Wie alles begann – der Hund Lenn und B.N.
Die ersten Jahre des Lebens von Lenn liegen im Dunkeln, bekannt ist allerdings, daß er in Bad Blankenburg bei einem Schäferhundzüchter der Bundeswehr zur Welt kam.Inwieweit er nun bei der Bundeswehr als Diensthund eingesetzt war, dies ist unklar. Klar ist, daß er irgendwann an Wachschutzunternehmen verkauft wurde und irgendwann lange Zeit zur Bewachung des Asylbewerberheims in Dessau seinen Dienst als Wachhund leisten mußte. Ab wann er nun da vom Dienst ausgemustert wurde und in die hinterste Ecke des Heimgeländes verbannt wurde, dies liegt zeitlich im Dunkel. Eben dieser Bundeswehrmann, der Lenn schon als Welpen hatte, rief später mal im Asylheim in Dessau an wie es denn Lenn gehen würde. Dort bekam er zur Antwort, daß Lenn leider gestorben sei!!! Eine Antwort die erschauern läßt bei einem Hund der da noch lange lebte. Wollte man mit dieser Antwort verhindern, daß die Bundeswehr mal nachschaute wie es Lenn geht und man sich scheute denen zu zeigen wie Lenn leben mußte? Fragen über Fragen! Klar ist nur, daß verantwortliche Stellen wissen mußten, daß es diesen Hund gibt, aber die sich nicht darum kümmerten. Sind es etwa die Stellen, die in den letzten Tagen so vehement darauf pochten, daß der arme Lenn im Besitz vom Tierheim sei und andere keinen Anspruch auf das Wohl und Wehe des Hundes hätten? Wo war denn der Tierschutzverein Dessau-Roßlau all die vielen Jahre wo er einsam und verlassen auf diesem verkommenen Gelände im Asylheim hinvegetieren mußte, bei Wind und Wetter unter einem alten überdachten Fahrradständer lebend, keine Kontakte zu Menschen oder anderen Tieren habend, nur darauf hoffend, daß ein Asylheim-Pförtner der ihn lange kannte ihm karges Futter und Saufen brachte? Wie sah es aus, wenn dieser Mann freie Tage hatte, nicht kommen konnte? Nach meiner Recherche traute sich niemand weiter auf das Gelände, weil dieser Lenn ja ach so gefährllich sei.
Ich lernte Lenn kennen, als ich einmal durch Zufall auf das Gelände des Asylbewerberheims kam und da auch mal in die hinterste verlassene Ecke des Geländes schaute. Hinter einem Busch sah ich etwas braunes hervorschauen. Im ersten Augenblick dachte ich an ein Reh, da kaum etwas zu erkennen war, doch dann merkte ich, daß es ein Schäferhund war. Als Hundefreund rief ich ihn an und versuchte, daß er hinter dem Busch hervorkommen möge, damit ich ihn hinter dem Zaun (sein Gelände war eingezäunt, d.h. er konnte da nicht entkommen) mal streicheln könnte. Doch weit gefehlt, er rührte sich nicht! Das kam mir merkwürdig vor, denn normal wäre es gewesen wenn man an einen Bereich eines Hundes kommt, daß dieser seinen Bereich verteidigt und zumindestens bellt. Oder es käme die Möglichkeit in Betracht, daß er neugierig an den Zaun kommt, aber sich hinter einem Busch verstecken, dies ist so gar nicht Hundeart, sondern ließ auf einen höchst verstörten und verängstigten Hund schließen.
Ich ging nun zum Pförtner und fragte, was da wohl mit diesem Hund los sei. Da erhielt ich nun folgende Auskunft: Dieser Hund sei von der alten Betreiberfirma des Asylheimes zurück gelassen worden, vor ein paar Monaten wäre das Asylbewerberheim privatisiert worden und hätte einen neuen Besitzer, den Hund könne man nicht mehr gebrauchen und er, der Pförtner, solle ihn auch nicht mit nach vorne zu den Menschen nehmen, sondern er solle da hinten bleiben. Auf meine Entgegnung, daß ein Hund doch nicht mutterseelenallein dort hausen könne, da das nicht artgerecht sei, zuckte er nur mit den Schultern und meinte, daß doch ein anderer Pförtner auf das Gelände gehen würde und ihm Futter und Wasser geben würde, man habe extra einen Sack mit Trockenfutter gekauft und da bekomme er schon immer mal was, die Chefin macht da schon mal 10 Euro locker(!). Auch erfuhr ich, daß der Hund Lenn hieß und sie dies immer als „Lönn“ ausgesprochen hätten. Ich könne den Hund gern haben, nehmen Sie den mit, den wollen wir sowieso loswerden, der Boss habe schon versucht, daß er getötet wird, doch das ist von der Stadt abgelehnt worden, da gesunde Hunde nicht getötet werden dürfen, und gesund sei er, nur ein „wenig“ dünn. Wie nur ein „wenig“ dünn der arme Lenn war, dies merkte ich als ich ihn das erste mal in Gänze sah.
