Mittwoch, 29. Juni 2011

Altes: Erinnerung an Miguel de Unamuno (1864-1936)




Was für ein Genie, was für ein Lebenslauf: Miguel de Unamuno (1864-1936)! Unamuno halte ich für den größten spanischen Autoren und Intellektuellen. Was allerdings mehr als merkwürdig ist, daß er heutzutage kaum mehr bekannt ist, obgleich er doch die europäische Geschichte und Geistesgeschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts maßgeblich beeinflußt hat, mit all den Irrungen und Wirrungen, die besonders in Spanien so radikal zutage traten, mit klerikalem Konservatismus, einer bürgerlichen Republik die sogar  anarchistische Tendenzen hatte, bis hin zum Faschismus eines Franco. Der betreffende Wikipedia-Beitrag zeigt dies sehr präzise, siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Miguel_de_Unamuno .

Eines meiner Lieblingsbücher von Miguel de Unamuno „Frieden im Krieg“ erschien 1897 in spanisch ("Paz en la guerra") und 1929 in deutscher Sprache beim Verlag Meyer &. Jessen, München. Die Handlung spielt im 3. Karlistenkrieg von 1874-1876 und die „Vossische Zeitung“ schrieb nicht ohne Grund in Hinblick auf dieses Buch: „Der größte unter den europäischen Schriftstellern von Weltruf“. Mutter hatte dieses Buch in ihrem Bücherschrank stehen und ich habe es mittlerweile mehrmals gelesen, dies allerdings in großen Abständen. Aber immer wieder zieht es mich in seinen Bann.

Neben einem Scan des Bucheinbandes kann ich auch noch einen interessanten Werbezettel des Verlages zum Buch mit einscannen. Die Beurteilungen Miguel des Unamunos auf diesem Werbezettel durch die „Vossische Zeitung“, die „Frankfurter Zeitung“, dem „Hamburger Fremdenblatt“, der „Kölnischen Zeitung“ und dem Grafen Hermann Keyserling sind treffend und denen kann ich mich nur anschließen. 

Dienstag, 28. Juni 2011

Neues: "Deutschland! Hurra, Hurra! Bumsvallera!"

      Auch eine Möglichkeit eine Fahne zur Fußballweltmeisterschaft zu benutzen...

Da nutzen sie mal wieder eine Fußballweltmeisterschaft - diesmal die der Frauen - um ihre deutschtümelnde nationalistische Gesinnung zu zeigen – die Typen die mit Deutschlandfahnen am Auto herum fahren! Für was für ein Deutschland diese Fahne steht, dies zeigen sehr deutlich zwei Meldungen von gestern:

27.6.2011 Berlin (dpa) - China wird in den kommenden Jahren noch mehr als 300 Millionen Euro deutsche Entwicklungshilfe erhalten. Dabei handelt es sich nach einer am Montag verbreiteten Aufstellung des Entwicklungsministeriums um Restzahlungen für 51 Projekte.

Ist doch logisch, oder? Deutschland ist mit über 2 Billionen Euro verschuldet. China besitzt 2,4 Billionen Dollar Devisenreserven!

27.6.2011 (Der Spiegel) - Abgeordnete gönnen sich 584 Euro plus. Die Abgeordneten des Bundestags können sich über verbesserte Bezüge freuen: Bis 2013 sind zwei Erhöhungen von je 292 Euro geplant.

Na wenn man so was liest, da muß man doch einfach „Deutschland! Hurra, Hurra! Bumsvallera“ schreien und mit der deutschen Fahne am Auto zu diesem tollen Land stehen! Was sind denn schon nur 584 Euro mehr im Monat? Hauptsache Deutschland wird Weltmeister! Ach und die, die froh wären das im Monat zur Verfügung zu haben, was die deutschen Abgeordneten mehr im Monat bekommen? Die gehören eh nicht dazu, zum deutschen Volk, diese Miesmacher der deutschen Herrlichkeit.

