Montag, 7. Juli 2014

Lesermeinung im Jahre 2014: Haarausfall durch Masturbation

Ich bin es schon gewohnt, daß bei gesellschaftspolitischen Blogbeiträgen, die bei mir natürlich fortschrittlich ausfallen, sich Reaktionäre aller Couleur melden, sei es per Email oder per Telefon, und die dann ihre Sicht der Dinge darstellen, versuchend ihr rückschrittliches Weltbild mir aufzudrängen, so in großer Regelmäßigkeit der Mosaik-Fanart-Comiczeichner Rainer Schlewitt, dem ich aus Toleranzgründen schon des öfteren Raum hier im Blog für seine manchmal doch mir sehr konträren Ansichten gegeben habe, siehe auch die Email von Schlewitt vom Januar 2014, die er auf meinen Blogbeitrag "Für eine gerechtere und solidarischere Welt" sich bemüßigt fühlte zu schreiben und unbedingt darauf drang, daß ich ja diese auch veröffentliche, siehe ganz unten.

Selbiger Schlewitt mußte natürlich zu meinem gestrigen Blogbeitrag, siehe: http://barrynoa.blogspot.de/2014/07/bundesdeutsche-realitat-kinder-knast.html  gleich mal wieder seinen Senf dazu geben, und der fiel erwartungsgemäß wieder reaktionär aus und mit vielen Hinweisen auf die Bibel und die Moral. Ausgerechnet er, der zu meinen Tierschutzbeiträgen, wo ich die große Amoralität der Menschen beim Umgang mit sogenannten Nutztieren beklage, wo er die Meinung mir immer wieder unter die Nase rieb, daß dies doch gottgewollt sei, der Mensch die Tiere eben so nutzen könne, Tiere seien eben zum Essen da und Tiere etwa zu schonen, davon halte er nichts, ausgerechnet er, der sonst so ohne Empathie für Entrechtete auf Blogbeiträge reagierte, der fühlte sich berufen mir die Leviten zu lesen. Die Leviten lesen, weshalb?

 Er lehnt auch die Maßnahmen gegen den Jungen, siehe gestrigen Blogbeitrag, mit dem Einsperren in diese Anstalt ab und den knastähnlichen Bedingungen dort, sie würden nur das Gegenteil bringen. Soweit so gut, aber nun: Die Betreuer dort meinen es nur gut, wollen den Jungen auf den rechten Weg zurück bringen und es ist gut, daß sie strikte Maßnahmen gegen eventuelle Masturbation führen, wie eben das Verbot von Büchern, pornografisches Material etc. Hm!

Auf meine Frage, was er denn für Schäden bei Masturbation sehe, da antwortete er doch allen Ernstes, daß sie, neben den seelischen Schäden, wie späterer Beziehungsunfähigkeit, auch körperliche Schäden hervorbringen würde und sie im Übrigen auch unbiblisch sei. Körperliche Schäden? Vertrat im Jahre 2014 etwa einer meiner Leser die völlig unwissenschaftliche Meinung der Zeit von 1800 bis ca. 1900, wo im Kopf nicht ganz dichte Wissenschaftler, Pädagogen, Theologen, die abstrusesten Thesen vertraten, daß bei Masturbation der „Sünder“ ein fahles Gesicht bekommen würde, sich Nervenkrankheiten einstellen würden, bis hin zur Gehirnerweichung und Siechtum mit Tod? Heerscharen an Jungen und jungen Männern wurden durch diesen Schwachsinn tatsächlich verrückt gemacht, weil sie selbst es glaubten und mit allen Mitteln versucht wurde, die natürlichsten geschlechtlichen Triebe zu unterdrücken, dies oft mit brutalen Mitteln, wie Keuschheitsgürteln, Vernähen der Vorhaut, so daß Erektionen unmöglich wurden und dergleichen Foltermethoden mehr. Tatsächlich, dieser finsterste Aberglaube, spukt doch tatsächlich (Ich fasse es nicht!) immer noch, oder schon wieder (?) in den Köpfen der Menschen, denn Schlewitt wollte mir allen Ernstes weismachen, daß Masturbation Haarausfall bewirken würde!
 
