Samstag, 30. Oktober 2010

Beiträge zur anhaltischen Mundart - Teil 2



Es freute mich sehr, daß der Blogleser Marcel Michaelis aus Rheda-Wiedenbrück (dorthin wegen der Arbeit gezogen, ansonsten ein alter Dessauer) mich anschrieb und mir anbot bei meiner neuen Serie zur Anhalter Mundart mitzumachen. Prima! Wie sich bei einem Telefonat herausstellte ist Marcel Michaelis mit der Thematik der Anhalter Mundart sehr befaßt und als Hobbyforscher beschäftigt er sich seit Jahren intensiv damit. Heute mal ein paar Gedichte aus seiner Feder, denn Michaelis schreibt selbst in Mundart Gedichte und Kurzgeschichten.

Marcel Michaelis

Unse Anhältsch

Unse Anhältsch is keen Jift,
Nich in Wort un nich als Schrift.
Un hamm ma fremne Ohrn ze knawwern,
So tun mor ähm`nd in Anhalt schlawwern.

Unse Anhältsch is keen Jift,
S´ is noch keener dran jeschtorm.
Un ejal wo de Welt uns trifft,
Se bleiwet unse Uniform.

Unse Anhältsch is keen Jift,
Schpricht ooch dor Dudn jejn uns.
Jerade was`ses mir un mich betrifft,
So schlawwert Anhalts Hinz un Kunz.

Unse Anhältsch is keen Jift,
Un so wurres ooch immer bleim.
Drum is ejal mit was forn Schtift,
Mor werns uff Anhältsch schreim.

Unsern Dessauer Mundarttopp

Ich liewe unsern Mundarttopp,
Jefillt von unse Mundartdichter.
Hugo Jäger war sonn Sonnenkopp,
Unn ooch dor ahle Erich Richter.

S´ Karlchen-Dessau dor Wittig Karl,
Mit seinen Witz- unn Zwerchfijurn,
Erheitert mich een jedes ma,
Läs ich de jeschriemnen Schpurn.

Een Willibald mit Namens Krause,
Der war bekannt wie mancher Hund.
War in Dessau-Waldersee ze Hause,
Unn kuhktes Volk jarne uffn Mund.

Dor John`tzer Bauer Hoffmann Friederich,
Schrieb uns ooch een Mundartbuch,
Von John`tzer Jungens schriepe briederlich,
Unn vonnen ahlen Harzohks Jaachdbesuch.

Bernhard Heese un Franz Abendroth,
Jeheern noch nin in buntn Topp.
Die buhkn ooch ihr Mundartbrot,
In dor Schtadt vom Sonnenkopp.

In Dessaus Mundarttopp da bin ich rinjefalln,
Unn hawwe `n jroßn Schluck jenommn.
Ich hahle se fest mit Adlorkralln,
Wie se mich in Kopp jekommn.

For alle die ich hier vorjessn hawwe,
De Lewendjen wie ooch de Toten.
Ich trare de Mundart nich ze Jrawe,
Das hat dor ahle Wäschke mich vorboten.

Dessau 2001

In Dessau jiwwets ville Sonne,
Sonnenköppe un ooch Schtrolche.
Janz seltn sieht mor ma ne Nonne,
Doch die jiwwets ooch als solche.

In Dessau sahd mor mir un mich,
Un denne meestns noch vorkehrt.
Da loofn un da latschn se sich,
Un dor Dudn hat keen wert.

In Dessau da wird vill jetratscht,
Ofte tun ses janz scheen scheltn.
De Jroßbetriewe alle breitjelatscht,
Un Arweetsplätze jiwwets seltn.

In Dessau wern vill Koffer jepackt,
De Jurend macht Richtungk Westn.
Janze Heiserreihn schtehn leer un nackt,
Verlassn im Fruste dor Erpresstn.

In Dessau schtarwet de Heimat aus,
Se jeht verlorn, de Identität.
Wer fiehlt sich wohl, wer sich zu Haus,
Ohne zu wissn wie`s weiterjeht!

Dessau zweetausnduneens,
Du bist een traurijes Jedichte.
Drum winsch ich mich nur eens,
Werd schnell Jeschichte.

De Zeit

Mor wärn oft von de Zeit jefesselt,
Jekwählt, jetriemn jeschundn.
Mor fühlt sich oft wie injekesselt,
Un vorfolcht von de Sekunden.

Mor hamm ofte keene Zeit,
Nich ma ans Wochenende.
Das Haus dor Jartn schreit,
Nach fleißje Arweetshände.