Altes: "Tamar" von Leo Katz, aus der Reihe "Robinsons billige Bücher"


Na ja, so billig waren sie auch nicht, „Robinsons billige Bücher“, die ich als Kind gern las. So ein Buch kostete immerhin 2 Mark in den 60er Jahren, aber interessant waren sie. Fast alle dieser Bücher lieh ich mir in der Zweigstelle Dessau-Ziebigk der Stadtbibliothek Dessau aus. Die befand sich damals in der Metzer Straße (später in Robert-Schirrmacher-Straße umbenannt). Seit 1959, mit 8 Jahren, war ich dort begeisterter Leser. Ein Buch aus der Reihe „Robinsons billige Bücher“ gefiel mir besonders, darum kaufte ich es mir auch, um es in meinem Bücherschrank zu haben: „Tamar“ von Leo Katz.

Die Geschichte des Mädchens Tamar in der Zeit der Sklavenaufstände des Spartakus im Römischen Reich berührte mich. Leo Katz vermittelte Kindern, daß man sich gegen ungerechte gesellschaftliche Zustände wehren muß, auch wenn es fast aussichtslos ist, wie damals im alten Rom: „Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt!“

Anbei ein paar Scans aus dem interessanten Buch, welches auch über das Alltagsleben im Römischen Reich viel wissenswertes vermittelte. Es ist schade, daß solche guten Bücher keine Neuauflagen erfahren, statt dessen gibt es fast nur Neuerscheinungen der Kinderliteratur die den Kindern die Gehirne verkleistern sollen, vornweg solche Machwerke wie „Harry Potter“. Hier ein Link zu einer Liste aller Bücher die in der Reihe „Robinsons billige Bücher“ erschienen sind: http://www.ddr-hoerspiele.de/RBB/RBB-index.html .  

Montag, 27. Juni 2011

101. Geburtstag von Pierre Joubert


Heute vor 101 Jahren wurde Pierre Joubert (27.6.1910 - 14.1.2002) geboren, siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Pierre_Joubert . Berühmt wurde er als „der“ Pfadfindermaler. So illustrierte er die bekannten „Spurbuch“-Bücher, siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Spurbuch,  von denen seit 1937 über 500 Titel erschienen sind. Als Kind hatte ich wohl auch zwei, drei solcher Bücher aus dem Westen geschickt bekommen, habe sie aber nicht mehr. Pierre Jouberts ästhetisierender Mal- und Zeichenstil wirkt manchmal zu idealisierend, so bei den Illustrationen zu Stevensons „Schatzinsel“, einem meiner Lieblingsbücher, oder auch zu Kiplings „Dschungelbuch“. Aber gerade durch diese idealisierenden Illustrationen wurden beide Bücher noch bekannter als sie es schon waren. Obiges Bild von Pierre Joubert ist von 1974 und dokumentiert treffend Jouberts die Jugend idealisierenden Mal– und Zeichenstil.       

Altes: DDR-Seepferdchen


Ohne die lustigen Werbefiguren des Norddeutschen Rundfunks, siehe dazu auch meinen Blogbeitrag http://barrynoa.blogspot.com/2008/05/werbe-nostalgie-sehpferdchen-und-minol.html, hätte ich als Kind wohl kaum Seepferdchen so sympathisch gefunden, ja kaum von ihnen gewußt. In der DDR konnte man ja nichts von der Werbefigur Sehpferdchen kaufen und da gab es clevere Leute, da ihnen die Beliebtheit des westdeutschen Fernseh-Sehpferdchens bekannt war – es gab damals erst nur das eine westdeutsche Fernsehprogramm, neben  dem DDR-Fernsehen – die Badfliesen mit dem Motiv des Sehpferdchens prouzierten. Dies allerdings so, daß staatliche Stellen nicht unbedingt etwas dagegen haben konnten, man machte eben einfach lustige Seepferdchen-Badfliesen und „Ähnlichkeiten mit dem westdeutschen Sehpferdchen waren rein zufällig“. Wer der Keramiker war, in dessen Werkstatt diese Fliesen gebrannt wurden, dies weiß ich bis heute nicht, denn es ist keine Werkstattmarke zu sehen. Da aber zu DDR-Zeiten viel privat schwarz produziert wurde, in sogenannter Feierabendarbeit, und Badfliesen privat weggingen wie warme Semmeln, denn im normalen Handel bekam man ja kaum mal etwas, da verwundert es nicht, daß keine Marken drauf waren, schon um kein Steuerverfahren angehängt zu bekommen.  Als 16jähiger erwarb ich obige Fliese und noch heute befindet sie sich in unserem Bad

