Hier ein bemerkenswerter                        Brief von dem bekannten Tierrechtsanwalt
Dr. Eisenhart von Loeper an die Bundeskanzlerin Angela Merkel:
Dr. Eisenhart von Loeper an die Bundeskanzlerin Angela Merkel:
Dr. EISENHART v. LOEPER
                     
25. Mai 2018
Offener Brief an                            Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
Ihr gestörtes                          Verhältnis zum Tierschutz
Sehr geehrte Frau                        Bundeskanzlerin,
als politisch                        interessierter Mensch, der sich seit Jahren                        aktiv und auch an führender Stelle für den                        Tierschutz einsetzt, verfolge ich                        selbstverständlich auch Ihre Äußerungen und                        Entscheidungen als öffentliche Person in Ihrer                        Rolle als Bundeskanzlerin und als Vorsitzende                        der Christlich Demokratischen Union. Vom                        TV-Duell der Bundestagswahl 2013 ist mir u.a.                        Ihr Satz „Sie kennen mich" im Gedächtnis                        geblieben, mit dem Sie u.a. auch um mein                        Vertrauen als Wähler geworben haben.
Ich bezweifle aber, dass                        sehr viele Menschen in diesem Lande Sie                        (richtig) kennen. Vor allem die zahlreichen                        Tierschützer in diesem Land – gerade auch aus                        Tierschutzorganisationen – gehen häufig davon                        aus, dass eine nach außen so freundliche Person                        wie Sie das in ihrer Macht Stehende tut, um                        leidenden Tieren zu helfen.
Was diese Menschen                        offenbar nicht zu wissen scheinen, ist, dass                        kein deutscher Bundeskanzler vor Ihnen weniger                        für den Tierschutz getan hat als Sie; ja dass                        die CDU unter Ihrem Vorsitz zu einer Partei                        geworden ist, die einseitiger denn je auf der                        Seite der Tiernutzer steht. Das war etwa bei den                        Hundehaltern Konrad Adenauer, Willy Brandt oder                        Helmut Kohl (der sich vor allem durch engagierte                        Mittelbereitstellung für die Reduktion von                        Tierversuchen einsetzte) noch anders, auch wenn                        sie fraglos mehr für den Tierschutz hätten tun                        können.
Ihre Haltung befremdet                        schon deshalb, weil es im Jahre 2002 nach einem                        zwölf Jahre dauernden, ständig steigenden Druck                        seitens der Bevölkerung gegen heftige                        Widerstände der Tiernutzerlobby mit                        Zweidrittelmehrheit vom Deutschen Bundestag und                        Bundesrat gelungen ist, dem Tierschutz im                        Umweltartikel 20a Grundgesetz Verfassungsrang zu                        verleihen. Daraus folgt die Verpflichtung,                         „Tiere in ihrer Mitgeschöpflichkeit zu achten                        und ihnen vermeidbare Leiden zu ersparen“. So                        heißt es in der amtlichen Gesetzesbegründung                        (BT-Dr 14/8860), die zugleich feststellt: „Dem                        ethischen Tierschutz wird damit Verfassungsrang                        verliehen“. Ihre ablehnende Gleichgültigkeit                        gegenüber dem ethischen Tierschutz, Frau                        Bundeskanzlerin, widerspricht dem Geist dieser                        Verfassungsnorm und missachtet zugleich den                        ausdrücklichen Willen der breiten Mehrheit der                        deutschen Bundesbürger.
Ihr Verhalten ist auch                        irritierend, weil Sie die Tochter von Pastor                        Horst Kasner sind, der sich schon in der DDR wie                        kaum ein Zweiter gegen die Massentierhaltung                        ausgesprochen hat. Bis zu seinem Tod im                        September 2011 hat Ihr Vater gegen die                        Massentierhaltung gepredigt und auch als Redner                        bei Demonstrationen Mitgefühl mit den Tieren                        gefordert: „Wenn der Mensch den ihm anvertrauten                        Tieren, dem Vieh, den Segen raubt, dann bringt                        er sich selbst um den Segen. ... Heute, bei                        industrieller Massentierhaltung, heißt es:                         ‚Tierproduktion', ‚Fleischproduktion’. Das sind,                        an unserer kulturellen Tradition gemessen,                        barbarische Begriffe; denn Tiere werden nicht                        industriell erzeugt. Sie werden gezeugt und                        geboren, wie Menschen eben auch gezeugt und                        geboren werden. Vieh, das ist keine Sache; das                        sind lebende Wesen, denen eine ihnen                        entsprechende Ehrfurcht gebührt. Wer sie ihnen                        vorenthält, entwürdigt nicht nur das Tier,                        sondern auch sich selbst“. Betrachtet man                        demgegenüber Ihre Äußerungen und Entscheidungen,                        Frau Bundeskanzlerin, so gewinnt man den                        Eindruck, dass das Engagement Ihres Vaters für                        Sie eher ein Grund ist, politisch das Gegenteil                        von dem zu tun, was Ihr Vater wollte.
