Sonntag, 17. Januar 2010

"Dessau otschen kaputt"






Kennen Sie noch den ersten sowjetischen Stadtkommandanten nach dem 2. Weltkrieg von Dessau, den Oberst Romanjuk? Ein tüchtiger und human denkender Mann übrigens, dessen Ausspruch, als er das erste mal Dessau 1945 sah, war, wie überliefert wurde: „Dessau otschen kaputt! Kein Wunder nach den angloamerikanischen Bombardements die 85 % Dessaus in Schutt und Asche legten, und dies noch kurz vor Kriegsende, allein aus dem Grund die Zivilbevölkerung zu treffen und deren Lebensgrundlagen zu vernichten, denn militärisch war dies nicht mehr nötig, wie dies sogar alliierte Militärs später zugaben.


Nach dem Krieg hieß es dann „Bau auf, bau auf!“ Mühselig wurde wieder Wohnraum geschaffen. Nicht nur das, aus eigener Kraft (da half kein Marschall-Plan!) wurden sogar Kultureinrichtungen gebaut, wie die vielen Klubhäuser der Werktätigen oder z.B. das Waldbad mit der tollen Gaststätte. Ja und heute? Nach der Wende? Überall Abriß, Verfall, und Schrumpfen des kulturellen Angebots. Das schöne Klubhaus der Werktätigen in Süd, mühselig von vielen freiwilligen Helfern im Nationalen Aufbauwerk durch NAW-Stunden (kostenlos) erbaut, wurde einfach abgerissen, mußte Platz machen für einen häßlichen Supermarktbau von NP. Das Waldbad, wie gern ging man da früher hin, nutzte die gepflegte Gaststätte, dies natürlich zu erschwinglichen Preisen für jedermann und nicht wie heute zu Preisen die sich nur noch die Bourgeoisie leisten kann, ja diese Gaststätte ist seit langem dicht, wie so vieles seit der Wende.


Ja und die wenigen alten Bauten die der 2. Weltkrieg noch stehen gelassen hatte, die die Zeit der DDR überstanden hatten, die wurden jetzt brutal und ohne Geschichtsbewusstsein abgerissen. Besonders denke ich da an die Häuser in der Amalienstraße gegenüber dem Hochhaus an der Kreuzung. Hier hatte ich mal einen Antiquitätenladen nach der Wende. Außer mir gab es noch ein Reisebüro, ein Klempnerbüro, ein Bausparkassenbüro und eine Quelle-Agentur. Ja, wir alle mußten weichen, die ganze schöne alte Häuserzeile aus dem Jahre 1900 wurde abgerissen, mußte Platz machen für diesen stadtarchitektonisch für eine Innnenstadt völlig unpassenden Bau von Lidl nebst Parkplatz.

Ja und Dessau-Süd, dieser Stadtteil verkommt immer mehr zur Geisterstadt mit den vielen Blocks der Eisenbahner-Siedlung, direkt an der Hauptstraße, die man leergewohnt hat. Nun das neueste Bubenstück der jetzigen Verantwortlichen! Es werden direkt an der Hauptstraße ganze Blöcke abgerissen, nicht etwa aus Baufälligkeit, nein, sondern wegen des sogenannten „Rückbaus“, einem Programm welches in seiner Perversität nicht zu überbieten ist, denn es werden gerade für Mieter erschwingliche Wohnungen vernichtet. Ich habe vorgestern ein paar Fotos von dem Abriß von Wohnblöcken gemacht, die so aussahen wie der Block rechts. Diese abgerissenen Blöcke enthielten bezahlbare Einraumwohnungen. Preiswerte Einraumwohnungen die in Dessau immer knapper werden, die Hartz-IV-Empfänger aber dringend brauchen, weil das Jobcenter nur niedrige Mieten übernimmt. Ja diese Abrisse sind in höchstem Maße unsozial, unökonomisch, unökologisch, moralisch verkommen, weil man ohne Not kaputt macht was von der Bevölkerung früher hier unter großen Mühen aufgebaut wurde.


Vor ein paar Tagen schrieb mich der Blogleser Thomas Ziller aus München an und gab mir recht was den Niedergang Dessaus anbetraf. Thomas Ziller stammt aus Dessau und schrieb einen interessanten Beitrag in einem Dessau-Blog zu diesem Thema, den ich den Lesern meines Blogs empfehlen möchte:

http://dessau-blog.de/2008/12

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