Samstag, 25. Juni 2011

Email zur Handmalerei aus der Weimarer Kunstwerkstätte


Erinnern Sie sich noch, liebe Blogleser, an meinen Beitrag über die Untersetzer aus der Weimarer Kunstwerkstätte? Wenn nicht, dann noch einmal lesen: http://barrynoa.blogspot.com/2010/01/handmalerei-aus-der-weimarer.html ! Ich fragte damals Blogleser: „Aus welchem Jahr (DDR-Arbeit, ca. 50er bis 70er Jahre) diese Untersetzer stammen und von welchem Künstler die Entwürfe stammen, ob es gar Unikate sind, dies alles entzieht sich meiner Kenntnis. Nun vielleicht kann mir da ein Leser weiter helfen, dies würde mich freuen.“ Leider weiß ich noch immer nicht von welchem Künstler die Malereien stammen, dies ist schon mehr als merkwürdig, denn es sind doch wirkliche kleine Kunstwerke.

Gestern nun schrieb mir Blogleserin Anneliese Paul eine Email, Auszug daraus: Guten Morgen! Ich habe kürzlich auf einem Flohmarkt ähnliche Untersetzer – mit Märchenmotiven – gefunden, die mich voll begeisterten. Und da habe ich im Internet gesucht, ob ich die Weimarer Kunstwerkstätten finde. Die gibt es aber wohl nicht mehr. Anbei Bilder meiner schönen Untersetzer, die in einem schönen Holzkästchen untergebracht sind und von denen ich zuerst dachte, sie sind Wächtersbacher Keramik.

Viele Grüße und ein schönes Wochenende 

Anneliese Paul

Schön, daß auch andere Menschen Gefallen an diesen Arbeiten finden und ich beglückwünsche Anneliese Paul zu ihrem Flohmarktkauf (siehe Fotos von ihr). Na vielleicht erfahren wird doch noch irgendwann wer der Schöpfer dieser Arbeiten ist, denn nach Duktus und Stil zu urteilen ist es ziemlich eindeutig, daß sowohl Frau Pauls Untersetzer, wie auch meine, vom gleichen Künstler stammen.

Anneliese Paul und allen Bloglesern wünsche auch ich ein schönes Wochenende

Bernd Nowack

Altes: "Primasprit" aus dem VEB Spritvertrieb Halle (Saale)



Jetzt ist mal wieder die Zeit um Rumtöpfe anzusetzen, beginnend mit den Beerenfrüchten, wie Erdbeeren, Himbeeren, Johannisbeeren und Stachelbeeren. Nun folgen die Süß-und Sauerkirschen. Letztere werden traditionell in Anhalt auch zu selbstgemachtem Likör verarbeitet und dies ist noch ziemlich in der Bevölkerung verbreitet, allein von mehreren meiner Nachbarn hörte ich, daß sie dies noch machen.

Zu DDR-Zeiten verwandte man dazu den beliebten „Primasprit“, einen 95%igen Alkohol, der absolut geschmacksneutral war und sich deshalb gut für selbstgemachte Liköre eignete. Billig war „Primasprit“ nicht, der halbe Liter kostete 17,60 Mark.
In DDR-Museen und bei DDR-Sammlern sieht man nur die alten Flaschen mit dem rot-schwarzen Etikett von „Primasprit“ aus dem  VEB Bärensiegel Berlin, Betriebsteil Neuruppin, aber es gab auch „Primasprit“ aus dem VEB Spritvertrieb Halle (Saale), Raffineriestr. 29. Ob dort nun Sprit hergestellt wurde oder nur eine Abfüllstation bestand, dies entzieht sich meiner Kenntnis. Auf den Flaschen lag Pfand von 20 Pfennigen und gewarnt wurde vor der Feuergefährlichkeit: „Feuergefährlich nach Feuerklasse B 1“! Gewarnt wurde allerdings nicht vor dem unverdünnten Trinken des Höllenzeugs, aber dies wußte ein jeder, daß Alkohol in dieser hohen Konzentration lebensgefährlich ist, sollte man ihn so trinken. Zwei Flaschen dieses Gesöffs stehen bei uns seit Jahrzehnten im Vorratsschrank. Zu der ursprünglich mal geplanten Herstellung von Likör ist es nie gekommen. Da die Flaschen gut versiegelt sind, ist noch alles drin, aber im Gegensatz zu einem alten Wein wird die Qualität nicht besser geworden sein, aber ich freue mich so etwas nostalgisches noch zu besitzen.   