Uns fehlt de Zeit an alle Ecken,
Fors Hobby, Arweet un Vorjniejen.
ob frieh morjens jlei beis wecken,
Oder wemmer ahms ins Bette liejn.

Zeit ist kostbar un teuer,
Un nich Eener hält`se fest.
Verbrennt alle wie ein Feuer,
Was sich nicht füttern läßt.

Dazu ein paar Postkarten aus dem alten Anhalt um 1900 aus meiner Sammlung von historischen Postkarten: eine Prägekarte mit dem herzoglichen anhaltischen Wappen (1901), eine humoristische Karte „Gruß vom Dessauer Jahrmarkt“ (1902), eine Fotopostkarte mit der Ansicht des Hauses Ballenstedter Straße 4 (1910) und eine Fotopostkarte (ohne Jahresangabe) mit der rückseitigen Bezeichnung „Briefempfang am Wall, Dessau“.

Donnerstag, 28. Oktober 2010

Beiträge zur anhaltischen Mundart - Teil 1


Bisher ist in meinem Blog nur sehr wenig über unsere anhaltische Mundart erschienen, dies obwohl ich dieser sehr verbunden bin und sie liebe. Es soll sich ändern, liebe anhaltischen Heimatfreunde. Heute noch einmal ein Foto des wohl bekanntesten neuzeitlichen Autoren der in anhaltischer Mundart schrieb: Willibald Krause (Kräußchen), mit dem ich bis zu seinem Tode bekannt war. Willibald Krause trat auch bei bunten Abenden auf, so im Klubhaus der Werktätigen Törten, wo ich seinerzeit Klubhausleiter war und bei einer dieser Veranstaltungen hatte ich  Kräußchen als anhaltischen Humoristen eingeladen und daher stammen auch Foto und Widmung von ihm. Außerdem noch ein Link zu einem Beitrag hier im Blog zu Hobusch, wo ja bekanntermaßen noch heute auf dem Kräuterlikör gleichen Namens Schnurren des Hobusch in anhaltischer Mundart zum Besten gegeben werden: http://barrynoa.blogspot.com/2009/10/bn-und-hobusch.html .

Dieser Tage schrieb mich der anhaltische Mundartfreund Gerhard Nickel freundlicherweise an, der erst jetzt auf meinen Blog gestoßen ist und über dessen in anhaltischer Mundart geschriebene Email ich mich sehr gefreut habe, Grund genug diese Zuschrift den Lesern des Blogs nicht vorzuenthalten, zumal sie über die Herkunft des Wortes Sonnenkopp (Bezeichnung für Dessauer) aufklärt:

Bin jetzt erscht off die Adresse jekom’n so bei’s stöwern in das Internet!“
Ich liewe unsere mundart un versuche so von Zeit zu zeit ooch ma willer
Wi een jelernte Dessauer zu schreim.
Is nu ma awwer ja niche so eenfach
Were ma die Seite von Dessau verfoljen.
Oochma glei een hinweis
Das was de leite immer meenen mit „Sonnenkopp“
Is jlowwe nich janz richtich
So woie ich das ma jeleert hawwe jegricht
Heeßt das der Sonnkop!
Kimmet so na ch de Jeschichte vom jroßen March tun derwar
Vor den Buden an de Marienkirche (Schloßkirche)
Un jing ejentlich so
De Marchtweiber von Jonitz oder Dellnau
Stan‘ da mit ihre Salat un Kohlköppe
Und de jnädige Madam aussen Ziebich oder aus die neuen Häuser
Da im Norden so also de Fornehm ‚m Damens
Die wusst ‚n doch meestens niche was ‚se so wollten,
un da hamm ewen die Marechtweiwer jesacht
Na , wollen se nu so‘n Kopp oder so’n Kopp

Sie meinten damit aber die Kohlköpfe oder Salatköpfe
Daraus hat sich dann der Begriff „Sonnenkop“ entwickelt
Bin ein geborener Dessauer und lebe immer noch hier
Weil ich die Stadt liebe mit all ihren Schatten und Sonnenseiten
Und schreibe (versuch) immer mal nach Lust und laune
Das dessauische „Off’s Papier! Zu bringen!
Danke
Gerhard Nickel

Mittwoch, 27. Oktober 2010

Schneewittchen und die Wallwitzburg


Dessauer Heimatfreunde kennen meine Beiträge zum Dessau-Wörlitzer Gartenreich hier im Blog. Einer dieser Beiträge handelte von der Wallwitzburg, siehe: http://barrynoa.blogspot.com/2009/06/der-nordliche-dessauer-georgengarten.html . Um den Wiederaufbau bemüht sich mit Erfolg ein Verein, siehe: http://wallwitzburg.de/ . Ich konnte diesem rührigen Verein mit einer alten Ansicht der Wallwitzburg helfen und seitdem besteht ein Kontakt dorthin. Da ist es Ehrensache, daß auch ich ein wenig die Werbetrommel für das am 5. November in der Dessauer Marienkirche um 20.30 Uhr stattfindende Konzert zugunsten der weiteren Rekonstruktion der Wallwitzburg rühre.

