Montag, 3. August 2020

Ein abwechslungsreiches Berufsleben, welches keine Last sondern Lust war

Daß aus meinem ehemaligen Schulkameraden Axel später mal nichts werden würde, das wußte ich schon als Kind. Obwohl Axel aus einem gutbügerlichen Hause stammte, war er schon als Kind eher eine trübe Tasse, allerdings mehr schüchtern und gehemmt, aber nicht proletenhaft. Dieser Tage telefonierte ich mit ihm, fand ihn im Telefonbuch, wollte ihm sagen, daß er auf den Fotos auf meinem Blog als Mitschüler zu sehen ist. Ich war erstaunt, statt eines schüchternen Menschen, wie ich ihn von früher kannte, einen prollhaften, sehr gewöhnlich sprechenden Typen am Telefon vorzufinden. Das Arbeiterleben, welches er eingeschlagen hatte, hatte ihn wahrscheinlich geprägt. Garantiert waren seine Eltern unglücklich darüber. Er hatte wohl 40 Jahre in der gleichen Fabrik als Arbeiter gearbeitet, sich nie zu höherem qualifiziert, nie mal etwas neues angefangen. Die letzten Jahre BRD, waren wohl mit ABM und so ausgefüllt, aber näheres erwähnte er nicht. Da wir uns weit über 50 Jahre nie wieder begegnet waren, fragte er auch nach meiner beruflichen Laufbahn. So richtig schlau wurde er nicht daraus, was ich in Kurzform sagte, aber ich hatte keine Lust lang und breit alle meine beruflichen Aktivitäten aufzuzählen, da ich merkte, daß er in einem ganz anderen Milieu war als ich. 

Ich bin immer wieder erstaunt, daß viele Menschen sich immer mit dem begnügten was sie hatten, nie den Drang hatten auch beruflich immer wieder etwas neues auszuprobieren. Eines stand für mich nach einer Lehre als Industriekaufmann im VEB Waggonbau Dessau fest, daß ich nie in einer Fabrik arbeiten wollte, auch nicht als Angestellter im Büro. Allein schon der Rhythmus der festen Arbeitszeit von früh bis zum späten Nachmittag mit vorgeschriebenen Pausen und dann dieser Arbeiter-Kollektivismus, widerten mich an. Ganze 14 Tage arbeitete ich da noch, genau die Zeit der Kündigungsfrist nach Abschluß der Lehre, was die Abteilung wo ich arbeitete sehr enttäuschte. Die hatten gedacht, daß ich da für viele Jahre bleiben würde, vielleicht dann noch ein Fernstudium als Ökonom machen und in die SED eintreten, doch da hatten sie die Rechnung ohne mich gemacht. Ein Fernstudium machte ich zwar später noch, aber eines was mich interessierte: Literatur!

50 Jahre liegen zwischen beiden Fotos von mir, links als junger Bildreporter bei der LDZ und in diesem Jahr bei der Begutachtung von antikem Schmuck (Grauenvoll wie häßlich man im Alter aussieht!):



Daß ich nach meinem Start in das Berufsleben von der Industrie als Bildreporter zur Liberaldemokratischen Zeitung ging, darüber habe ich hier schon öfter geschrieben, siehe: 
http://barrynoa.blogspot.com/2008/01/altes-bn-als-reporter-bei-der-ldz-teil.html,
http://barrynoa.blogspot.com/2008/01/altes-bn-als-reporter-bei-der-ldz-teil_21.html, http://barrynoa.blogspot.com/2009/10/altes-bn-als-reporter-bei-der-ldz-teil.html. Es war zwar wenig Geld, was ich verdiente, da nicht fest angestellt, sondern als Freiberufler arbeitete, aber es machte mir riesigen Spaß, zumal ich auch ab und an Aufträge von anderen Publikationen bekam, wie den "Dessauer Informationen" und dem Jugendmagazin „Neues Leben“, siehe: http://barrynoa.blogspot.com/2008/01/altes-bn-und-neues-leben.html und
http://barrynoa.blogspot.com/2008/02/das-mdchen-liane.html .

Nach ein paar Jahren lechzte ich nach mehr Geld und nahm eine Stelle an als Sachbearbeiter für Investitionen im Handel. Da war ich zwar nicht unfrei, mit eigenem Büro, abseits von dem des Chefs und konnte auch, durch die Besuche in Verkaufsstellen, mich öfter aus dem Büro entfernen, aber auf die Dauer war das nichts für mich. Da bot mir Frau Kroker, sympathische Leiterin des Kreiskabinetts für Kulturarbeit, an, doch in der Kultur zu arbeiten, das würde doch viel besser zu mir passen. Nach einem Jahr Einarbeitung im Kreiskulturhaus „Maxim Gorki“ als Veranstaltungsleiter bekam ich mein erstes Klubhaus der Werktätigen als Klubhausleiter, erst ein kleines, dann wurden die Klubhäuser größer, bis hin zum Theaterleiter des Fortschritt-Kinos in Dessau, wo ich über 20 Beschäftigte unter mir hatte.

An diesen Arbeitsstellen schätzte ich, daß ich selber bestimmen konnte, wann ich zur Arbeit kam, was ich machte, natürlich immer an die Zeit von Veranstaltungen gebunden, die meistens am Abend stattfanden. Aber das gefiel mir, besonders der Kontakt zu Kulturschaffenden. Arbeit im Sinne von Last war das für mich nicht, sondern es war eine Lust dort wirken zu können, siehe: 
http://barrynoa.blogspot.com/2014/02/altes-als-klubhausleiter-im-klubhaus.html und http://barrynoa.blogspot.com/2008/06/bn-im-jahre-1980.html . Eigentlich war das in meinem ganzen Berufsleben so, von wenigen Ausnahmen abgesehen, daß ich mit großer Freude die Arbeit machte.