Viele, die Ihre                        langjährige negative Haltung zum Tierschutz                        nicht verfolgt haben, waren schockiert über Ihre                        Aussagen, die Sie im November im Oberlinhaus in                        Potsdam vor vielen Zuhörern dazu gemacht haben,                        was Ihnen in Ihrer Kindheit wichtig war. Sie                        erzählten dort nämlich im Plauderton, dass Sie                        als Kind „sehen konnten, wie Tiere geschlachtet                        wurden, also ich habe mich da sehr wohl                        gefühlt“. Sie erklärten ferner: „Für die Küche                        wurde jede Woche ein Schwein geschlachtet, und                        da hab ich auch mich immer daran beteiligt“, und                        Sie ergänzten: „Also ich bin sehr glücklich,                        dass ich das alles erleben konnte“. Man müsse ja                        wissen, woher die Dinge kommen.
Aus der Forschung wissen                        wir indessen: Kinder kennen zunächst keine                        Grenze zwischen menschlichem und tierischem                        Leben. Diese wird ihnen erst beigebracht, ist                        also Teil des Sozialisationsprozesses. Kinder                        haben prinzipiell ein positives Verhältnis                        zumindest zu höher entwickelten Tieren. Das                        erstmalige Erleben eines Schlachtvorgangs ist                        für sie meistens ein Schock. Ein kindliches                        Wohlempfinden bei der Beteiligung an einem                        Gewaltakt, wie es eine Schlachtung darstellt,                        offenbart stattdessen pathologische                        Charakterzüge, die noch über die                        Gleichgültigkeit und Missachtung der Tiere                        hinausgehen.
Ihre tierwidrigen                        Entscheidungen in Sachen Tierschutz zeigen, dass                        Tiere für Sie reine Objekte sind, die man nach                        Belieben nutzen kann, wie qualvoll das in der                        Praxis auch sein mag. Ihre Aussagen, getätigt                        als kurze Bemerkungen auf einer                        Landwirtschaftsmesse und in einem Interview,                        bringen eine Sicht auf Tiere ans Tageslicht, die                        sich durch Herz- und Empathielosigkeit                        auszeichnet. Besonders betroffen macht mich Ihre                        rohe Gleichgültigkeit gegenüber dem                        millionenfachen Leid der landwirtschaftlich                        genutzten Tiere. Gerade ihnen gegenüber, die                        auch bei uns trotz Verankerung des Tierschutzes                        in der Verfassung nach wie vor und mit Ihrem                        Wissen unaussprechlichen Qualen ausgesetzt sind,                        sind wir zu einer radikalen Kehrtwende                        verpflichtet, zumal die Wissenschaft inzwischen                        ihre Leidens- und Empfindungsfähigkeit eindeutig                        belegt hat. 
Als im Januar 2005 Herr                        Eckard Wendt, Vorsitzender der                        Arbeitsgemeinschaft für artgerechte                        Nutztierhaltung, auf der Internationalen Grünen                        Woche (IGW) den damaligen Präsidenten des                        Deutschen Bauernverbandes Gerd Sonnleitner                        aufforderte, auf die betäubungslose Kastration                        von Ferkeln einzugehen, haben Sie Herrn Wendt im                        Vorbeigehen entgegnet: „Das sind doch nur                        Tiere!“ Dies zeugt von einer gefühllosen                        Einstellung gegenüber den leidenden Tieren und                        von Missachtung ihrer Würde und Bedürfhisse.