Zum dritten Mal in Folge ist „Schneewittchen“ auf der Bühne, siehe obiges Flugblatt. Wer nicht weiß wer „Schneewittchen“ ist und was auf die Besucher zukommt, der schaue mal auf die Homepage der Künstler: http://www.schneewittchenmusik.de

Aus der Ankündigung des Konzertes:

In der Pause:
Turmaufstieg mit Blick über das nächtliche Dessau
Gastronomische Versorgung und Einlass ab 18.30 Uhr!
Karten ab sofort ab 9 Euro + VVK bei:
Ticket-Online und Eventim.de
Bis Reihe 10 nummerierte Plätze. Ab Reihe 11 freie Platzwahl.
Der Eintrittspreis versteht sich als Spende an den Verein und kann höher oder niedriger ausfallen oder entfallen!

Dienstag, 26. Oktober 2010

Der Neolith-Teich bei Aken und seine Wildgänse



Was ist spätrömische Dekadenz heute? Bestimmt sind es nicht die Reste des deutschen Sozialstaates die ein Guido Westerwelle damit betitelt, mit der Absicht diese Reste auch noch zu zerschlagen. Als dekadent und im höchsten Maße unchristlich finde ich die sogenannten Hubertusgottesdienste der evangelischen Kirche, ein Grund für mich, unter anderen, dieser Kirche nicht anzugehören.


„Einladung zum Hubertusgottesdienst
am 3. November 2007 um 18.00 Uhr -
Kirche St. Bartholomäi zu Zerbst
Mit den Hubertusbläsern und dem Posaunenchor
17.30 Uhr Jagdhornbläsergruppe Zerbst
Für das leibliche Wohl wird nach dem Gottesdienst im abendlichen Ambiente der Sommerkirche gesorgt. Jagdhornklänge, Feuerschein, Wildgulasch, Schwein am Spieß, Glühwein und vieles mehr.“

- so warb die evangelische Kirche für so einen Gottesdienst. In ein paar Tagen, am 30.10.2010 findet ein ähnlicher „Gottesdienst für Jäger und Jagdfreunde“ (so die Ankündigung) in der Lausigker Kirche (ebenfalls Evangelische Landeskirche Anhalts) statt.

Daß eine Kirche die sich auf Jesus Christus beruft extra Gottesdienste für Jäger und Jagdfreunde veranstaltet, dies sehe ich als spätrömische Dekadenz an, wird dadurch doch das Töten von Tieren als voll im Einklang mit dem christlichen Glauben hingestellt. Wieso die Kirche Jäger und Jagdfreunde hofiert, läßt tief blicken. Statt dieser Hubertusgottesdienste mit anschließendem „Schwein am Spieß“ wäre es nötiger die Menschen mit Sondergottesdiensten zu ehren, die als Tierschützer z.B. an den Zugrastgewässern unserer Heimat versuchen dem üblen Treiben vieler Jäger Einhalt zu gebieten, dies leider nur mit mäßigem Erfolg, denn die Lobby der Jäger ist groß und zu dieser Lobby gehört scheinbar auch die evangelische Kirche. Daß nun diese Tierschützer die wahren Christen sind, auch wenn sie vielleicht überhaupt keiner Kirche angehören, dies liegt auf der Hand.

Heute machte ich einen kleinen Ausflug zum Naturschutzgebiet Neolith-Teich, zwischen Aken und Köthen gelegen, und ich erfreute mich an den dort Rast machenden Wildgänsen, dies allerdings aus der Ferne, denn ich wollte die Wildgänse nicht aufscheuchen. Daß diese sehr scheu sind, dies bemerkte ich an ein paar Exemplaren die in meiner Nähe waren. Sofort als sie mich sahen, flogen sie auf und davon. Mit Recht, denn von Menschen, besonders den Jägern haben sie nichts gutes zu erwarten.