Freitag, 24. Juni 2011

Altes: DDR-Drogerieartikel


Mehr als zwei Jahrzehnte ist es her, daß die DDR von der Bildfläche verschwand. Viele Produkte des Alltagslebens aus dieser Zeit sind in den Haushalten nicht mehr vorhanden. Heute suchte ich bei unseren Drogerieartikeln nach etwas bestimmten und bei dieser Gelegenheit suchte ich mal heraus was an Produkten noch aus der DDR-Zeit stammt. Viel war es nicht, aber dennoch ein paar Dinge kamen zusammen, so die beiden Mückenschutzfläschchen „Mückin“ vom VEB Fettchemie Karl-Marx-Stadt, 50 ml für 1,65 Mark, das „Florena-Haarspray“, vom VEB Aerosol-Automat, Karl-Marx-Stadt, für 6,80 Mark, das Haarspray „f“ für fettiges Haar, vom VEB Aerosol-Automat, Karl-Marx-Stadt, für 5,20 Mark, sowie das „Anti-Mücken-Spray“, ebenfalls vom VEB Aerosol-Automat Karl-Marx-Stadt, welches 6,00 Mark gekostet hatte. Noch älter als diese Produkte ist das Fläschchen „Flibol“ - Mückenschutz, aus dem VEB Fettchemie Karl-Marx-Stadt, welches mal 1,00 Mark gekostet hatte. Aus dem VEB Esparma, Chem. pharm. Fabrik Magdeburg stammt das „Hoevenol Bad“ ein Badezusatz mit Roßkastanienextrakt, aus dem VEB Li-iL Werk Dresden stammen die Hühneraugenpflaster, 8 Stück für 0,60 Mark und schließlich und endlich die „Arnika-Tinktur“ aus dem VEB Ankerwerk Rudolstadt, welche damals 1,25 Mark kostete.  

Mittwoch, 22. Juni 2011

Erinnerung an Mutter: Kurzurlaub in Nürnberg im August 1942




1942 nahm Mutter ihren Jahresurlaub bei den Dessauer Junkers-Flugzeugwerken um einen Leistungskurs für Stenografie und Maschineschreiben in dem Ort Vorra im Regnitztal in der fränkischen Schweiz zu absolvieren, quasi eine Weiterbildung für die Firma auf eigene Kosten und im eigenen Urlaub. Bei diesem Lehrgang sah sie kaum etwas von der herrlichen Landschaft, denn es wurde täglich von 7 - 17 Uhr trainiert. Lehrer und Lehrerinnen waren zum Teil ehemalige Landesmeister in Stenografie und Maschineschreiben. Diese Meisterschaften gab es allerdings im Krieg nicht mehr, aber immer noch diese Trainingslehrgänge. Da die Teilnehmerinnen übermotiviert waren und ehrgeizig und auch so hohe Leistungen in Stenografie und Maschineschreiben erzielen wollten wie ihre Lehrer, übten sie nach Schulschluß noch weiter, dies oft jeden Tag bis 22.00 Uhr, nur um ein gutes Zeugnis zu erhalten. Schluß des Lehrgangs war am 22.8.1942 und zurück fuhr Mutter mit einer Kollegin aus Dessau über Nürnberg nach Dessau.