Ich war baff, fühlte mich in die Zeit von 1850 zurück versetzt, dachte er wollte mich auf den Arm nehmen, was allerdings nicht der Fall war, denn er quetschte mühsam hervor, daß er mit ca. 30 Jahren auch mal masturbierte und dann bemerkte er, daß er davon Geheimratsecken bekam, ihm die Haare ausfielen. Auf meine Antwort, daß es so einen Zusammenhang niemals geben könne, daß dies vollkommen unwissenschaftlicher Unsinn sei, daß im Gegenteil häufige Samenergüsse, egal wie hervor geführt, ob durch Geschlechtsverkehr oder Masturbation die Prostata gesund erhalten, Sexualunterdrückung dagegen ein 7 mal höheres Risiko bergen an Prostatakrebs zu erkranken, was in zahlreichen wissenschaftlichen Studien bewiesen wurde, da kam nur, daß er solche Studien anzweifle, weil die Wissenschaft immer wieder etwas anderes behaupte, oft genau das Gegenteil dessen was sie bisher behauptete und einzig und allein die Bibel sei beständig und gültig!

Ich beendete den Disput, es wurde mir zu blöd, denn gegen strikte Ablehnung der Wissenschaft zugunsten einer reaktionären fundamentalistischen Bibelauslegung kann man mit Argumenten nicht angehen. Leider sind die Reaktionäre auf dem ideologischen Vormarsch, also ein Schlewitt ist kein Einzelfall. 
 

Ein übles Machwerk aus dem Jahre 1928, liest man darin, wird man allerdings feststellen, daß im Jahre 2014 solch Gedankengut wieder salonfähig ist und danach gehandelt wird, noch vor 20 Jahren, in der Zeit der Aufklärung vollkommen unmöglich:
 
 




 

Email von Rainer Schlewitt (Bansin) zum Blogbeitrag "Für eine gerechtere und solidarischere Welt" (Freitag, 3. Januar 2014)

B.N.:
Es kommen ja des öfteren Emails zu meinen Blogbeiträgen und wenn ich die dann nicht veröffentliche, weil sie niveaulos waren und mein Blog kein Forum ist, dann wird einem vorgeworfen man hätte Angst Kritik zu veröffentlichen. Das ist Blödsinn! Die Blogleser kennen etliche Blogbeiträge von dem Bansiner Comiczeichner Rainer Schlewitt, dem ich im letzten Jahr hier im Blog eine Plattform gegeben habe, weil sein Engagement in punkto Digedags, die er in Fanzeitschriften am Leben erhält, sowohl mit Zeichnungen wie auch mit Texten, wert war einem breiteren Publikum bekannt zu machen. Rainer Schlewitt arbeitet halbtags, neben seiner künstlerischen Tätigkeit in der Kultureinrichtung (Museum) des Hans-Werner-Richter-Hauses in Bansin, dies zur Erläuterung, nachfolgender Email von ihm. Rainer Schlewitt bat ausdrücklich diese Email hier zu veröffentlichen, was ich nun tue. Er räumte mir ein Kommentare zu schreiben, da ich mit etlichen seiner Meinungen in der Email nicht übereinstimme und ich sie eigentlich sie betreffs meines Blogbetrages "Für eine gerechtere und solidarischere Welt" als Thema verfehlt ansehe, da nicht das große Ganze sehend, sondern von der kleinbürgerlichen Denkweise der Ichbezogenheit her geschrieben.

 
R.S.:

Huhu, lieber Bernd,

ich bin es, Dein Bekannter, Du weißt schon, der mit der „Gleichmacherei“.

Hm... o, oh, wie konntest du mir so eine Motivation unterstellen, wo wir soviel geredet haben am Telefon, und dann so etwas wie in diesem Blogeintrag:


Ganz ehrlich, Du hast meine Beweggründe, warum ich in bestimmten Fällen gegen „Gleichmacherei“ bin, offenbar total falsch interpretiert. Falsch zitiert oder/und falsch verstanden, kann man da nur sagen.