Zum Naturschutzgebiet Neolith-Teich (Auszug von
http://www.lvwa-natur.sachsen-anhalt.de/koethen/nsg0088.htm ):

Das NSG ist eines der bedeutendsten Zugrastgewässer für nordische Gänsearten in Sachsen-Anhalt. Bis zu 40.000 Saatgänse (Anser fabalis) und Bläßgänse (Anser albifrons) übernachten von September bis Ende Dezember im Gebiet. Die Höchstzahl wird meist Ende November - Anfang Dezember beobachtet. In milden Wintern verbleiben bis zu 5.000 Gänse im Gebiet.

Auf den Seiten von NABU (Naturschutzbund Deutschland) -Köthen, steht nun mehr als erschreckendes, was auf die Jägerschaft Anhalts ein bezeichnendes Licht wirft (Auszug aus http://www.nabu-koethen.de/gaense.htm ):

Gänse verenden qualvoll durch Schrotbeschuss am Neolithteich

Mitteldeutsche Zeitung 13.11.03

Am Neolith-Teich verenden jeden Morgen mehrere Gänse qualvoll, die von Jägern angeschossen, aber nicht getötet worden sind. Das teilt der Naturschutzbund Köthen (NABU) mit. Auch in diesem Jahr würden die Gänse beim Verlassen ihres Schlaf-gewässers im Biosphärenreservat wieder mit Schrot bejagt. Hunde, die die Tiere aufspüren könnten, seien vermutlich oftmals nicht eingesetzt worden. Die Sinnhaltigkeit dieser Aktionen, so die Tierschützer, sei fragwürdig. Der NABU setzt sich für ein Gänsejagd-Verbot in S.A. ein.
Noch immer (2005!) ist keine grundlegende Änderung der Jagdpraxis an diesem NSG festzustellen:
Bisher ist es nicht gelungen, die Jagdpraxis am Neolith-Teich und weiteren Bereichen dieses Europäischen Vogelschutzgebietes wesentlich zu ändern. Durch Behörden und Jagdverband ist eine Änderung in Aussicht gestellt, die aber in den kommenden Jagdsaisons umgesetzt und überprüft werden muss.
Selbstgestellter jagdlicher Grundsatz ist: "Das ist des Jägers höchst Gebot, was Du nicht kennst, das schieß nicht tot"; einige der Grünfräcke machen aber in der Praxis daraus: "Das ist des Jägers höchst Gebot, was Du nicht kennst, das schieß mit Schrot". Und genau um diese Anprangerung der unwaidmännischen Jagd und Verstoß gegen Tierschutzregelungen geht es.
Genau dieser Fakt des Schießens mit Schrot in Vogelschwärme verstößt nach unserer Auffassung gegen geltendes Naturschutzrecht, weshalb wir auch weiterhin darauf hinweisen (Bundesnaturschutzgesetz, Abschnitt 5: Schutz und Pflege wild lebender Tier- und Pflanzenarten, § 42,1 und 3): "Es ist verboten, wild lebende Tiere der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen, zu töten ..., wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europ. Vogelarten an ihren Nist-, Brut-, Wohn- oder Zufluchtsstätten durch Aufsuchen, Fotografieren ... zu stören."
Bei der derzeitigen Jagdpraxis kann aber vom Schützen unter den gegebenen Umständen in der Regel nicht die Artzugehörigkeit eindeutig festgelegt werden, so dass sich ein Abschuss aus dem Vorhergesagten verbietet.
Dazu kommt der ausführlich dargestellte Fakt, dass in zu hoch fliegende Vogelschwärme geballert wird, so dass es nicht zum schnellen Tod eines Tieres, sondern zum Verletzen und Verludern von Tieren kommt …)

Die schöne Fahrt zum Neolith-Teich, mit den wunderbaren Panoramen von Licht, Wolken und schwarzer anhaltischer Erde und der wunderbaren Natur am Neolith-Teich (siehe heutige Fotos) war durch dieses Wissen um das Schicksal der Wildgänse getrübt. Wieviele der dort sich gerade aufhaltenden Wildgänse werden wohl auf ihrem Weiterzug im Jahre 2010 noch so abgeknallt werden? Und dies eventuell von Jägern, die als „fromme“ Kirchgänger aus einem dieser Hubertusgottesdienste kommen und dort ihren „Segen“ für ihr Tun bekommen haben. Oder sollte die Moral der anhaltischen Jäger in den letzten Jahren sich so gebessert haben? Eher ist zu befürchten, daß deshalb kaum noch Wildgänse in der kommenden Jagdsaison geschossen werden, weil sich die Anzahl der bei uns sich aufhaltenden Wildgänse drastisch weniger geworden ist.  

