Offener Brief von Dr. Gunter Bleibohm an Volker Beck:
Sehr geehrter Herr Beck,
mehrere Gazetten berichteten über Ihre Aussagen zum Schächten und zur Beschneidung und brachte folgenden Text :
“Der Innenexperte der grünen Bundestagsfraktion, Volker Beck, meint, dass die Integration vieler Flüchtlinge auch davon abhänge, ob man in Deutschland bereit sei, die religiösen Bedürfnisse der Flüchtlinge zu akzeptieren. Notwendig ist auch der Respekt der Mehrheitsgesellschaft gegenüber den religiösen Vorstellungen und Vorschriften von Minderheitsreligionen“, sagt er in der Sendung „Unter den Linden“ im Fernsehsender phoenix mit Blick auf religiöse Kopfbedeckungen, das religiös begründete Schächten von Tieren und die Beschneidung. „Allerdings müssten die Menschen, die hier um Asyl bitten, zugleich die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie die friedliche Auseinandersetzung bei unterschiedlicher Meinung akzeptieren.“(Die Welt”, 15.12.2015)
Interessant an Ihrer Aussage sind weniger die postulierten Forderungen, sondern vielmehr Ihre Denk- und Wissensstrukturen, die Sie wunderbar offengelegt haben. Lassen Sie mich zur Verdeutlichung einige Punkte aufgreifen und mit einem Punkt beginnen, den der Philosoph Dr. Karim Akerma nachstehend präzise beschrieben hat:
„Beim Schächten wird der Blutkreislauf eines Tieres durch einen Kehlenschnitt so unterbrochen, dass das schlagende Herz das Blut nach draußen pumpt. Juden und Moslems schächten Tiere deswegen, weil ihre Religion es ihnen gebietet, kein Blut zu verzehren. „Allein esset das Fleisch nicht mit seinem Blut, in dem sein Leben ist“, heißt es im ersten Buch Mose (9,4). Im Koran ist es die fünfte Sure (Vers 3), die allen Moslems den Verzehr von Blut verbietet.
Als die Bücher des Alten Testaments und der Koran niedergeschrieben wurden, hatte man vielleicht guten Grund zu der Annahme, dass ein geschächtetes Tier tatsächlich blutleer ist. Etwa im Jahr 1618 entdeckte der Engländer William Harvey den Blutkreislauf und 1661 sah der italienische Anatom Marcello Malpighi, dass Arterien und Venen feinste Verästelungen haben, die Kapillaren. Für das Schächten hat die Entdeckung des Kapillarnetzes eine ungeheure Bedeutung: Die Kapillaren sind so dünn, dass das Blut nicht hinauslaufen kann. Weshalb sie auch nach dem Schächten Blut enthalten.
Ganz gleich wie lange der Todeskampf des Tieres bei schlagendem Herzen nach dem Kehlenschnitt gedauert haben mag und unabhängig davon, wie lange man das Tier nach dem Schächten mit dem Kopf nach unten aufgehängt haben mag: Das Blut aus den Kapillaren tritt nicht aus. Für jeden Juden und Moslem, der es mit seiner Religion ernst meint, ist dies eine äußerst wichtige Information. Die folgende Aufstellung zeigt die Konsequenzen:
- Ihre Religion gebietet es Juden und Moslems, kein tierisches Blut zu verzehren, weil es als unrein gilt. Gläubige Juden und Moslems wollen daher kein tierisches Blut zu sich nehmen.
- Aufgrund der jüdischen und moslemischen Glaubensvorstellungen werden somit täglich Millionen Tiere geschächtet und verspeist.
- Seit längerem ist bekannt, dass geschächtete Tiere und abgehangenes Fleisch nicht blutleer sind.
- Bislang schlecht informierte Juden und Moslems, denen jetzt bekannt wird, dass das von ihnen verspeiste Fleisch stets bluthaltig ist, müssen sofort aufhören es zu verzehren, wenn sie dem Gebot ihrer Religion weiterhin Folge leisten wollen.
- Nun könnten manche Juden und Moslems die religiösen Gebote weniger ernstnehmen und sagen, dass man das Gebot der Blutlosigkeit allen Fleisches ruhig übergehen kann. Wenn dem aber so ist, dann benötigt man auch das Schächten nicht mehr.“
Was bleibt als Erkenntnis? Schächten ist aus religiösen Gründen obsolet, Ihre Forderung geht völlig ins Leere.
Erschütternder ist aber für mich, mit welch rigidem Anthropozentrismus und fragmentarischer Weltsicht Sie sich über Ethik und Moral hinwegsetzen, die bei Ihnen an der Artengrenze des homo sapiens enden.
Fragmentarisch deshalb, da nicht ansatzweise die Erkenntnis bei Ihnen Platz gegriffen hat, dass der Mensch nur ein winziger Bestandteil im Naturgefüge ist. Sie stellen ihn als das non plus ultra in den Mittelpunkt allen Geschehens und opfern dieser Hybris hemmungslos alle anderen Mitlebewesen.
Es sollte sich wohl inzwischen herumgesprochen haben, dass die Empfindung von Angst, Leid und Schmerz – und bleiben wir konkret beim Schächten – für das Schächtopfer, sei es Mensch oder Tier, vergleichbar ist. Es kommt beim Vergleich der verschiedenen Spezies nicht darauf an, dass ein Tier anders als ein Mensch denkt, sondern es kommt darauf an, dass die Leidensempfindung, zumindest bei Säugetieren, vergleichbar ist.
