Dienstag, 3. Februar 2009

Das Reformhaus und B.N.








Das Reformhaus und unsere Familie - dies hat eine lange Tradition! Als ich neulich mal wieder im Dessauer Reformhaus am Markt Margarine und Marmelade einkaufte, da erinnerte ich mich an diese Tradition. Schon mein Urgroßvater Max kaufte im Reformhaus in den 20er Jahren ein und dies obwohl der Einkaufsweg – er ging natürlich zu Fuß – von der Ziebigker Schulstraße bis in das Stadtzentrum ein weiter war. Abends wurde bei meinem Urgroßvater gelesen. Da meine Mutter sehr oft bei Ihrem Großvater und ihrer Tante war, erzählte sie mir dies. Man setzte sich in das Wohnzimmer und es wurde die Gaslampe angezündet, neben Romanen las man vorrangig die Hefte der Reformbewegung, wie die „Reform-Rundschau“, die „Neuform-Rundschau“, die „Thalysia-Monatshefte“ und andere. Da unsere Familie schon immer gesammelt hat, haben wir natürlich auch einige dieser Hefte aufgehoben und ich möchte den werten Lesern meines Blogs ein paar Scans aus diesen Heften, die aus den 30er Jahren stammen, zeigen. Neben viel wissenswertem auf allen Gebieten, z.B. wie in dem einen Scan zu sehen, wie Seife hergestellt wird oder wie man sich gesund ernährt, gab es vielerlei Kochtipps und natürlich viel Reklame. Wenn ich die alten Hefte durchblättere dann finde ich viele Firmennamen die noch heute existieren und deren Produkte man noch immer im Reformhaus kaufen kann, wie „Schoenenbergers Johanniskrautsaft“, „Dioderma-Creme“, alle möglichen „Neuform“-Produkte oder die von „Eden“ bis hin zu den Kosmetika von „Arya-Laya“.

Auch meine Großmutter kaufte im Reformhaus Hederich. Sie war dort befreundet mit einer Verkäuferin und da gab es dann ab und an auch mal diese oder jene Bückware besonders im Krieg wo man nur auf Marken einkaufen konnte. Sowohl Herr Hederich wie auch seine Verkäuferinnen sollen eine sehr gute Verkaufskultur gepflegt haben und sollen neben vornehmen Auftreten auch selbst durch ihre körperliche Gesundheit ausgestrahlt haben und waren da persönlich die beste Werbung für die gesundheitsfördernde Wirkung der Reformprodukte.

Auch meine Mutter kaufte im Reformhaus und ich erinnere mich daran, dass sie als sie 60 wurde und sie das erste mal in der DDR-Zeit als Rentnerin in den Westen fahren durfte (Rentner durften ja in der DDR in den Westen reisen, was der übrigen Bevölkerung mit Ausnahmen verwehrt war, aber man wurde als Frau wenigstens mit 60 Jahren Rentner, was im „freien“ Westen jetzt nicht mehr der Fall ist. Da mußten Frauen schon immer bis 65 arbeiten und Dank der Politik des „Sozial“demokraten Müntefering und Konsorten sogar bis 67!), dass sie da im Westen auch in ein Reformhaus ging und dort eine Kleinigkeit kaufte und auch dort die gute Verkaufskultur erlebte.

Ich selbst kaufte auch im Reformhaus, sogar sehr oft, besonders gern die leckeren Fruchtschnitten der Firma Viebahn. Dies kam dadurch, dass ich viele Jahre lang ja im Antikhandel Schmidt (früher Speler) tätig war und der Laden in der Ferdinand-von-Schill-Straße gegenüber dem Reformhaus Hederich lag. Dies war Anfang der 80er Jahre und Inhaberin des Reformhauses Hederich war Frau Mühle. In dieser Zeit gab es kaum noch Reformprodukte und dementsprechend war auch der Umsatz. Von unserem Schaufenster konnte man genau in das Schaufenster des Reformhauses sehen und da stand oftmals Frau Mühle stundenlang allein ohne das ein Kunde sich dort blicken ließ. Auch die Auslagen im Schaufenster vergilbten allmählich wie z.B. ein „Thalysia“-Büstenhalter, an den ich mich erinnere, weil mein Chef, der Herr Schmidt, öfter über dieses antik wirkende Stück den Kopf schüttelte und meinte dass doch dies zu unmodern sei um von einer Frau noch getragen zu werden. Nach dem Tode von Frau Mühle war dann auch bald Schluß und das Reformhaus machte zu. Nach der Wende gab es dann wieder Reformprodukte und einen Laden, zuerst im Rathaus-Center und dann auch noch in der Wagner-Passage. Letzterer zog um und befindet sich nun in der Ladenstraße am Markt.

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