Samstag, 23. Oktober 2010

Goldener Oktobertag in Wörlitz und im Luisium



Was für ein goldener Okobertag heute! Da nicht das Dessau-Wörlitzer Gartenreich zu genießen, dies wäre geradezu sträflich. Daß nun strahlende Sonnentage im Oktober „Goldener Oktober“ heißen, dies wird einem an der goldenen Herbstfärbung etlicher Laubbäume klar. Ein wahrer goldener Farbenrausch der einen da erfreut! Nach einem Spaziergang in den Wörlitzer Anlagen mußte es noch ein Abstecher zum Luisium sein, zu schön war das Wetter und auch die Bäume im Luisium warteten um bewundert zu werden. Wie meistens bei einem Spaziergang in Wörlitz ging es auch in die Anhalt-Dessauische Wildkammer (siehe Gebäude des ersten Fotos). Die Wildschwein-Bratwürste mit Bärlauch und der Wildschwein-Kochschinken, dort käuflich zu erwerben, sind immer ein besonderer kulinarischer Genuß, den ich mir nicht entgehen lasse.

Obwohl man als Dessauer schon etliche Male die Schlösser und Schlößchen des Dessau-Wörlitzer Gartenreiches auch von innen besichtigt hat, reizt es einen immer wieder in diese reinzugehen, zumal der Eintritt ein sehr erschwinglicher ist. Heute war mal wieder, kurz vor der Winterpause, das Schlößchen im Luisium dran. Der erhabene edle Geist dieses Hauses umfängt einen sofort. Sowohl die Architektur eines Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff (1736-1800), die Inneneinrichtung mit den zauberhaften Deckenmalereien, die Gemälde und das gesamte Interieur sind umwerfend schön und so ein Besuch läßt einen immer wieder die Niederungen des Alltags für einige Zeit vergessen.

Der Dichter Friedrich von Matthisson (1761-1831) wirkte im Luisium seit 1795 his zum Tode der Fürstin Louise 1811 als Vorleser und guter Freund der Fürstin. Es ist nicht verwunderlich, daß ich nachfolgende Verse von ihm besonders liebe:

DER MALER
Selig wie Götter, durchschweb’ ich den Himmel der Kunstideale,
Wo mit der Palme von fern Raphaels Genius winkt.
So muß die ärmlichste Kost sich mir in Ambrosia wandeln
Und mir die Nymphe des Borns reichen der Hebe Pokal.
Friedrich von Matthisson

Freitag, 22. Oktober 2010

Der "Gewebeatlas" von Rudolf Lohse und die GHG Textilwaren Dessau



Weshalb ich mich mit Stoffen bestens auskenne, dies liegt einzig und allein an einem Buch welches ich schon als Kind gern anschaute. Rudolf Lohses „Gewebeatlas“ aus dem Fachbuchverlag Leipzig von 1956 stand bei uns zuhause im Bücherschrank und was das faszinierende für mich war, dies waren die 243 Original-Stoffmuster darin. Das Buch gehörte Vater, der ja vor dem Krieg Textilkaufmann gelernt hatte, siehe: http://barrynoa.blogspot.com/2008/01/tod-des-vaters.html , und der in den 50er Jahren bis Anfang der 60er Jahre Direktor der Großhandelsgesellschaft Textilwaren Dessau (anfangs: Großhandelskontor Textilwaren Dessau) gewesen war. Gerade durch die originalen Stoffmuster auf den Tafeln in dem Fachbuch konnte man Stoffe geradezu erfühlen und unterscheiden. Durch dieses Blättern in dem Buch als Kind haben sich die verschiedensten Stoffarten mir tief eingeprägt und ich könnte noch heute die Eigenschaften eines Cheviot, eines Donegal, eines Whipcord oder eines Ulsterstoffes mit angewebten Futter (alles Herren-Anzugsstoffe) benennen, bei den vielen sonstigen Stoffarten sieht es nicht viel anders aus.

