Donnerstag, 7. Januar 2010

In diesem Winter sind bereits mindestens zehn wohnungslose Männer erfroren

Heutige Pressemitteilung der Bundesarbeitsgemeinschaft "Wohnungslosenhilfe" e.V. in Deutschland


In diesem Winter sind bereits mindestens zehn wohnungslose Männer erfroren

Am 21. 12. 09 hatte wir die beigefügte Pressemitteilung „Mindestens vier Wohnungslose auf der Straße erfroren“ abgesetzt. Leider mussten wir die Zahl der uns bekannt gewordenen erfrorenen Wohnungslosen inzwischen korrigieren. Nach unserer aktuellen Kenntnis sind bislang mindestens zehn wohnungslose Männer erfroren. Ich füge Ihnen unsere Aktualisierung bei. Unsere wichtigsten Forderungen, ausführlicher formuliert in der Pressemitteilung vom 21.12.09, haben sich nicht verändert und sind in der Aktualisierung nochmals kurz zusammengefasst.

Die BAG Wohnungslosenhilfe e.V. bekräftigt ihre Appelle und Forderungen an die Kommunen:

Keine menschenunwürdige Asyle, sondern Ermöglichung eines Mindestmaßes an Privatsphäre

Dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten für kleinere Gruppen von Wohnungslosen (auch mit Hunden)

Schutz und Sicherheit vor Diebstahl und Gewalt

Großzügige Öffnungszeiten der Unterkünfte (auch tagsüber und nachts)

Keine Befristung des Aufenthaltes auf wenige Tage pro Monat

Telefonische Notrufe bei denen gefährdete Menschen gemeldet werden können

Öffnung von U-Bahnstationen, Bahnhöfen und anderen geeigneten öffentlichen Gebäuden

Diese Appelle richten sich nicht nur, aber vor allem an Kommunen im ländlichen Raum und an Klein- und Mittelstädte.

BAG Wohnungslosenhilfe fordert bedarfsgerechte Hilfeangebote


"Leider müssen wir davon ausgehen, daß noch weitere Wohnungslose die kalten Tage nicht überlebt haben, denn der BAG W werden auch nur die Fälle bekannt, über die in der Lokalpresse berichtet wird", erklärte Dr. Thomas Specht, Geschäftsführer der BAG Wohnungslosenhilfe in Bielefeld. "Wenn jemand nach Nächten im Abbruchhaus mit einer akuten Erkrankung in ein Krankenhaus eingeliefert wird und dort stirbt, taucht dieser Mensch als Kälteopfer in keiner Übersicht auf."

Auffällig ist, daß die meisten Toten in Klein- und Mittelstädten zu beklagen sind. Darüber hinaus kann festgestellt werden, daß vor allem ältere Wohnungslose unter den Opfern sind.Während in vielen Großstädten inzwischen bedarfsgerechtere Hilfeangebote vorgehalten werden und durch Kältebusse die Versorgung im Rahmen der Winternotprogramme besser geworden ist, ist das Hilfeangebot im ländlichen Raum, in Klein- und Mittelstädten immer noch unzureichend. Oft wird überhaupt kein Hilfeangebot vorgehalten oder der Aufenthalt im Obdachlosenasyl wird rechtswidrig befristet. Viele Einrichtungen stellen ein Angebot zur Verfügung, das von den Betroffenen nicht angenommen wird. Es ist den Kommunen bekannt, daß Betroffene sich weigern, Quartiere mit großen Mehrbettzimmern aufzusuchen, weil sie Angst vor Diebstahl, Gewalt und Schmutz haben. Wohnungslose bleiben in der Kälte, wenn sie ihren Hund nicht mit unterbringen können. Es gibt zu wenig Unterbringungsmöglichkeiten für Paare.

Und immer mehr Wohnungslose sind nicht mehr bereit, gängelnde und bevormundende Hausordnungen zu akzeptieren: Anstatt sich um 20.00 Uhr in einem Nachtasyl wegschließen zu lassen, entweder weil später niemand mehr aufgenommen wird oder weil die Habe aus Sicherheitsgründen bewacht werden muß, versuchen viele Wohnungslose ihr Leben auch unter widrigsten Bedingungen noch so selbstbestimmt wie möglich zu organisieren. Die hohe Zahl der Älteren unter den Kälteopfern ist auf ihren allgemein schlechten Gesundheitszustand, als Folge eines Lebens "auf Platte" zurückzuführen. Es zeigt sich aber auch, daß sich diese Menschen nach vielen negativen Erfahrungen vom Hilfesystem abgekoppelt haben. "Wenn Asyle und Notunterbringungen auch bei Minustemperaturen leerstehen, heißt das nicht, es gibt keinen Bedarf", sagte Thomas Specht. "Es ist vielmehr ein Armutszeugnis. Einrichtungsbetreiber und Kommunen müssen endlich das Recht der Wohnungslosen auf Individualität und Selbstbestimmung akzeptieren."

Seit Jahren appelliert die BAG deshalb an die Kommunen, von menschenunwürdig ausgestatteten Asylen Abstand zu nehmen. Statt dessen sollten dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten für jeweils nur eine kleinere Zahl von Wohnungslosen geschaffen werden. Wichtig ist, daß die Betroffenen ggf. als Gruppe untergebracht werden können, daß sie auch ihre Hunde mitbringen können, daß sie keine Angst vor Diebstahl und Gewalt haben brauchen. Benötigt werden Unterkünfte mit Einzelzimmern, die ein Mindestmaß an Privatheit garantieren, in denen sich die Betroffenen auch tagsüber aufhalten können und die ggf. auch noch nachts aufgesucht werden können. Es muß ein Bleiberecht geben, d.h. Schluß sein mit der rechtswidrigen Befristung des Aufenthaltes auf einen oder wenige Tage pro Monat. Die Stadtverwaltungen sollten telefonische Notrufe einrichten und die BürgerInnen dazu auffordern, diesem Notruf sofort zu melden, wenn sie einen Wohnungslosen sehen, der in Gefahr ist, Opfer der Kälte zu werden.

Die BAG Wohnungslosenhilfe appelliert angesichts der erhöhten Gefahr durch die frostigen Temperaturen, wohnungslosen Männer und Frauen ordnungsgemäß und menschenwürdig unterzubringen. Dieser Appell richtet sich vor allem an Kommunen im ländlichen Raum und an Klein- und Mittelstädte. Es ist auffällig, dass in den letzten Wintern überproportional viele Kältetote in Klein- und Mittelstädten und in den ostdeutschen Bundesländern zu beklagen waren. Aber wie die Toten dieses Winters zeigen, sind Wohnungslose auch in Städten mit einem dichteren Hilfeangebot stark gefährdet.

Darüber hinaus sind in diesen Tagen notwendig:

- Keine Vertreibung wohnungsloser Menschen aus Einkaufspassagen, U- und S- Bahnhöfen

- Zulassen des Aufenthalts wohnungsloser Menschen in Bahnhöfen der DB

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