B.N.: Falsch verstanden habe ich auf keinen Fall, denn wer eindeutig ein Gesellschaftssystem welches auf der Ungleichheit beruht einem Gesellschaftssystem vorzieht welches nach Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit strebt, was Du auf diversen anderen Internetseiten kund tatest, da habe ich nicht falsch verstanden oder falsch interpretiert.

R.S.: So was passiert halt, wenn man zu stark pauschalisiert oder Leute und Sachen in Schubladen zu stecken versucht. Vielleicht kannst Du mein heute Geschriebenes ja unzensiert im Block bringen, wenn nötig von Kommentaren Deinerseits unterbrochen, denn das von neulich sollte eigentlich nicht so stehen bleiben! Ich vermute aber, dass Du das nicht machen wirst oder es lieber gar nicht bringst, weil Dir solcherart „Demagogie“ nicht in den Kram passt?

Zitat Bernd Nowack:

„…Das ist die typische Demagogie der Herrschenden, denn das Establishment verteidigt seine Besitzstände mit allen Mitteln, wohl wissend, daß diese Besitzstände auf Kosten der Ausgebeuteten … unmoralisch erworben sind und schon gar nicht durch eigene besondere Leistung, sondern durch die Gnade der Geburt in bourgeoisen Familien, durch Beziehungen, durch Lug und Trug und manchmal auch durch Glück, am allerwenigsten durch eigene Leistung. Was hat z.B. eine Familie Quandt für Leistungen vorzuweisen, daß sie als Mehrheitsaktionär von BMW im Jahr rund 500 Millionen Euro verdient? Leistung? Ein Werksvertragsarbeiter, der den Mehrwert erwirtschaftet, verdient vielleicht im Monat 1000 Euro. Selbst schuld! Soll er halt mehr Leistung bringen! Sollte er gar neidisch auf die Quandts sein? Neid als Todsünde? Nein, wenn dieser Werksvertragsarbeiter sich gegen diese Ungerechtigkeit auflehnt, dann hat das nichts mit Neid zutun, sondern mit gesundem Gerechtigkeitsempfinden. …“


R.S.: Ich stimme hier ja mit dir überein, nur dass meine Äußerungen „Leistung muss sich doch lohnen“ oder „Gleichmacherei lehne ich ab“ in einem ganz anderen Kontext standen und auf andere Situationen gemünzt waren. Vor allem hat jener Standpunkt nichts damit zu tun, dass ich nun seit ein paar Jahren diesen Minijob in einem Museum habe und deshalb „meinen Besitzstand mit allen Mitteln verteidigen will“. Sondern ich hatte diese Meinung auch schon vorher.

B.N.: Schlimm genug, so eine Meinung zu haben!


R.S.: Weiterhin ist es nicht so, dass ich in einer ABM-Maßnahme stecke, die mir zuliebe jeweils von Zeit zu Zeit verlängert wurde, falls du das vermutest. Sondern nach einem halben Jahr befristeter Arbeit wurde ich vom Betrieb übernommen, wenn auch zu bescheidenen Konditionen.

Nachtrag B.N.: Inzwischen ist Herr Schlewitt nicht mehr dort beschäftigt, da in Rente gegangen!

 

B.N.: Na ja, für 20 Stunden Arbeit in der Woche ist Dein Gehalt nicht als „bescheiden“ zu bezeichnen. Wenn Du die Arbeitswirklichkeit von anderen Arbeitenden nicht kennst, die für das Geld was Du halbtags bekommst den ganzen Tag schwer arbeiten müssen, dann ist das Ignoranz. Wer hat schon so eine Arbeit in der heutigen Zeit, wo er, wenn keine Besucher kommen, was sehr oft passiert, das weißt Du selber, denn wir haben oft stundenlang während Deiner Dienstzeit telefoniert, sich privaten Dingen widmen kann? Bandarbeiter, Frisörinnen, Verkäuferinnen, Zeitungsausträgerinnen können das jedenfalls nicht und sie verdienen ganztags auch nicht mehr als Du halbtags! Und Selbständige können das schon gar nicht, die müssen täglich um das Überleben kämpfen und dies bei mehr als 8 Stunden Arbeit täglich!