Erschreckend die Unwissenheit heutiger Textilverkäuferinnen! Ab und an hatte ich mir mal den Spaß gemacht solcherart „Fachverkäuferinnen“ bis hin zu Abteilungsleiterinnen, zu testen – das Ergebnis war erschreckend, sie wußten so gut wie nichts (Ausnahme bei der Fa. Druschke). Vater war absoluter Textilkenner und paßte für den Posten in einer Textilgroßhandelsgesellschaft, aber schon seine Nachfolgerschaft in diesem Betrieb zu DDR-Zeiten konnte man voll vergessen. In den 80er Jahren zu Ende der DDR hatte ich das zweifelhafte Vergnügen mit den „Fachleuten“ dieses Betriebes zu tun zu haben, der sich nun „Sozialistischer Großhandelsbetrieb Textilwaren“ nannte – das Fachwissen in der Materialkunde war gleich null bis in die höchste Spitze hinauf. Stattdessen haute man mächtig auf den sozialistischen Putz, so wie im Großen in der DDR gab es dort eine kleine Diktatur und Cliquenwirtschaft, eben die typischen DDR-Endzeit-Seilschaften von kleinbürgerlichen SED-Typen die mit echtem Sozialismus nur die Phraseologie gemeinsam hatten. Normale Werktätige wurden wie überall in der DDR ausgebeutet und unterdrückt, dies von den, wie es Enver Hoxha einmal treffend nannte, „Cliquen an der Macht“.

Ich kannte ja Vaters Betrieb noch von den 50er und 60er Jahren her, da ich als Kind öfter mal dort war. Ein Unterschied wie Tag und Nacht zu den 80er Jahren, schon was die Gemeinschaft anlangte. Einen schwer lungenkranken Menschen, der schon dürr und elend wie ein Schwindsüchtiger im Endstadion herum lief, als Heizer zu verpflichten, ihm die Gesundheit kaputt zu machen durch die schwere Arbeit mit Massen an Kohleschippen und Glut ziehen, dies wäre meinem Vater als Humanist nicht eingefallen, in den 80er Jahren erlebte ich diesen Fall dort so, der mich sehr an die gnadenlose Ausbeutung im Manchesterkapitalismus erinnerte: selbstherrlicher diktatorischer Direktor und Parteibonzen oben und unten die unterdrückten ausgebeuteten Werktätigen. Zu Wendezeiten wurden die volkseigenen Betriebe privatisiert. Die Folge: Die damaligen Ausbeuter blieben lange Zeit noch an der Macht, wohingegen die normalen Werktätigen in die Arbeitslosigkeit geschickt wurden. Von einem Betrieb in Zeitz ist mir bekannt, daß der ehemals über 100 Beschäftigte hatte und nach 1990 nur noch 12 von der alten Mannschaft dort tätig waren, ausnahmslos alles SED-Mitglieder und alle ehemals die Unterdrücker der Werktätigen in Funktionen als Parteileitungsmitglieder, BGLer, Kampfgruppenchefs und dergleichen herrschende Schicht des revisionistischen SED-Regimes der DDR-Endzeit.

Mittwoch, 20. Oktober 2010

Deutsche Nachbarschaftshilfe?


Das Ausländerthema scheint derzeit in Deutschland ein Thema zu sein, was in aller Munde ist. Da veranstaltet die bürgerliche Medien-und Politikermeute eine regelrechte Hetzjagd gegen den Buchautor Sarrazin, als wenn es keine Freiheit des Wortes mehr gäbe, aber hochrangige Politiker, wie CSU-Chef Seehofer, können ohne großen Gegenwind Sarrazins Thesen bekräftigen, unter dem Motto: Was Müller nicht darf, darf Meier schon lange! Und man fängt an im Sinne Sarrazins praktische Politik zu machen, siehe u.a. die Forderung, daß hier lebende Ausländer die deutsche Sprache lernen müssen. Die Verwirrung ist dann komplett wenn Bundespräsident Wulff mit seinem Ausspruch ankommt, daß der Islam zu Deutschland gehört. Da werden dann Islam und Ausländer in einen Topf geworfen und beide Themen verknüpft. Daß der Islam, der in der heutigen Zeit orientalische mittelalterliche Züge aufweist, nicht zu Deutschland gehören kann, dies sollte wohl jedem einleuchten, dem der gesellschaftliche Fortschritt der europäischen Aufklärung seit 1750 am Herzen liegt. All die Errungenschaften von damals und aus der Zeit um 1900 und 1968, wie Gleichberechtigung, persönliche Freiheit, sexuelle Freiheit, Freikörperkultur und anderes, sind sowieso schon massiven Angriffen von reaktionären deutschen Kräften ausgesetzt und nun noch der legalisierte Einfluß islamistischer Traditionen? Beschneidung von kleinen Jungen (eine legale Körperverletzung und ein schlimmer sexueller Mißbrauch), die Unterdrückung von Mädchen und Frauen (siehe Kopftuch und Bevormundungen), Zwangsheiraten, der Einfluß islamischer Religion auf das tägliche Leben der Gläubigen, mit täglichem mehrmaligen vorgeschriebenem Gebet, dem Fastenmonat und dem Zwang zum Moscheebesuch, sowie die Vorschriften zum Fleischkonsum, welche massenweise unnötiges Tierleid verursachen (Schächten = Töten ohne Betäubung), all dies soll nun salonfähig werden? Ausländer ja, aber kein zurück in mittelalterliche Zustände!