Es ist unbestreitbar ein Verbrechen, eine Glaubensvorstellung dargestellter Art
„Wie schauerlich weht uns dies alles, wie aus dem Grabe uralter Vergangenheit an! Sollte man glauben, dass so etwas noch geglaubt wird?“ (Friedrich Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches, 113)
über das Leben und Leiden real existierender Lebewesen zu stellen, das Recht auf freie Berufsausübung über Leid, Schmerz und Angst von Tieren zu stellen, die dem Menschen in seiner Leidensfähigkeit in nichts nachstehen.
Ein Staat, ein Mensch, der Phantasiewelten höher bewertet als das Leid in der Realität, hat sich moralisch diskreditiert, tritt alle menschlichen Werte und Wertvorstellungen in den Dreck des Profits, des eigenen Vorteils – er hat sich zum moralischen Paria zurückentwickelt. Solange Ehrfurcht vor dem Leben nur Ehrfurcht vor Menschenleben beinhaltet, ist jeder Humanismus grotesk und wertlos.
Es kommt aber noch eine weitere Komponente hinzu. Innerhalb der Glaubensvorschriften werden die absurdesten Anweisungen, den Menschen betreffend, ausgeblendet und nicht befolgt. Mag es noch bei jedem einzelnen ein Privatvergnügen sein, sich an Kleidungs-, Waschungs- und Ernährungsvorschriften zu halten, die Tausende von Jahren zurückliegen, mag er diese Regeln zur Befriedigung seiner eigenen geistigen Sklaverei bis zum Exzess befolgen; er behindert und stört damit niemanden. Und dies ist der Punkt, der mit Religionsfreiheit gemeint ist!
Kein Privatvergnügen ist es hingegen, wenn so konsequent, wie die menschbezogene Anordnungen der Todesbefehle in den „heiligen Schriften“ nicht befolgt werden, genauso konsequent Todesbefehle, welche die wehrlose Tierwelt betreffen, ausgeführt werden. Wir stehen vor einem sittlichen Skandal, einer ethischen Unredlichkeit erster Güte, einem moralischen Verbrechen.
Kulte des Monotheismus – und jeder Monotheismus ist fundamentalistisch, anthropozentrisch und totalitär – propagieren durchgängig einen Anthropozentrismus, der in das Museum der Absurditäten, in das Horrorkabinett frühmenschlicher Riten gehört. Wir stehen vor einem Spagat einer Lügenwelt, die versucht, archaische Vorschriften zur eigenen Machterhaltung auf dem Rücken der Ärmsten der Armen, auf dem Rücken der unschuldigen Tierwelt auszuleben.
Ihre Forderungen – vor diesem Hintergrund beleuchtet – zeigen, dass Sie ein anmaßender anthropozentrischer Rassist, im Fachjargon Speziesist, sind, dem Ethik, Moral und Empathie nichts gelten, sobald die Artengrenze des Menschen überschritten wird.
Da nun der angerissene Themenkomplex in diesem Brief nicht in extenso erörterbar ist, abschließend noch ein kleiner Hinweis für Sie persönlich zur Anwendung und Relevanz religiöser Riten, die Sie ja gern, lautstark und vehement fordern.
Ist Ihnen die biblische Anweisung aus dem 3. Buch Mose, 20,13 bekannt? Wenn nicht, dann helfe ich Ihnen, damit Sie nicht nachschlagen müssen:
„Wenn jemand bei einem Manne liegt wie beim Weibe, so haben sie getan, was ein Greuel ist und sollen beide des Todes sterben; ihr Blut sei auf ihnen.“
Wäre wohl ziemlich fatal für Sie, würde man religiöse Anweisungen kritiklos umsetzen, nicht wahr? Deshalb fordern Sie für andere Lebewesen nicht, nie mehr, was Sie selbst nicht erleiden wollen!
Zusammenfassung:
Schächten ist eine der grausamsten Methoden, ein Tier zu töten. Vorgebliche Begründung für die Notwendigkeit des Schächtens sind Religionsvorschriften, die bis zu ca. 2.800 Jahre zurückreichen. Diese archaisch-brutalen Vorschriften werden mit rigider Konsequenz allerdings nur gegenüber der wehr- und rechtlosen Tierwelt umgesetzt.
Angebliche Gottesvorschriften aus der gleichen Zeit, die Brutalität, Genozid und Mord gegen Menschen fordern, befolgt man heute so gut wie nicht mehr, da diesem abstrusen Treiben die weltliche Gesetzgebung inzwischen einen Riegel vorgeschoben hat. Und dabei muss es bleiben!
Lieber Herr Beck, eigentlich haben Sie doch bei den Rosa Funken in Köln eine wunderbare Heimat, einen schönen Platz, der Sie befriedigen sollte und niemand würde Ihre universelle Unbildung auf manchen Gebieten und Ihren kriecherischen politischen Opportunismus bemerken. Aber wie schrieb Kurt Tucholsky:
Mit verständnislosen Grüßen„Die Politik war bei uns eine Sache des Sitzfleisches, nicht des Geistes“
Dr. Gunter Bleibohm
„Ceterum censeo progeniem hominum esse deminuendam“. (Prof. Dr. Bernhard Grzimek)
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