R.S.: Aber selbst das wider Erwarten, und auch nur, weil ich diese Tätigkeit besonders ambitioniert gemacht habe (und noch immer mache).

B.N.: Einspruch! Ambitioniert sieht anders aus! Ein wirklich ambitionierter Mitarbeiter, deren viele auch in Bansin arbeitslos sind, die das gut könnten, der hätte statt mit Bekannten während der Arbeitszeit stundenlang privat zu telefonieren längst mal eine Homepage des Museums gestaltet, mit Gästebuch und allem drum und dran. 7 Jahre sitzt Du nun schon auf diesem Posten und es gibt weder eine Homepage noch ein Gästebuch Deines Museums?


R.S.: Übrigens ergibt sich auch heute noch – in materieller und finanzieller Hinsicht – für mich kaum ein Unterschied, ob ich mir bei den Museumsführungen besonders viel oder etwas weniger Mühe gebe, das Ergebnis ist ungefähr das Gleiche.

B.N.: Eine Binsenweisheit im Berufsleben! Meinst Du die Verkäuferin bei Kaufland erfährt einen materiellen und finanziellen Unterschied ob sie 200 Kunden am Tag bedient hat oder 300?


R.S.: Manchmal finden Besucher den Weg zu uns, die hinterher sagen, es sei ein ganz besonderes Erlebnis gewesen, was sie so gar nicht erwartet hätten, dazu noch zu günstigen Konditionen; in der Hauptstadt müsse man für solche Führungen ein Vielfaches löhnen.

B.N.: Lächerlich, diese Argumentation, denn das Hans-Werner-Richter-Haus ist ein winziges kleines Museum, in der Größe eines Wohnhauses, soll den Ort kulturell bei Touristen etwas aufwerten. Das kann man doch nicht mit den großen Museen Berlins vergleichen. Selbstverständlich nehmen die mehr Eintrittsgeld!

R.S.: Das freut einen dann schon, ist aber auch beinahe alles. Ein wenig Nahrung für die sündhafte Eitelkeit! Manchmal wird noch ein kleiner Obolus für unsere Kaffee-Kasse gespendet. Jedoch kommen immer wieder Gäste, die betonen, wie wohltuend es doch sei, derart sachkundig und ambitioniert alles erklärt zu bekommen. An den Hotelrezeptionen des selben Kurortes würde mitunter Personal sitzen, was nicht einmal dieses Museum kennt und auch nicht wisse, wo es sich befindet. Ein-Euro-Jobber halt, billige Arbeitskräfte, so meint man, seien das, die von Tuten und Blasen keine Ahnung hätten. Ich halte dem dann dagegen, dass ich Verständnis dafür habe, wenn jemand, der von vorn herein nur befristet eingestellt wird, in der Regel nicht übermäßig motiviert an die Arbeit geht. Und wenn derjenige dann noch Kollegen um sich hat, die fest im Sattel sitzen und viel besser verdienen, warum sollte er sich für weniger Geld ebenso engagieren? Dass ich selbst an diese Arbeit im Museum von Anfang anders herangegangen bin, war freier Wille und nicht etwas, wozu ich mich moralisch in der Pflicht sah. Ganz wesentlich ist ja auch, wenn solche Arbeit den persönlichen Neigungen und Talenten entgegenkommt, man sie von daher auch gerne macht.


B.N.: Mann Rainer, das ist doch klar, daß Du da ganz anders heran gegangen bist, denn als Comiczeichner freiberuflich seine Brötchen verdienen, dies wäre ein ganz hartes Brot geworden, allein schon das Bezahlen der Krankenkasse, der Rentenkasse. Bei Deinem 4-Stunden-täglich-Job bist Du sozial abgesichert. Krankenkassen, Rentenkasse, alles bezahlt Dein Arbeitgeber, die Bäderverwaltung, und Du kannst Dich am Rest des Tages ganz Deiner künstlerischen Arbeit widmen. Wäre doch Dummheit gewesen sich so einen Job entgehen zu lassen, noch dazu in der Nähe Deiner Wohnung. Aber andere haben nicht diese Chance, müssen als Zeitarbeiter in die Fremde, sind die ganze Woche von zuhause weg. Siehst Du dies nicht, wie das Arbeitsleben normal aussieht?