In Nürnberg trafen die beiden einen Entschluß den meine Mutter zeitlebens nie bereut hat, einmal 2 Tage in einem ganz exklusiven Hotel zu wohnen. Dies war das erste und letzte Mal im Leben meiner Mutter, dies auch mal kennen gelernt zu haben. Mutti, damals 20 Jahre alt, und ihre ein wenig ältere Kollegin logierten im damals besten Hotel Nürnbergs, im Hotel „Deutscher Hof“, siehe obere Postkarte (Hotel „Deutscher Hof“ und Schauspielhaus). Diese zwei Tage Übernachtung dort, kosteten zwar einen halben Monatslohn, aber es blieb ein einzigartiges Erlebnis im ansonsten an Annehmlichkeiten nicht reichen Leben meiner Mutter. Das Ambiente des Hotels, das tolle Zimmer mit den wunderbaren Betten, der Service, die Hotelhalle mit den Gästen aus einer Schicht, mit denen sonst junge Frauen aus der Provinz kaum einmal in Berührung kamen, dies hinterließ einen bleibenden Eindruck, so groß war das Erstaunen damals über diesen Luxus. Folgende Fotos zeigen meine Mutter bei einem Stadtrundgang durch Nürnberg, dann zwei Postkarten welche die Innenräume des Nürnberger Rathauses zeigen und Fotos mit meiner Mutter und ihrer Kollegin und einer Nürnbergerin, die auch bei diesem Leistungskurs dabei war und die ihnen Nürnberg zeigte, so den Tierpark und die Nürnberger Burg (kleine Fotos).      

Dienstag, 21. Juni 2011

Erinnerung an Mutter: Urlaub im Ostseebad Grömitz im Juni 1943


Juni 1943, die Kriegsproduktion lief auf Hochtouren. Meine Mutter arbeitete damals in den Dessauer Junkers-Flugzeugwerken, siehe meine Beiträge: http://barrynoa.blogspot.com/2010/02/meine-mutter-und-die-dessauer-junkers.html und
http://barrynoa.blogspot.com/2010/02/humor-in-den-junkers-flugzeug-und.html.

Gerade im Entwurfsbüro, wo die zukünftigen Flugzeuge entworfen wurden, die allerdings durch das baldige Kriegsende nie zum Einsatz kamen, es denn viel später, wie die französische Concorde (nach Entwürfen aus dieser Zeit), da saßen die besten Ingenieure und tüftelten Tag und Nacht. Oft wurde die Nacht durchgearbeitet und die folgende Tagesschicht natürlich weiter gearbeitet. Noch im Krieg (bis Ende 1943) sorgten die Junkers-Flugzeugwerke dafür, daß sich diese Mitarbeiter im Urlaub gut erholen konnten, so in einem Urlauberheim im Ostseebad Grömitz.

Meine Mutter bekam aufgrund ihrer guten Arbeit auch einen solchen Urlaubsplatz, was im Juni 1943, wo viele verwundete Frontsoldaten zur Erholung an solche Orte geschickt wurden, keine Selbstverständlichkeit war. In Grömitz spürte man nichts vom Krieg, wie sie mir erzählte, und es war ein wunderbarer Urlaub für sie. Verpflegung, Service - alles war wie in Friedenszeiten. Das Urlauberheim von Junkers lag direkt am Strand und man kam nach ein paar Metern gleich zum Wasser.

Eine Kahnfahrt endete beinahe tödlich. Mutter hatte das Zimmer mit einer Kollegin teilen müssen. Beide junge Frauen – Mutter war im Juni 1943 21 Jahre alt – wurden von zwei jungen Männern zu einer Bootsfahrt eingeladen. Die waren allerdings keine Einheimischen und kannten sich auf See nicht aus. Der Kahn hatte kein Segel, sondern war nur ein Ruderkahn und er trieb ab. Stundenlang ruderten die beiden Männer gegen die Strömung an und kamen nicht wieder an Land. Es war mehr als gefährlich, denn einen Seerettungsdienst wie zu Friedenszeiten gab es nicht mehr, da alles für die Kriegsmarine eingezogen war und auch sonst wußte keiner von der Kahnfahrt, das Verschwinden wäre erst am nächsten Morgen bemerkt worden und dann diese Nußschale von Kahn längst der Ostsee zum Opfer gefallen und damit meine Mutter ertrunken. Wie mir meine Mutter erzählte, gelang es mit letzten Kräften ans rettende Ufer zu gelangen, aber es war mehr als knapp. Erst als alle am Ufer waren, beichteten die jungen Männer, daß sie keine Seeerfahrung hatten, wie sie vorher vorgaben, wahrscheinlich um Kontakt zu den jungen Frauen zu bekommen.