Wenn nun, wie von Wirtschaftsminister Brüderle, der verstärkte Zuzug von qualifizierten Ausländern nach Deutschland gefordert wird, dann ist das kein überzeugendes Argument bei so vielen qualifizierten Arbeitslosen. Ein wesentlich überzeugenderes Argument ist der Gewinn an mehr Menschlichkeit in Deutschland durch den Zuzug von nichtislamistischen Ausländern, denn noch immer bestimmen die schlechten Eigenschaften preußisch-spießbürgerlicher deutscher Traditionen das gesellschaftliche Leben in Deutschland, wie fehlende Solidarität untereinander, Bürokratenungeist, Obrigkeitshörigkeit und dergleichen mehr. Durch mehr ausländische Mitbürger könnte dieses negative Deutschtum zurück gedrängt werden. Daß ausländische Mitbürger schon jetzt eine Bereicherung darstellen, dies zeigt sich oft an kleinen Dingen im Alltag:

Eine Bekannte von mir, Rentnerin, zog im vorigen Jahr innerhalb Dessaus um. Für den Umzug nahm sie eine Umzugsfirma, allerdings hatte sie in ihrem Keller noch ein altes schweres Büffet, welches sie nicht in ihre neue Wohnung mitnehmen wollte. Es sollte als Sperrmüll auf die Straße. Sie hätte nun eine Firma bestellen können, die mit vier Mann dieses schwere Möbel hochgeschleppt hätten, aber dies hätte wieder einen Batzen Geld gekostet, was bei einer Kleinrentnerin nicht vorhanden ist. Leider wohnten in ihrem Block nur deutsche Nachbarn und ihre Anfragen mit der Bitte um Hilfe bei den Nachbarn - oft kräftige Personen jungen und mittleren Alters - die schlugen fehl, auch das Angebot, jedem 5 Euro zu geben, wurde ausgeschlagen. Merkwürdigerweise lehnten dies auch Hartz-IV-Empfänger ab und meinten, für so wenig Geld würden sie dies nicht machen. Nachbarschaftshilfe oder der moralischen Pflicht einer alten Frau mal zu helfen, dies war sowieso klar, daß davon Deutsche nichts von halten! Und nun das interessante, diese ältere Frau war bislang immer gegen Ausländer, hatte keine gute Meinung von ihnen, aber drei Jugendliche mit Migrationshintergrund, die zufällig das Betteln bei den Nachbarn mitbekommen hatten, die dort zufällig lang schlenderten, die boten der verdutzten Rentnerin an, den Schrank zu transportieren. Diese Jugendlichen schleppten nun sofort den Schrank aus dem Keller zum Sperrmüll und dies wohl unter großen Mühen, da er, nach Meinung der Rentnerin, sehr schwer war. Die glückliche Rentnerin hatte anschließend die Geldbörse gezückt um die Jugendlichen zu entlohnen, aber nicht mal ein kleines Trinkgeld nahmen sie an, obwohl die Frau es ihnen geradezu aufdrängen wollte. Ohne viel Aufhebens waren die Jugendlichen fort und hinter den Fenstern schauten die deutschen Nachbarn sich die Aktion dort unten an, die Typen die sich meistens moralisch höherwertiger dünken als ihre ausländischen Mitbürger. Doch wie heißt es schon bei Johannes 2,1-6: „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen!“

Schallplatten-Nostalgie: Kubanische Musik der Label Areito, Egrem und Guamá in der DDR



Sehr selten wurden mal Schallplatten aus Kuba zu DDR-Zeiten importiert. Komischerweise fanden die kubanischen Rhythmen kaum Anklang beim DDR-Publikum – die Platten wurden schlecht verkauft, so daß sie, wie alle die von mir eingescannten kubanischen Platten, von den vorgesehenen 12,10 Mark der DDR auf 6,00 Mark der DDR herabgesetzt wurden, was eine absolute Seltenheit war. Ich mochte lateinamerikanische Musik, besonders die brasilianische, aber die war in der DDR nicht zu bekommen. Die Musik der drei kubanischen Platten (die einzigsten kubanischen die ich je zu DDR-Zeiten hier mal bekam) gefiel mir und ich habe sie mir des öfteren angehört. Die Plattenlabel Areito, Egrem und Guamá waren alle in Havanna ansässig und staatlich.  