R.S.: Aber ich habe noch einen Vollzeit-Beschäftigten vor der Nase, mit dem ich mir den Dienst teilen muss, man wechselt sich halt ab. Meine Kollegin und Chefin wird eindeutig besser bezahlt, obwohl sie die Museums-Besucher weit weniger ambitioniert abfertigt, nur routinemäßig das Allernötigste zum Haus erzählt, wenn es an ihr ist, Dienst zu tun. Manches ist ja auch eine Frage des Talents. Da hätte ich wirklich gute Gründe, ein bißchen ärgerlich zu sein oder das ungerecht zu finden. Aber wenn ich meinen Unmut gelegentlich durchschimmern lasse, hat das eher zur Folge, dass man sich überlegt, wie man mich weniger in Erscheinung treten lässt, als dass man daran denkt, meine Bezüge zu erhöhen. So verkneife ich es mir halt weitgehend, allzu laut zu tönen: „He, Boss, ich brauch mehr Geld!“, wie Gunter Gabriel das einst machte. Nehme kleine Ungerechtigkeiten eben als „gottgegeben“ hin, wenn man das so nennen will, und habe dadurch immerhin noch die Möglichkeit, auf die eine oder andere Art ganz segensreich zu wirken, was sonst vielleicht nicht der Fall wäre.

B.N.: Bei soviel Selbstüberschätzung fehlen mir die Worte!

R.S.: Ja, ich würde sogar ein Gesellschaftssystem akzeptieren, in dem aus Gründen der Gleichberechtigung Leute, die ihren Job gut gemacht haben, nach einer bestimmten Zeit durch andere ersetzt werden, sofern diese das ebenso gut oder besser können, weil es ja darum geht, dass jeder mal drankommen soll. Zumindest könnte ich mich mit so einer Denkweise anfreunden. Nach meinen Erfahrungen läuft es in der Praxis aber meistens anders ab. Beschäftigungslose werden von den Ämtern in der Regel an Stellen vermittelt, wo sie verkehrt sind, wo sie ihre Arbeit unmotiviert, lust- oder talentlos machen müssen oder mit nutzlosen Tätigkeiten traktiert werden. Und dorthin, wo sie keine Perspektive haben. Von daher fehlt mir jegliches Verständnis, wenn gut funktionierende Abläufe zerschlagen werden, aus Gründen vermeintlicher Gerechtigkeit oder dem unsinnigen Drang nach immer wieder kehrender radikaler Rundum-Erneuerung heraus, um dann durch Strukturen oder Personen ersetzt zu werden, die weniger gut funktionieren. Davon geht die Welt zwar auch nicht zu Grunde, aber so was kann mich bloß tief traurig stimmen und innerlich mit dem Kopf schütteln lassen.


R.S: Auch ich war nach der Wende arbeitslos und bin vom Arbeitsamt mehrfach in befristete Maßnahmen gesteckt worden, die für mich falsch waren und wo meine Talente und Fähigkeiten nicht zum Tragen kommen konnten.