Aus Mutters Fotoalbum, aus historischen Gründen, die Seiten mit Mutters Urlaub im Juni 1943 im Ostseebad Grömitz, aber auch aus privaten Gründen - Erinnerung an meine liebe Mutter!

3 - Jahresgedenken zum Tode meiner Mutter


Vor 3 Jahren starb meine liebe Mutter in der unheilvollen Nacht der Sommersonnenwende vom 21.6. zum 22.6. um die Zeit der Mitternacht. Zu ihrem Gedenken ein paar Fotos aus ihrer Jugendzeit wo sie um die 20 Jahre alt war. Möge sie in ewigem Frieden ruhen.  

Montag, 20. Juni 2011

Von Kröten, Fröschen und deutschen Teichfreunden


Was man so in einem deutschen Internetforum für Gartenteichfreunde zu lesen bekommt, da kann man nur mit dem Kopf schütteln. Da fürchten sich diese typisch deutschen Saubermänner und Sauberfrauen, daß in ihrem „Natur“-Teich im heimischen Garten sich Kröten oder Frösche ansiedeln könnten und fragen an, was es denn für Möglichkeiten gäbe diese nicht in „ihren“ Teich zu lassen. Es muß einen allerdings gar nichts mehr wundern, denn die Mentalität der deutschen Spießbürger ist ja hinlänglich bekannt, treibt aber immer absurdere Blüten. Anstatt sich zu freuen, daß ihre Teiche natürliche Biotope geworden sind und Kröten und Frösche anziehen, man diesen wichtigen Tieren eine Heimstatt bieten kann, hat man es scheinbar lieber mit exotischen Tieren darin, wie Kois und dergleichen. Mit denen kann man doch bei Partygästen mehr Neid erwecken als mit schnöden einheimischen Kröten und Fröschen. Hier mal zwei Beiträge aus so einem Forum:

„Hallo liebe Gemeinde, in einigen anderen Beiträgen hier habe ich gelesen, dass es Tipps gibt, um keine Erdkröten in den Teich zu bekommen (rausfischen, Fangzäune usw.). Wir haben jetzt unseren neuen Garten-Teich (6.000Liter) im 2. Jahr. Ich habe jetzt im Flachwasserbereich Kröteneier entdeckt. Was könnte ich denn für Nachteile haben, wenn die Kröten im Teich laichen? Wasserqualität, machen die was kaputt, bleiben die alle im Teich, wenn sie denn mal geschlüpft sind? Es befinden sich noch 13 Goldfische und zwei Shubunkin im Teich. Würde gerne wissen, ob es hier Mitglieder gibt, die mir Tipps betreffend des Themas geben können. Vielen Dank“

„Was bei vielen nicht so beliebt ist, sind Wasserfrösche. Es sind Vagabunden, die sich einen Teich aussuchen, um dort den Sommer über am Rand zu sitzen, Insekten fangen (das wär ja nicht so schlimm), und die Männer quaken Tag und Nacht, um ihr Revier zu behaupten und Weibchen anzulocken (das stört viele maßlos).“

Auweia, ja das Fröschequaken, das stört die deutschen Teichfreunde maßlos. Wenn diese Typen aber mit ihren Benzinrasenmähern in Flugzeuglautstärke jeden Samstag über ihren englischen Rasen (natürlich nur den und bitte ohne einen einzigen Unkrauthalm darin) knattern, dann stört das natürlich nicht maßlos, ebenso nicht, wenn Tag und Nacht auf der Straße Autos lärmen und die Luft verpesten.