Ihre tierwidrige Haltung                        hat durch Ihre langjährige öffentliche Rolle als                        Regierungschefin und CDU-Parteivorsitzende zu                        einem Rückschritt in der agrar- und                        tierschutzpolitischen Ausrichtung der CDU                        geführt und wirft ein vielsagendes Licht auf die                        engen Verbindungen führender CDU-Agrarpolitiker                        zu den großen Agrar- und Bauernverbänden. Zu                        nennen ist hier zuallererst die                        Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann, die sich                        als ehemalige Syndika eines Agrarverbandes stets                        für die wirtschaftlichen Interessen der                        Agrarfirmen auf Kosten der Tiere einsetzt. Trotz                        unzähliger Tierschutzskandale in der                        Landwirtschaft, bei denen untätige                        Veterinärämter oft unter Leitung von                        CDU-Landräten eine beschämende Hauptrolle                        spielen, kommt Ihre Fraktionskollegin in ihrer                        Rede zum Neujahresempfang 2017 des                        Bundesverbandes Praktizierender Tierärzte zu dem                        Schluss: „Dass es den Tieren in Deutschland so                        gut geht – daran haben Sie als Tierärzte einen                        großen Anteil. Dafür gebührt Ihnen Respekt und                        Dank!"
Das tierschutzpolitische                        Versagen der von Ihnen geführten Partei zeigt                        sich auch an den Bundestagsabgeordneten Johannes                        Röring und Josef Rief sowie an der                        Landtagsabgeordneten Christina Schulze Föcking,                        die ihr Amt als nordrhein-westfälische                        Landwirtschaftsministerin erst kürzlich aufgeben                        musste. Der Bauernverbandsfunktionär Röring, der                        stellvertretend im Ausschuss für Ernährung und                        Landwirtschaft sitzende MdB Josef Rief und vor                        allem auch Frau Schulze Föcking sind oder waren                        an landwirtschaftlichen Betrieben beteiligt, in                        denen nachweislich schlimmste Tierquälereien                        verübt wurden, die auch bildlich dokumentiert                        sind. Ein weiteres Beispiel einer in einen                        Agrar- und Tierschulzskandal verstrickten                        CDU-Politikerin ist Astrid Grotelüschen, die                        2010 von ihrem Amt als niedersächsische                        Landwirtschaftsministerin zurücktreten musste                        und seit 2013 nichtsdestotrotz ebenfalls im                        Bundestag sitzt.
Mit Ihrer lobbynahen                        Agrarpolitik haben Sie und Ihre Partei sich von                        dem christlichen Auftrag des Schutzes der Tiere                        als Bestandteil der Schöpfung entfernt. Die                        katholische Kirche geht diesen Weg denn auch                        nicht mehr mit. Papst Franziskus betont in der Laudatio                          si, dass Gottes lebenspendender Geist in                        allen Geschöpfen wohne und dass die                        nichtmenschlichen Geschöpfe durch „einen Vorrang                        des Seins vor dem Nützlichsein" charakterisiert                        seien. Basierend auf diesem Wertefundament                        spricht sich beispielsweise der Berliner                        Erzbischof Heiner Koch entschieden gegen die                        bestehende industrielle Tierhaltung aus. Er                        sagte im Januar 2017 in einem Rundfunkbeitrag:                         „Wir können die Augen nicht verschließen vor                        katastrophalen Zuständen in den großen                        Tierfabriken". So würden Schweinemäster Tiere,                        die nie Tageslicht sehen, wie ein technisches                        Fließbandprodukt behandeln und unter unsäglichen                        Bedingungen schlachten. Rinderzüchter würden                        ihren „Tieren brutal Gewalt antun, indem sie sie                        auf Tausende Kilometer lange Transporte durch                        halb Europa schicken“. Und auch auf                        evangelischer Seite engagieren sich viele                        Theologen und Gläubige gegen den derzeitigen                        Umgang mit den sogenannten Nutztieren, was                        seinen Ausdruck u.a. in verschiedenen                        EKD-Papieren findet.
Ich fordere Sie hiermit                        im Namen vieler Tierschützer und Tierrechtler                        und der Mehrheit der deutschen Bundesbürger auf,                        Ihrer Verantwortung gegenüber den Tieren als                        unseren Mitgeschöpfen wenn schon nicht als                        Christin, so wenigstens als dem Grundgesetz                        verpflichtete Kanzlerin gerecht zu werden. Dies                        beinhaltet u.a. die Aufforderung, die Interessen                        und Bedürfnisse von Tieren  nicht weiter  hinter                        die  wirtschaftlichen  Partikularinteressen  der                        Agrarindustrie zu stellen.
In diesem Sinne grüßt                        Sie
Dr. Eisenhart von Loeper
 









