Dienstag, 20. Mai 2008

B.N. und Franz Johannknecht





Es ist doch unter den unterschiedlichsten Regimen immer wieder dasselbe; die Oberen bestimmen wo es lang zu gehen hat und eilfertige Bonzen und Möchtegernbonzen in der Provinz setzen dies eilferig und oft 150 %ig um. Dabei schiessen sie in ihrer kleinbürgerlichen Geltungssucht oft über das Ziel der Regierenden hinaus. Das war so im Kaiserreich, in der Weimarer Republik, unter Hitler, unter der SED-Herrschaft und das ist nicht viel anders heute. Schauen wir uns doch bloss die Hartz-IV-Gesetze an – ja die sind menschenverachtend und mehr als schlimm, aber was dann oft kleine Sachbearbeiter noch draufsatteln zu den schon schlimmen Gesetzen, dies spottet oft jeder Beschreibung. Was da so tagtäglich abgeht an Rechtsbrüchen und Schikanen der Arbeitslosen durch Sachbearbeiter auf der unteren Ebene, dies kann man in dem hoch interessanten Tacheles-Forum lesen
( http://www.tacheles-sozialhilfe.de/forum/default.asp ) . Man erschrickt, was da so alles in dem heutigen Deutschland möglich ist. Bei all diesen unmöglichen Zuständen ist es vollkommen fehl am Platz wenn deutsche Politiker sich als Lehrmeister gegenüber anderen Ländern aufspielen und dort Menschenrechtsverletzungen bemängeln. Es gibt im eigenen Land genug an derlei Dingen, doch da sieht man gern drüber hinweg.

Dieser typisch deutschen Willkür unterer Chargen war auch die Kunst in der DDR ausgesetzt. So war es oft nur eine persönliche Abneigung eines kleinen Funktionärs und ein Künstler wurde ausgegrenzt, andere dagegen hofiert und mit Aufträgen überhäuft. Nun das ist heute nicht viel anders, nur damals war es oft existenzbedrohend, weil die Künstler nicht aus der DDR heraus konnten, der heutige Künstler der etwas kann, der aber in seinem eigenen Krähwinkel durch Seilschaften nicht hoch kommen soll, der sagt sich nach einiger Zeit: „Was solls, soll ich Perlen vor die Säue werfen? Wenn meine Kunst nur im Ausland ankommt, dann arbeite ich eben nur für das Ausland, dann kann mich dieses Deutschland mal .... (das bekannte Götz von Berlichingen-Zitat)!“

Als Jugendlicher ab ca. 16 Jahren besuchte ich sehr gern die wechselnden Ausstellungen in der Staatlichen Galerie Schloß Georgium in Dessau. Es war immer eine große Freude die Galerie zu besuchen, allein schon wegen der netten Frau Appel. Frau Appel war eine Institution! Hochgebildet, Kunstkennerin ersten Ranges, war sie dem Regime aber irgendwie auch mal in Ungnade gefallen. Da genügte ja schon eine rein persönliche Amusität und dann kam man aus der Ecke nicht wieder raus, in die einen die Cliquen an der Macht und die Stasi auf Ortsebene gedrückt hatten. Jedenfalls auch Frau Appel bremste man beruflich aus, ließ sie zeitlebens nur einfache Galerieaufsicht machen, die damals sehr, sehr schlecht bezahlt wurde. Sie hochbegabt und Kunstkennerin blieb auf dem einfachen Hilfsposten sitzen, während andere regelrechte Dummköpfe die Leiter in der Kultur hochgepuscht wurden, und die noch heute zum Teil auf einträglichen Posten in der Kultur ihren Dienst so daher schieben können. Jedenfalls machte es Frau Appel Spaß auch individuelle Führungen für mich ganz allein durch die Galerie zu veranstalten, die hundertmal wissenschaftlicher waren als die offiziellen Führungen. Meistens unterhielt ich mich noch mit Frau Appel über alles mögliche in Kunst und Kultur und sie war es auch die mich an Künstler heranführte die eben nicht dem offiziellen sozialistischen Realismus frönten. Zu diesen gehörte neben Carl Marx und Max Schwimmer eben auch Franz Johannknecht. Daß die Dessauer Kulturverantwortlichen Carl Marx aushungern wollten, dies war bekannt. Hätte Marx nicht seinen Vater gehabt, der ihn mit seiner Rente mit ernährte, dann hätte er viele Jahre lang keinen Pfennig mit seiner Kunst verdient und hätte, wie das die Dessauer Cliquen an der Macht gern gehabt hätten, als Hilfsarbeiter den miesesten Job annehmen müssen. Während viele andere Künstler von staatlichen Stellen alimentiert wurden, so machte man Marx das Leben schwer indem man ihm diese Dinge verweigerte. Es war ja so, daß z.B. ein Schriftsteller in der DDR nur ein einziges Buch schreiben brauchte, was eventuell kein Mensch lesen wollte, weil es DDR-Müll war, man aber in den Schriftstellerverband aufgenommen wurde, dann hatte man ausgesorgt, denn dann bekam man einen Patenschaftsvertrag mit einem Betrieb mit einem Monatshonorar von 600 Mark, für welches man so gut wie gar keine Gegenleistung zu erbringen hatte, eventuell mal die Brigadetagebücher durchsehen oder den betrieblichen Zirkel schreibender Arbeiter leiten. Ähnlich war es bei den bildenden Künstlern, die bekamen als Mitglieder des Verbandes bildender Künstler auch diese Patenschaftsverträge und leiteten dann Malzirkel von Laien an. Dies war dann die Existenzgrundlage eines jeden cliquenkonformen Künstlers, hinzu kamen dann oft noch Aufträge die hoch bezahlt wurden, so daß manch Maler oder Bildhauer für ein einziges Werk oft soviel Honorar bekam wie ein Arbeiter in 10 Jahren nicht verdiente. Während nun Carl Marx durch Hallenser Kulturverantwortliche Ende der 70er Jahre aus den Dessauer Fängen geholt wurde und dadurch auch die Dessauer ihn nicht mehr ganz so links liegen lassen konnten, der Maler Max Schwimmer eigentlich nur vor einem Boykott deshalb verschont blieb weil er vor 1933 Mitglied der KPD war und man sich nicht die Blöße geben wollte einen alten Genossen zu schikanieren, hatte Franz Johannknecht diese Lobby leider nicht und zeitlebens wurde er vom offiziellen DDR-Kunstbetrieb ignoriert. Im Prinzip hatte man dadurch sein Künstlerleben zu Teilen zerstört, denn Johannknecht konnte seine Kunst nur nach Feierabend ausüben und dies ist für einen Künstler schlecht, ein Künstler muß mit Haut und Haaren künstlerisch tätig sein und es müssen ihm alle Stunden des Tages und der Nacht dafür zur Verfügung stehen und nicht nur ein paar Stunden nach des Tages Fronarbeit.