Also ich freute mich jedenfalls als unsere Erdkröte, siehe http://barrynoa.blogspot.com/2011/06/gefahrdetes-krotenleben.html, vor ein paar Tagen in einen der kleinen Miniteiche im Garten kam um zu laichen. Heute nun entdeckte ich zwei Frösche, die sich dort scheinbar heimisch machen wollen. Oh, diese bösen „Vagabunden“, um in der Sprache deutscher „Teichfreunde“ zu bleiben! lol! Aber so einer Sprach-und Denkweise möchte ich mich weiß Gott nicht bedienen.

Maria Grengg (1888-1963): Die Flucht zum grünen Herrgott



Eines der wunderbarsten Bücher aus dem Besitz meiner Mutter ist das Buch „Die Flucht zum grünen Herrgott“ von Maria Grengg (http://de.wikipedia.org/wiki/Maria_Grengg). Schon als Kind las ich es mit großer Begeisterung und in vielen Dingen prägte es mich, bewunderte ich doch die Lebenseinstellung und die Ansichten von Maria Grengg, die ja die Maria in dem Buch auch war, wenngleich es kein reines Tatsachenbuch ist. Die Liebe zu Pflanze und Tier wurde wohl auch durch Maria Grengg in mir geweckt, das Füttern notleidendender Tiere im Winter, das Schauen der Schönheit von Pflanze und Tier. „Die Flucht zum grünen Herrgott“ gehörte auch zu den Lieblingsbüchern meiner Mutter. Als Mitglied der Büchergilde Gutenberg hatte sie es in den 30er Jahren gekauft und noch immer hat es seinen Ehrenplatz bei mir im Bücherschrank.

Maria Grengg hat das Buch selbst illustriert, sie nennt ihre wunderbaren Illustrationen bescheiden „Buchschmuck“, wie sie sich selbst gar nicht als gute Zeichnerin und Malerin sah, die sie aber doch war. Viele der Illustrationen sprechen mich persönlich an, weil diese kleinen Szenen einem so oder ähnlich begegnet sind, so der kleine Salamander im Gras, der Stuhl mit dem Korb voller Birnen und Äpfel, genau so wie er auch bei uns im Herbst in der Veranda stand; eine kleine Maus, die von draußen kam und das Reh welches Maria im Wald halb erfroren fand und es natürlich mit nach Hause nahm um es zu retten, dies im Gegensatz zu grobschlächtigen Menschen, die das Tier vielleicht erschlagen hätten um einen Braten daraus zu machen. Wenngleich mir noch kein Reh begegnet ist, welches halb erfroren war, so doch etliche andere Tiere, so eine ganz schwache Möwe in einem bitter kalten Winter, als die Elbe zugefroren war. Wochenlang päppelten wir sie in unserem Kohlenkeller auf und setzten sie bei Tauwetter wieder aus. Mitten auf dem Elbwall lag diese Möwe und hunderte Menschen gingen damals als Spaziergänger an ihr vorbei und äugten nur doof. Dies war zu DDR-Zeiten! Wenn heute immer wieder die DDR-Zeit verklärt wird, gar behauptet wird, damals wären die Menschen besser gewesen, solidarischer und so, dann ist dies purer Unsinn. Die Menschen waren damals keinen Deut anders. Solidarisch untereinander war nur das SED-und Stasigesindel. Aber das war auch mehr eine Lumperie zu gegenseitigem Vorteil, wie jetzt noch, wo diese alten Seilschaften noch immer an den Futtertrögen sitzen und sich gegenseitig protegieren.

