Wer die letzten Tage als Auswärtiger das Stadtfest in Dessau zum 800. Geburtstag von Dessau besucht hat, der muß der Meinung gewesen sein, daß Dessau die Hochburg des Militarismus gewesen sei, da die 800-Jahr-Feier von Militärnostalgikern dominiert wurde, die im Dessauer Stadtpark ein ganzes Heerlager (Nachfolge des unseligen „Leopoldfestes“, welches nach der Wende schon mehrere Male stattfand) aufgeschlagen hatten. Ja, es gab schon in der Kaiserzeit, der Weimarer Zeit, der DDR-Zeit und besonders in der Nazizeit viele militaristisch eingestellte Bürger die in diversen Vereinen ihr Unwesen trieben, aber es gab natürlich auch die demokratischen Kräfte, pazifistisch und fortschrittlich eingestellt und dem ganzen Drill in Uniformen mitsamt Orden, Fahnen, Exerzieren und Tschingderassa ablehnend gegenüber. Wenn man bedenkt, daß in der Weimarer Zeit in Dessau ewiggestrige deutschtümelnde Spießbürger in miefigen Gaststätten beim Bier saßen und dort unter dem Bildnis des militaristischen anhaltischen Fürsten Leopold I. („Alter Dessauer“), ihre Kriegervereinssitzungen abhielten, nationalistische Lieder singend und von neuen Kriegen träumend, da wurde zur selben Zeit auf der Bauhausbühne Oskar Schlemmers dadaistisches triadisches Ballett vor fortschrittlichem Dessauer Publikum gegeben, siehe:
Und Feininger malte in Dessau seine abstrakten Bilder, siehe (Bild bei Antikhandel Neumann, http://antikhandelneumann.npage.de):
Das war natürlich für die militaristischen Spießbürger nichts und sie geiferten gegen die „Unkultur“, eine Unkultur die im Gegensatz zu ihrer „Kultur“ eine humanistische war, die Krieg und Soldatenelend ablehnte, wie das z.B. in den Bildern eines Grosz zum Ausdruck kam, der all das reaktionäre in der Weimarer Republik aufs Korn nahm, siehe (wunderbar wie Grosz in diesem Bild den Militär malte, entkleidet vom falschen Pathos):
Daß die Verherrlichung des Militärs, die sogenannte militärische Traditionspflege, in der Weimarer Zeit in Dessau maßgeblich dazu beigetragen hat, daß schon 1932 die Nazis die Mehrheit im Landtag bekamen, dies steht auch außer Frage. Ich wunderte mich sehr, daß zum 800. Geburtstag der Stadt Dessau, all diese Militärvereine das Stadtfest bestimmten (http://barrynoa.blogspot.de/2013/07/800-jahre-dessau-militaristischer.html), wo es doch z.B. in der Zeit die da verherrlicht wurde auch viel anderes gegeben hat, was es weit mehr verdient hätte als das Militär oder gar der Mörder im Fürstenrock Leopold, siehe die historische Tatsache, daß indem der „Alte Dessauer“ geehrt wird, ein Mörder geehrt wird (http://barrynoa.blogspot.de/2013/07/800-jahre-dessau-furst-leopold-i-das.html), so z.B. die Präsentation der Chöre, die seit vielen Jahrhunderten auch in Dessau eine große Massenbasis hatten und noch haben. So wurde z.B. die berühmte Dessauer Liedertafel 1821 von dem Dessauer Dichter Wilhelm Müller und dem Dessauer Komponisten Friedrich Schneider gegründet - berühmte Persönlichkeiten die es viel mehr verdient hätten beim 800-Jahrfest der Stadt Dessau 2013 geehrt zu werden als der Militarist und Mörder Fürst Leopold I.
Die vielen Männergesangsvereine in Dessau waren Legion, so auch der Männergesangsverein „Harmonie“, dessen Fähnchen zum 60jährigen Bestehen 1930 ich fotografiert habe, daneben ein Abzeichen vom Anhaltischen Sängerbundesfest am 20. und 21. Juni 1931, welches groß in Dessau gefeiert wurde, siehe:
Meine Großmutter war z.B. lange Jahre Mitglied des bekannten „Gemischten Chores Dessau“, einem durchaus fortschrittlichen Chor in welchem viele Dessauer aus der Reformbewegung mitmachten, welche die Trennung von Mann und Frau überwinden wollten (Gemischter Chor, d.h. in ihm waren Männer und Frauen gleichberechtigt). Hier ein Schreibzeug aus der Zeit um 1900 mit einer Widmung vom Gemischten Chor Dessau, erhältlich beim Antikhandel Neumann (http://antikhandelneumann.npage.de):
Interessant der Hinweis von Herrn Berger, der mir telefonisch mitteilte was er von seinem Vater früher mal erfahren hatte, der 1932 als unbeteiligter Bürger mit ansah wie die Dessauer Nazis einen „Leopoldtag“ veranstalteten. Ein SA-Führer aus Zerbst soll sich als Leopold I. kostümiert haben und mehrere andere SA-Leute sollen in historischen Uniformen Mummenschanz vollführt haben. Dabei sollen sie von Dessauern (KPD?) überfallen worden sein, die seit Mitte der 20er Jahre an einem bestimmten Tag immer des Dr. Grätz gedachten, der von Leopold ermordet worden war. Dies ist interessant, vielleicht weiß dieser oder jener Leser mehr darüber, eventuell auch Zeitungsausschnitte, falls darüber berichtet wurde? Jedenfalls zeigt dies, daß fortschrittliche Bürger noch 1932 lieber dem Opfer Dr. Grätz gedachten, als einen Militaristen und Mörder zu ehren. Es ist schon merkwürdig, daß die Stadt Dessau im Jahre 2013 auch der Leopoldverehrung verfallen ist und der von Leopold Ermordete Dr. Grätz nicht mal mehr erwähnt wird, statt ihm ein Fest zu widmen.
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