Diese Auskunft ließ mich nicht ruhen, ich ging rüber zum Penny-Markt der in der Nähe des Asylheims liegt und kaufte ein paar Sachen die einem Hund schmecken und die gehaltvoller sind als die minderwertige Büchsennahrung die für Hunde bestimmt ist, und die großenteils aus Fleischabfällen besteht die für den menschlichen Verzehr nicht mehr geeignet sind. Mit Leckereien bewaffnet ging ich also wieder zu dem Gelände von Lenn, stellte das Futter durch den Zaun und rief ihn. Doch Pustekuchen, er kam nicht, so lange ich auch rufen konnte. Nun dann machte ich es eben anders, ich entfernte mich demonstrativ und schlich mich an einer Mauer entlang leise zurück und beobachtete hinter dem Mauerversteck, was da passieren würde. Nach ca. 10 Minuten kam ein Häufchen Elend dort angeschlichen, sehr dünn mit schlechtem Fell und fiel mehrmals hin während des Weges zum Zaun. Zielstrebig steuerte er meine Futterstelle an und gierig verputzte er in Windeseile das Futter. Ich zeigte mich nun hinter der Mauer in gebührender Entfernung. Lenn sah mich eine Weile ruhig an, aber als ich auf ihn zuging entfernte er sich wieder und verschwand in den Büschen, da half auch mein Rufen nichts, Lenn kam nicht vor. Dies war der erste Tag des Kennenlernens von Lenn. Um es kurz zu machen und nicht jeden Tag zu erwähnen, es klappte jeden Tag besser, 4 Wochen lang ging ich täglich ins Asylheim zu Lenn, hielt mich dort ca. 45 Minuten bei ihm am Zaun auf und schon nach ca. 8 Tagen kam er schon gelaufen, wenn er mich mit meiner Futtertasche sah und hörte. Am liebsten fraß er gekochtes Rinder-oder Hühnerfleisch und er vertilgte Unmengen, so daß mir schon Angst und Bange wurde, wie ich dies weiter finanzieren könnte. Von Tag zu Tag wurde er kräftiger, schon nach 14 Tagen fiel er beim Kommen nicht mehr um. Doch wie sollte es weiter gehen, ich konnte doch nicht immer jeden Tag den weiten Weg dorthin machen und den Hund nehmen, dies wollte ich nicht aus privaten Gründen, da dachte ich, daß er im Dessauer Tierheim gut aufgehoben wäre, denn im Asylheim konnte er ja wohl schlecht bleiben in dieser Einsamkeit.
Ich suchte den Tierschutzverein im Dessauer Tierheim auf, schilderte dort die Situation. Man zeigte Entgegenkommen was die Futterkosten anlangte und ich bekam eine wirklich ausreichende Menge Futter für die nächsten 14 Tage gesponsert. Was allerdings das Schicksal von Lenn anlangte dort im Asylheim leben zu müssen, da hielt man sich aus unerfindlichen Gründen bedeckt. Selbst ist der Mann dachte ich, nach eine paar Tagen ging ich einfach zum Amtstierarzt Dr. Möller in die Wallstraße und schilderte dort den Fall. Das Verhalten von Dr. Möller war korrekt. Ohne Zeitverzug nahm er sich des Falles an, dies muß man fairerweise sagen, und wies die Beschlagnahme des Hundes wegen schlechter Haltung an. Das Tierheim, was für weggenommene Hunde zuständig ist, holte den armen Lenn dann mit seinem Transportfahrzeug ab und neuer Besitzer von Lenn war nun das Tierheim Dessau.