B.N.: Wenn man als Künstler finanziell nicht klarkommt, dann nach dem Arbeitsamt rufen, daß die einem einen guten Job besorgen? Das ist doch typische DDR-Mentalität, wo Künstler vom Staat durch Verträge mit Betrieben finanziell gut abgesichert wurden. Wenn man als Künstler in der kapitalistischen Gesellschaftsform finanziell nicht überleben kann, ja dann muß man eben sich in die große Schar der Arbeitslosen einreihen, und dann Jobs oder Maßnahmen des Arbeitsamtes annehmen, ob sie einem passen oder nicht. Selten wird es da mal Jobs geben die den Fähigkeiten und Talenten des Arbeitssuchenden voll entsprechen. Das ist doch eine Binsenweisheit! Und wieso als Künstler auf das Arbeitsamt warten, sich von denen alimentieren lassen, Maßnahmen geben lassen? In einem Touristenort wie Bansin gibt es doch genügend Jobs in der Gastronomie. Sogar von außerhalb werden Arbeitskräfte angeworben. Und wenn man schon Künstler ist, ja dann muß man sich vielleicht selbstständig machen, nicht nur das zeichnen was einem Spaß macht, sondern eventuell eine Kunstgewerbe-Boutique aufmachen, Bilder malen welche Touristen kaufen wollen. Eine Verwandte von Dir macht das, hat ein „Schmuckstübchen“ aufgemacht in Bansin, statt sich in der sozialen Hängematte des Arbeitsamtes auszuruhen. Wer das Arbeitsamt bemüht, der kann halt nicht mit einem Traumtänzerjob rechnen, der ihm gefälligst angeboten werden soll. Schließlich geht es darum den Bedürftigen aus der Hilfebedürftigkeit raus zu bringen, denn wir Steuerzahler finanzieren das, da ganz besonders die Selbstständigen mit einem kleinen Geschäft oder der Künstler der freiberuflich ist und Steuern zahlen muß!


R.S.: Zu DDR-Zeiten war es ähnlich, auch dort habe ich über große Strecken Arbeiten gemacht, die nicht zu mir passten. Und trotz zeitweise besserer Bezahlung hat mich das nicht wirklich glücklich gemacht, dadurch jedenfalls fühlte ich mich nicht zum Establishment gehörig. Ist das denn auch die wahre Gerechtigkeit, wenn man Leute für Arbeiten vorsieht, die sie halbherzig oder schlecht machen werden, aber diejenigen, die es ambitioniert machen könnten, lieber woanders hin steckt oder ihre Tätigkeit ganz beendet? – Dies ist nämlich das Grundproblem, um das es mir ging. So gesehen ist die aktuelle Arbeitsstelle wirklich ein Glücksfall für mich.

Abschließend noch ein paar Verse, wie du in diesem ganzen Kontext über mich (den hiesigen Ichform-Erzähler) gedacht haben magst:

Ich hasse weder Kommunisten,

noch DDR-Sozialfaschisten,

doch schwärm‘ ich heimlich irgendwie

für die Elite-Theorie!

Und denk bei mir, dezent und leise:

Es zieht mich wohl in dunkle Kreise?

Will ich zu den Schmarotzern hin,

streb‘ ich nach unrechtem Gewinn?

Mir kommt die Frage in den Sinn,

ob ich nicht gar ein Nazi bin.

Ja, schon mein Opa war so einer,

blond, blauäugig, ein Lupenreiner.

Und wenn die Welt versinkt im Aus,

man hat’s im Blut, das geht nicht raus!

Bürger, halt deine Sinne wach:

Nimm, was du kriegen kannst, und lach!

Lieber als billige Almosen

wär‘ mir die Gleichheit der Franzosen,

und falls sich mancher nunmehr wundert:

ich mein‘, im achtzehnten Jahrhundert!

Da hat man’s konsequent vollbracht,

Nägel mit Köpfen wohl gemacht.

Das Essen delikat gewürzt

und viel Volk einen Kopf gekürzt!

Das nächste Mal erzähle ich Dir von prominenten Persönlichkeiten, die an der Gleichmacherei der DDR-Sozialfaschisten seelisch zerbrochen sind, oder von alten SED-Lehrern, welche bereits vor der Wende und trotz autoritärem Schulsystem durch ihre undisziplinierten Schüler um ein Haar im Irrenhaus gelandet wären. Nicht immer so einseitig! ;) D.h. falls wir noch soweit kommen, denn ich glaube ja eher, Du wirst nicht mal mein heutiges Geschreibsel im Blog veröffentlichen.

B.N.: Geschreibsel war es schon und an meinem Thema der gerechteren Gesellschaftsordnung total vorbei, da nur auf die eigenen Lebensumstände bezogen, also voll in der kleinbürgerlichen Denkweise des eigenen Krähwinkels geschrieben, aber warum sollte ich mich nicht trauen diese Email zu veröffentlichen? Ich nahm mir allerdings auch die Freiheit Kommentare dazu abzugeben, wie es mir gestattet wurde.


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