Persönlich habe ich Franz Johannknecht leider nie kennengelernt, durch Frau Appel aber auf ihn aufmerksam geworden, hatte ich ihn schätzen gelernt. Ein paar wenige Grafiken hatte ich dann über einen anderen Sammler von Johannknecht erwerben dürfen, an denen ich mich noch heute erfreue. Zum ersten Mal werden diese Grafiken der Öffentlichkeit gezeigt, exklusiv hier im B.N.-Blog. Ich wünsche den Lesern meines Blogs viel Freude beim Anschauen der Bilder von Franz Johannkecht!

Nachfolgende Kurzbiografie ist vom Kunstmuseum Magdeburg übernommen, wo 2007 eine Ausstellung der Werke von Franz Johannknecht stattfand:

1903 in Düsseldorf geboren, studierte Franz Johannknecht 1928 - 1933 an der Staatlichen Kunstakademie seiner Heimatstadt, unter anderem als Meisterschüler bei Werner Heuser und Ewald Mataré. 1933 gehörte er zu jenen Künstlern, die unter dem Verdikt der "Entarteten Kunst" mit Arbeitsverbot belegt wurden. Einer Dienstverpflichtung führte ihn 1938 nach Dessau. 1944 wurde er zum Volkssturm einberufen und geriet bald darauf in belgische Kriegsgefangenschaft. Als er 1946 nach Dessau zurückkehrte, war sein bis dahin Geschaffenes den Bomben zum Opfer gefallen.Zunächst entstanden Aquarelle und Zeichnungen, figürlich bzw. nach der Natur. Obwohl (vermutlich) 1956 aus dem Verband bildender Künstler der DDR aus-geschlossen, dem er seit 1951 angehört hatte (seine Kunst war nun nach offizieller Lesart zu dekadent), verließ er die DDR nicht. Er blieb seinem künstlerischen Weg treu, der in einem erheblichen Maß von seinem katholischen Glauben geprägt war. Kaum übersehbar ist die Fülle seiner Feder- und Pinselzeichnungen; daneben schuf er Linolschnitte und Collagen, teilweise auch in leuchtenden Farben als Hinterglasarbeiten. Außerdem gestaltete er Entwürfe für Teppiche und vor allem Kirchenfenster, von denen aber nur wenige zur Ausführung kamen. Franz Johannknecht arbeitete in der Regel nicht rein gegenstandslos; er verschlüsselte vielmehr, abstrahierte ähnlich einem Kalligraphen. In der Regel aber lieferte er keinen konkreten Schlüssel, sondern setzte ausschließlich auf den Eindruck, das Gefühl beim Betrachten. Gleichwohl evoziert seine Formensprache durchaus immer wieder Assoziationen an Raum und Figur.1974 starb Franz Johannknecht - nahezu unbekannt. Während er nach 1955 in der DDR nicht mehr ausstellen konnte, wurden seine Arbeiten - durch Freunde vermittelt - zwischen 1965 und 1975 gelegentlich in westdeutschen Galerien gezeigt. Erst die zaghafte Öffnung der DDR gegenüber der Abstraktion um 1980 machte die Arbeiten Franz Johannknechts einem breiteren Publikum bekannt.

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