An eine befristete Stelle denke ich gern zurück. Als Dessau das Bezirkstanzfest des Bezirkes Halle ausrichten mußte, suchte die Abteilung Kultur beim Rat der Stadt Dessau Organisatoren für das Fest. Man sprach mich an, ob ich Interesse hätte und ich sagte zu. Es war eine schöne Zeit, allerdings nur 5 Monate lang. Ich mietete im Kreisjugendklubhaus ein Büro an, welches separat zu erreichen war, engagierte Mitstreiter und organisierte das Fest, welches im Tiergarten stattfand. Ein zweites kleines Minibüro richtete ich mir in einem kleinen Wohnwagen ein, den wir im Tiergarten stehen hatten. Es war eine tolle Zeit und das Fest lief später bestens ab. Auch da hatte ich freie Hand was die Arbeitszeit anlangte, nur alle 14 Tage ging es zum Rapport zur Abteilung Kultur.

Aber ich war nie geldgierig, sondern schmiß sogar gut bezahlte Stellungen hin, nur um etwas neues zu beginnen, was mir noch mehr Freude machte, so z.B. die Stelle als Privatsekretär einer Kunstwissenschaftlerin, siehe: http://barrynoa.blogspot.com/2008/02/charlotte-timmling-und-bn.html oder die Mitarbeiterstelle, 4 1/2 Jahre lang, beim einzigen damaligen Antikhandel in Dessau, beides Stellen, die nur mäßig bezahlt wurden, aber viel  Freude und Freizeit mit sich brachten, so bei der Kunstwissenschaftlerin nur ein paar Stunden am Nachmittag und ebenso beim Antikhandel. Nebenher konnte ich schreiben und fotografieren. 

Einmal konnte ich allerdings einem gutbezahlten Angebot nicht widerstehen und nahm die Stelle eines Leiters der Allgemeinen Verwaltung in einem Großhandel an. Das Geld stimmte, aber die Arbeit gefiel mir dennoch nicht und kurzerhand machte ich mich wieder freiberuflich, freiberuflicher Bibliothekar auf dem Dorf, an zwei bis drei Tagen je ein paar Stunden Öffnungszeit, dazu ein paar Wochenstunden Bücher aus der Stadtbibliothek holen, dazu noch bei Bedarf zwei alte Herren betreuen, die Verfolgte des NS-Regimes waren, sie zu Veranstaltungen fahren und sehen, daß es ihnen an nichts fehlte. All diese Arbeiten waren mit viel Freizeit verbunden und kein Chef konnte einen kommandieren. Das war mir wichtiger als ein paar Mark mehr in der Tasche. 

Dann kam die Wende und die Stadtbibliothek zahlte kein Honorar mehr. Es hieß also sich neu zu erfinden. Es folgten einige Jahre mit einer Verkaufsgalerie mit angeschlossener Videothek und Spielothek, die ich mutig aufmachte, siehe: http://barrynoa.blogspot.com/2010/07/1990-die-neue-gewerbefreiheit-mit.html . Die Miete für das große Objekt stieg später ins unermeßliche, so daß ich den Absprung wagte und in die Amalienstraße als reines kleines Antikgeschäft umzog, siehe: http://barrynoa.blogspot.com/2010/06/die-dessauer-amalienstrae-und-nowacks.html

Als die ganze Häuserzeile abgerissen wurde, meldete ich mich arbeitslos. Nach nur drei Wochen bot mir das Arbeitsamt eine auf ein Jahr befristete Mitarbeiterstelle in der Bahnhofsmission an. Ablehnen war kaum möglich, da man jede Stelle annehmen mußte und die Stelle war auch nicht schlecht, da zwar an feste Arbeitszeiten gebunden, aber dennoch sehr interessant und etwas ganz anderes als ich vorher gemacht habe. Die soziale Arbeit mit Obdachlosen habe ich nicht bereut und mir die Augen geöffnet über das ungerechte BRD-System.

Als das Jahr vorbei war, machte ich einen Antikhandel in Roßlau auf, siehe: http://barrynoa.blogspot.com/2009/09/bn-und-sein-kunst-und.html. Auch diese Zeit hat mir sehr gut gefallen, war so meine Welt. Das Haus in dem mein Geschäft war, wurde verkauft und ich machte den Laden nach ein paar Jahren dicht und ich machte im „Kiez“ mein „Atelier für aktive Kunst“ auf, siehe: http://barrynoa.blogspot.com/2008/03/bn-und-sein-atelier-im-kiez.html und gründete nach einiger Zeit einen kleinen Kunstverlag, ein reines 1-Mann-Unternehmen, wo ich vornehmlich meine eigenen Bücher, Publikationen und Grafiken vertrieb, siehe: http://barrynoa.blogspot.com/2008/12/der-tanatra-kunst-verlag-empfiehlt_15.html

Ja und nun bin ich seit einigen Jahren Rentner und vertreibe mir die Zeit mit meinem Blog und als ehrenamtlicher Schätzer für Schmuck, siehe: http://barrynoa.blogspot.com/2020/06/freude-edlem-schmuck.html

Auf jeden Fall hat mir dieses abwechslungsreiche Berufsleben viel besser gefallen, als jahrzehntelang in einem Büro zu sitzen oder gar als Arbeiter in einer Fabrik zu arbeiten und auf die Kommandos eines Chefs hören zu müssen. Aber die Menschen sind unterschiedlich und was ich als Last empfunden hätte, sehen andere als selbstverständlich an und finden es gut. Mir wäre so ein Berufsleben uninteressant gewesen. Auf Arbeit zu gehen und dies als Last zu empfinden, dazu ist das Leben zu kurz. Arbeit muß Freude machen, so  habe ich es gehalten. 

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