Montag, 22. Juli 2013
Feldpost von Unterarzt Fritz Uhlmann aus dem Unterstand "Jägerheim", Westflandern, 30.3.1915
1915 dachte man noch an einen kurzen „Feldzug 1914/15", wie das meine eingescannte Feldpostkarte von Ostern 1915 zeigt. 1914/15 herrschte ja allenthalben noch große Kriegsbegeisterung, sogar die SPD stimmte den Kriegskrediten im Reichstag zu (einzigste Gegenstimme: Karl Liebknecht). Man meinte es würde wieder so wie 1870/71, wo man einen kurzen grandiosen Sieg errang. Je länger der Krieg andauerte, wurde aber das ganze Elend des Krieges deutlich, nichts mit schnellem Sieg, sondern Verrecken der Soldaten in dem bekannten Stellungskrieg durch Granaten und Gas und in der Heimat wurden die Lebensmittel knapp, zwei Drittel der Zivilbevölkerung litten Hunger und dies bis weit nach dem Krieg, siehe auch aus meiner Sammlung meine eingescannte Brotkarte aus dem Jahre 1917. Erst 1925 wurde es besser. Die Schrecken des Krieges waren also nicht nur auf das Soldatenelend beschränkt.
Daß nun im Jahre 2013 die Stadt Dessau ihre 800-Jahr-Feier mit all dem militaristischen Mummenschanz feierte, wie geschehen, dies ist mir schleierhaft, wo es doch nichts schlimmeres gibt als eine Verherrlichung des Soldatenlebens, der Uniformen, der Herrscher die Bürger und Bauern in die Armee preßten, sie dort mit Drill zu Kadavergehorsam erzogen, dem Kriegshandwerk als dem großen Todesbringer über viele Jahrhunderte hinweg. Es ist schon erstaunlich wie sich dieser preußische Ungeist erhalten hat, aber man kannte das ja schon aus der DDR-Zeit, wo es Typen gab, die sich freiwillig für einen längeren Dienst bei der NVA meldeten als gesetzlich vorgeschrieben, wo es Typen gab, die freiwillig bei den „Kampfgruppen der Arbeiterklasse“, einer paramilitärischen Organisation der SED-Sozialfaschisten, mitmachten. Da ist es dann wohl doch nicht so verwunderlich, daß militaristischer Geist immer noch lebt und dies sogar stärker denn je, trotz der 68er-Bewegung gegen Militarismus und gegen einen unfreiheitlichen Staat, trotz der Friedensbewegungen in Ost und West in den 80er Jahren.
Die eingescannte Feldpostkarte aus meiner Sammlung ist insofern interessant, da sie eine Klappkarte ist und Dienstgrad und Division auf ihr vermerkt sind. Ein Fritz Uhlmann schrieb diese Karte und er zählte als Unterarzt zweifellos zu den Privilegierten an der Front, wie z.B. die höheren Offiziere. Interessant aber dennoch das was er schreibt, daß nur wenige hundert Meter von ihm entfernt die Front war und die Kugeln pfiffen. Bestimmt hatte er als Arzt nicht nur Lappalien zu behandeln gehabt, was er leider nicht schrieb. Es war ja allgemein üblich, daß in den Nachrichten von der Front nach zuhause, die schlimmen Dinge des Krieges fast immer ausgeblendet wurden, dies nicht nur der Zensur wegen, sondern auch der Schere im Kopf wegen, unter dem Motto: An der Front ist man tapfer und schreibt seinen Lieben in der Heimat nicht die schreckliche Wahrheit des Krieges.
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