Auf Wunsch von der leitenden Mitarbeiterin Frau Franz mich doch weiter um den Hund ein wenig zu kümmern und ihn öfter zu besuchen, kam ich jeden Tag ins Tierheim um nach Lenn zu schauen. Daß nun Besucher gern gelitten sind, die dort ein wenig helfen, womöglich auch Bargeld spenden, dies merkte man, aber wenn jemand jeden Tag kam und dieses und jenes zu bemängeln hatte, dies schien mir denn doch unerwünscht zu sein. Allein schon wenn man monierte, daß dem Lenn als er in Narkose gesetzt wurde um ihn zu röntgen, vergessen hatte bei dieser Gelegenheit die Krallen zu stutzen, so wie es angeordnet war, aber der Hundepfleger dies schlicht vergessen hatte, dies machte einen nicht beliebter. Auch wunderte ich mich, daß ich ab ein paar Tagen dem Hund, obwohl er noch ein ziemlich räudiges Fell hatte, die bisher von mir gereichte hochwertige Fleischkost nicht mehr bringen durfte, er hätte nun nur noch Heimkost zu bekommen, Zufütterung sei verboten. Wo war der arme Lenn da hingeraten? In eine Besserungsanstalt für straffällige Hunde? Naja, mir schwante da schon nichts Gutes, war aber doch noch recht blauäugig, zumal es einige Verantwortliche dort gab, die sich gegenüber denen durchsetzten die den armen Lenn schon damals einschläfern wollten. Zum Glück für Lenn setzten sich die Vorstandsmitglieder Franz und Göricke aktiv für das Leben von Lenn zum damaligen Zeitpunkt ein. Auch kam er durch diese Beiden aus einem wahren Loch von Zwinger in einen besseren Zwinger und da er sich als wahrer lieber Schmusehund erwies, durfte er am Tage für ein paar Stunden unter einer Überdachung verbringen, wo immer mal Gäste des Tierheims, Gassigeher und Beschäftigte des Tierheims ihn streicheln konnten, was er sichtlich genoss. Mit der Zeit bekam er ein glänzendes Fell, nicht zuletzt durch die heimlichen Gaben von bestem Fleisch die Herr Kossack, einer der beiden Paten die sich für Lenn engagierten, und ich ihm bei unseren täglichen Spaziergängen mit Lenn zur Mulde herunter, gaben. Diese Spaziergänge genoß Lenn über alle Maßen und er wollte nie gern zurück in seinen Zwinger. Auf unserem Stammplatz dort machten wir lange Rast und dort wurde auch gestreichelt, gekratzt und dem Nico und Frau Zwoch zugeschaut, die in einiger Entfernung sich aufhielten. Nico war ein behinderter kleiner Hund, der nur durch die tägliche ehrenamtliche Arbeit dieser Frau Zwoch einigermaßen wieder auf die Beine kam nach seiner Einlieferung in schlimmsten Zustand ins Tierheim.
Ängstigen mußten allerdings die Stimmen die von Anfang an den armen Lenn hätten einschläfern wollen, da kamen schon arge Bedenken auf, ob wohl das Tierheim ein sicherer Ort für Lenn wäre. Ich erinnere mich noch an einen Satz einer leitenden Mitarbeitern des Heimes, schon an den ersten Tagen als Lenn dort war, die in etwa so lauteten:“ Herr Nowack, Sie müssen Vertrauen zu uns haben, wenn Lenn eingeschläfert werden soll, dann überlassen Sie das bitte uns, wir werden das schon nicht unüberlegt machen“! Daß man nun wenige Tage nach Einlieferung von Lenn und wo es täglich mit ihm bergauf ging, eine Tötung schon im Hinterkopf hatte, dies machte mich mißtrauisch und an blindes Vertrauen war da nicht zu denken, frei nach Lenin: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.
Dass dieser Spruch Berechtigung hat, dies zeigte sich im täglichen Kampf mit vielen bürokratischen Heimregeln. Z.B. konnte ich nie verstehen, daß Lenn schon 16.00 Uhr eingeschlossen wurde, in seinem Zwinger bis früh um 8.00 Uhr ausharrren mußte, dann gab es Futter. Von Nachmittags 16.00 Uhr hatte nun Lenn seine Blase angehalten die ganze Nacht lang, dann das Futter früh um 8.00 Uhr bekommen und nun mußte er noch 2 Stunden „ruhen“ bevor er aus dem Zwinger durfte und ich mit ihm Gassigehen durfte? Vor um 10.00 Uhr durfte Lenn nicht raus. Seine Blase war oft so übervoll, daß er schon einen Meter nachdem er aus dem Zwinger gelassen wurde, minutenlang Wasser abließ, so daß es gar nicht wieder aufhören wollte – ein riesiger See unter ihm. Auf meine Frage, wieso man denn diese schlimme Ordnung praktiziere, bekam ich zur Antwort, daß dies eine Anordnung sei, die Hunde müssten sich nach dem Essen ausruhen!!! Mit voller Blase, die unwahrscheinlich drücken mußte? Man konnte nur mit dem Kopf schütteln über derlei Disziplin und es war nur natürlich, daß ich dann ab und an mal einen Brief über einige Vorkommnisse an die Verantwortlichen des Tierheims schrieb, aber auf all diese Schreiben oder Mails habe ich nicht eine einzige Rückantwort bekommen. Ein Stil der eigentlich Bände spricht.
Bernd Nowack