Donnerstag, 9. Januar 2014

Ausgestorben: Anhaltische Volkslieder


Ich habe mal wieder in meinem anhaltischen Volksliederbuch aus den 20er Jahren geblättert und mußte feststellen, daß nicht ein einziges der dort verewigten anhaltischen Volkslieder noch irgendwo gesungen wird. Das anhaltische Brauchtum steht nur noch in alten Büchern, im Leben der Anhalter ist es gänzlich verschwunden. Das ist insofern bedauerlich, da in anderen deutschen Landstrichen das Brauchtum noch einen hohen Stellenwert hat und Volkslieder sind meiner Meinung nach ein sehr wichtiger Bestandteil der Identität eines Landstrichs.

Schon die SED-Sozialfaschisten versuchten anhaltische Identität den Menschen auszutreiben, allein die Bildung von Bezirken die landsmannschaftliche Grenzen außer acht ließ, war dazu ein Mittel. So schlug man einfach einen Teil Anhalts zum preußischen Bezirk Magdeburg und einen anderen Teil dem sächsischen Bezirk Halle zu. Anhaltische Identität wurde damit klein gemacht. Wer da nun meinte, nach der Wende würde sich alles ändern, der wurde enttäuscht, das Gegenteil war der Fall! Anhalt wurde vor ein paar Jahren restlos zerschlagen, durch die Bildung von Landkreisen wo anhaltische Kreise völlig untergingen, da denke man nur an den künstlichen Landkreis Anhalt-Bitterfeld, wo Köthen und Zerbst auf einmal mit Bitterfeld zusammen gelegt wurden. Daß dies landsmannschaftlich überhaupt nicht paßt, dies liegt auf der Hand und daß damit anhaltische Identität vor die Hunde gehen muß, das ist auch einleuchtend. Sollen sich die Zerbster als alte Anhalter, jetzt als Anhalt-Bitterfelder fühlen? Einem Bitterfeld, mit dem sie sprachlich, traditionsmäßig und mental so gut wie nichts gemeinsam haben, während alte anhaltische Gebiete neben Zerbst wiederum Wittenberg zugeschlagen wurden, wie Wörlitz und Oranienbaum, Städte die Jahrhunderte lang engstens zu Dessau gehörten. Es ist klar, daß wenn die Hauptstadt eines Landkreises Wittenberg heißt, daß von dort aus kein Interesse besteht anhaltische Volkslieder am Leben zu erhalten.

Ich habe ein paar Seiten des anhaltischen Volksliederbuches mal eingescannt, auch das Inhaltsverzeichnis der dort mit Noten veröffentlichten 50 anhaltischen Volkslieder. Der Buchschmuck und die Grafiken stammten von Paul Heil, zusammengestellt wurde das Buch von dem bekannten anhaltischen Volkskundler Alfred Wirth, erschienen im C. Dünnhaupt-Verlag, Dessau. Interessant ist, daß Wirth die einzelnen Volkslieder Orten zuordnete, so z.B. das Volkslied „Des Kaisers Töchterlein“ Zerbst oder das Volkslied „Das Mädchen und das Bäumchen“ dem Dorf Natho. Da das Volkslied „Das Schloß in Österreich“ aus Dessau stammen soll, es Wirth auch Dessau zuordnete, habe ich es mal ganz eingescannt. Wenn man den Text liest, wo ein junger Mann (aus Dessau stammend?) auf einem Schloß in Österreich eines Diebstahls zu Unrecht beschuldigt wurde und dem Henker überantwortet wurde, so stellt sich mir die Frage, ob es für dieses Volkslied einen realen Hintergrund gab, was anzunehmen ist, denn daß ein Volkslied in Dessau gesungen wurde, was von einem Schloß in Österreich handelt, ohne einen Bezug zu Dessau, dies wäre schon recht unwahrscheinlich.






 

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