Dann Maria Grenggs Illustration der Standuhr mit dem Schrank daneben, wo ein Glas drauf steht, ja fast genauso wie bei uns zuhause. Ebenfalls die Zeichnung der Hand mit dem Insekt und im Hintergrund eine Pumpe, eine Pumpe wie sie viele Jahre lang an unserem Bassin stand. Na und die Szene mit dem Schmetterling, dem Käfer, den Pusteblumen und dem Tränenden Herzen–Zweig - ja die konnte ich jedes Jahr so erleben, gerade deshalb sind mir die Illustrationen so sympathisch. Ein wichtiger roter Faden des Buches sind die Jahreszeiten, die einen hier in Mitteleuropa so beeinflussen und prägen. Maria Grengg zeigt den Ablauf des Jahres so, wie er, wenn auch ein wenig idealisiert, in immer gleichem Rhythmus abläuft, und dies naturverbunden und es ist damit eine positiver Gegenpart gegenüber der Moderne, wo die Jahreszeiten gleichgeschaltet werden: Erdbeeren im Winter, Sonnenbaden im Winter, durch Reisen in die Tropen und dergleichen mehr.

Zitate aus dem Buch „Die Flucht zum grünen Herrgott“:

„Was ist es, daß ich nicht beten kann zu dem blutigen Christ und auch bei den Heidengöttern nur die Schönheit ihrer Leiber zu mir spricht? Und daß ich die ganze Allmacht und Gott leibhaftig fühle, wenn ich das geheimnisvolle und mir doch so verwandte Leben eines Baumes spüre?“

„Ich stehe dem Mittelalterlichen der Kirche innerlich fremd und abwehrend gegenüber mit meinem schönheitsuchenden, alles Lebendige gleichwertenden Herzen und meinen naturhaften Sinnen. Mein Gefühl wehrt sich gegen den pflanzen-, gewässer- und getierfremden Glauben aus dem palästinischen Wüstenland, den man den Vorvätern nur zu oft mit dem Schwerte aufgezwungen hat. In meiner Liebesbereitschaft für den leidenden Bruder, sei es Tier oder Mensch, neige ich mich aber ehrlich hin zur Lehre dessen, der auch in der Ecke meiner Stube zermartert am Schandholz hängt.“








Sonntag, 19. Juni 2011

Siegfried Kraft: Von dem armen kleinen Knaben in einer grossen Stadt



Ein Buch aus dem Bücherschrank meiner Mutter ist mir besonders wertvoll, hegte sie es doch sehr. Als Kunstfreundin bekam sie es 1951, in meinem Geburtsjahr, von ehemaligen Kollegen aus den Junkers-Flugzeugwerken geschenkt. Siehe über Mutters Zeit bei Junkers unter http://barrynoa.blogspot.com/2010/02/meine-mutter-und-die-dessauer-junkers.html, http://barrynoa.blogspot.com/2010/02/humor-in-den-junkers-flugzeug-und.html. Es ist das Buch „Von dem armen kleinen Knaben in einer grossen Stadt“ von Dostojewski, und dies in der künstlerischen Fassung von Siegfried Kraft mit seinen Original-Bleischnitten und in Orginal-Kalligraphie aus dem Jahre 1948. Dieses großartige Werk der Buchkunst erschien in einer Auflage von 100 Stück. Mutters Exemplar trägt die Nummer 47 und ist vom Künstler signiert und mit einer Widmung versehen. Siegfried Kraft wurde im März 1920 geboren, siehe über ihn unter folgenden Links: http://www.thueringer-allgemeine.de/startseite/detail/-/specific/Bis-alle-Finger-wie-von-selbst-schreiben-Ein-Portrait-des-Grafikers-Siegfried-1891705126 und http://www.tag-des-herrn.de/artikel/3534.php.

Betrachte ich dieses Buch und daß es meiner Mutter in meinem Geburtsjahr geschenkt wurde, daß die Geschichte von Dostojewski stammt, einem Dichter der sich dem sozialen Christentum verschrieben hatte, welches so gar nichts mit den sich unchristlich verhaltenen Amtskirchen zutun hatte, so kann man es als Warnung sehen, auch in eine weitgehend kalte und feindselige Welt hinein geboren zu werden. Der kleine arme Knabe in einer grossen (feindseligen) Stadt als Metapher für das Hineingeborenwerden in die Ungeborgenheit Deutschlands, einem Land welches kein Vaterland sein kann, eher ein Stiefvaterland, aber es auszuhalten gilt wie in einer Diaspora.

Anbei Auschnitte aus dem besagten Buch.