehmen zeugt von großer Unkenntnis der Geschichte, der Kulturgeschichte und der Kunstgeschichte.
Was nun die derzeitigen heiß diskutierten (siehe Facebook der MZ) Schwibbögen am Dessauer Kornhaus anlangt, so hat bei dieser Geschmacklosigkeit der MZ-Leser Kurt-Gerhard Roye den Nagel auf den Kopf getroffen: MZ: "Er findet, dass die Weihnachtsdekoration "jenen Stil, dem das Haus durch seine Geschichte als Bauhausbau verpflichtet ist" bewahren sollte. Doch davon sieht er die jetzige Ausstattung weit entfernt. "In jedem zweiten Fenster verhindern riesige Schwibbögen den Blick auf die Elbe und künden von einer Zeit, als eifrige Handwerker in den Hobbykellern und Garagen Laubsägen schwangen, um zur Weihnachtszeit die Trostlosigkeit ihrer Plattenbausiedlungen mit erzgebirgischen Volkskunstimitaten zu erleuchten", schreibt Roye.“
Apropos, Feininger war ein solch Dessauer Bauhausmeister! Ein Dessauer Antikhandel bietet derzeit ein Oelbild von ihm an, siehe http://antikhandelneumann.npage.de. Ich finde Neumann sollte dieses Bild weihnachtlich dekorieren. Es gehört da unbedingt ein Schwibbogen darauf. Vielleicht könnte man dann das Bild nicht für 750.000, - Euro verkaufen, sondern für 750.009,99 Euro, der Schwibbogen ist doch schließlich auch Kunst, nöch? Zwar kein Eigenentwurf, was ja eigentlich ein Merkmal von Kunst ist, aber doch schön mit der Laubsäge gearbeitet und das hat bestimmt länger gedauert, als das Malen dieses komischen Feininger-Bildes. Da ist ja nicht mal ein röhrender Hirsch drauf, was sich immer so heimelig über dem Sofa macht!
Na, denne: Fröhliche Schwibbogen-Weihnachten überall! Und was würde der alte Hobusch dazu sagen: "Was jiwwets denn nich ahlens! Wo komm´n de mang die ville Lichter mit die Berchleite her? Wir sinn doch hier nich´s Arzjebirje, sonnern in Anhalt. Das verwechslen woll de Leite mit Annaburg-Buchholz?
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