Dienstag, 19. Oktober 2010

Freundliche kleine Peggy

Treue Blogleser kennen sie, Nachbars Hund Tina und Katze Susi, siehe: http://barrynoa.blogspot.com/2008/02/fotos-von-bn-morgenstund-hat.html  und
http://barrynoa.blogspot.com/2010/03/besuch-von-susi.html . Die arme Tina ist mittlerweile tot, Susi kommt immer noch über unser Terrassendach zu meinem Badfenster und holt sich dort täglich ihre Streicheleinheiten ab. Doch auch Nachbars neue Hündin, eine äußerst freundliche kleine Peggy, erfreut mich, wenn sie ab und an mal unter dem Gartenzaun hindurch mich auf meinem Grundstück besucht, was sie ja eigentlich nicht darf. Neugierig schaut sie immer zu meinem Arbeitszimmer in der zweiten Etage hinauf, wenn ich mal aus dem Fenster schaue um frische Luft zu schnappen. Es muß nicht immer ein eigenes Tier sein, um Freude mit Tieren zu haben. Solche kurzen Momente der netten Begegnungen mit Nachbars Tieren reichen mir schon und schlechte Laune die beim Umgang mit der menschlichen deutschen Gesellschaft zwangsläufig einen überkommt, die ist dann für kurze Zeit wie weggeblasen.

                                                                                    

Schallplatten-Nostalgie: Warren Schatz



Die 60er und 70er Jahre waren eine kümmerliche Zeit in der DDR, wenn man Schallplattensammler westlicher Popmusik war! Gut, es gab zum Glück Tonbandgeräte, wo man vom Rundfunk Aufnahmen mitschneiden konnte und ich war froh, daß ich als Jugendlicher ein solches Tonbandgerät besaß und mein geliebtes KB 100 nutzte ich auch tüchtig. An die 100 alte Tonbänder habe ich noch heute aus dieser Zeit. Gierig stürzte man sich trotzdem auf Schallplatten, wenn es sich um westliche Interpreten der Unterhaltungsmusik handelte. Unter 100 Ostmark war auf dem Schwarzmarkt kaum eine Original-Langspielplatte aus dem Westen zu bekommen, desto mehr freute man sich über Lizenzplatten die bei Amiga (dem DDR-Label für Unterhaltungsmusik) erschienen. An diese war kaum ranzukommen. Eine Möglichkeit gab es bei dem Geschäft „Musik-Erber“. Dort konnte man als Schallplattenunterhalter ein Abonnement abschließen und man bekam dann diese Lizenzplatten, mußte aber auch Schallplatten aus der DDR-Produktion abnehmen, die einen gar nicht interessierten. 16,10 Mark kostete eine Schallplatte der Unterhaltungsmusik, 12,10 der Klassik. Nur um an die begehrte Westmusik zu kommen, machte ich den Lehrgang für Schallplattenunterhalter beim Kreiskabinett für Kulturarbeit in Dessau und legte die praktische Prüfung ab, obwohl ich so gut wie nie später mal als Diskjockey gearbeitet habe.

Neben den Lizenzplatten der DDR gab es auch ab und an mal westliche Lizenzplatten aus den Volksrepubliken Polen, Ungarn und Rumänien. Zwei dieser von mir erworbenen Schallplatten waren von dem Anfang der 70er Jahre populären Warren Schatz, dessen Lieder ich damals, und auch heute noch, sehr mochte. Diese Lizenzplatten, eine aus Polen und die andere aus Rumänien, habe ich, wie alle anderen Schallplatten, heute noch und aus Nostalgiegründen habe ich sie einmal eingescannt. Hier ein bekannter Titel von 1970 von Warren Schatz den ich bei youtube gefunden habe und den ich früher sehr oft mir angehört habe: „It's Rainin', It's Pourin”: http://www.youtube.com/watch?v=qQ5coXfRtc0  . Noch heute ist Warren Schatz im Musikgeschäft erfolgreich tätig, allerdings nur noch als Produzent. Aus heutiger Zeit ein Video bei youtube, die ihn bei Proben zu „White Christmas“ mit dem Northern Lights (Symphony) Orchestra zeigen: http://www.youtube.com/watch?v=rsluFqBurPU .