Mittwoch, 17. Juli 2013

Die Dessauer Villa "Krötenhof" und die anhaltische Sage vom Krötenring




 
In der Dessauer Wasserstadt sticht einem besonders die große Villa gleich linker Hand ins Auge. Diese Villa, die einst dem bekannten Dessauer Zuckerbäcker Flemming gehörte, und die heute ein Freizeitzentrum für jung und alt, den „Krötenhof“, beherbergt, ist schon ein wahres Prachtstück nicht nur von außen, sondern auch innen ist sie mit Marmor und Holztäfelungen ausgestattet die seinesgleichen in Dessau suchen, jedenfalls was Bauten des Gründerzeitstils anlangt. Wer es nicht kennt, dem empfehle ich mal dort einen Besuch abzustatten. Zur Geschichte der Villa, siehe: http://www.jks-dessau.de/cgi-bin/contray/contray.cgi?DATA=&search=kröte&ID=000&GROUP=009 (dort Schreibfehler, da Zuckerbäcker Flemming nicht Flämming hieß! B.N.)
 
Auch außen ist die kleine Parkanlage an der Villa reizvoll. Im Frühjahr ist dort eine überwältigende Magnolienblüte zu bewundern und jetzt im Sommer erfreut einen, neben einem schattigen Parkabschnitt (1. und 2. Foto), der Krötenbrunnen (3. und 4. Foto), welcher der Villa seinen jetzigen Namen gibt. Diese Kröte soll an die wohl bekannteste Dessauer Sage, die Sage vom Krötenring erinnern. Daß die Sage einen wahren Kern hat, nämlich diesen alten Ring, den es tatsächlich gab, dies ist Tatsache.
 
Nur hat der wahre Kern leider nichts damit zutun, daß eine Dessauer Fürstin besonders tierlieb war und eine Kröte gefüttert hat (das wäre schön gewesen!), sondern es scheint ganz einfach ein sprachlicher Übermittlungsfehler zu dieser Sage geführt zu haben und besagter Ring stammte natürlich nicht von einer Kröte, sondern von der damaligen Fürstin Grethe (eigentlich. Margarethe, siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Margarethe_von_M%C3%BCnsterberg), einer Fürstin deren Herrschaft allgemein als positiv gesehen werden kann, auch ihre Person selbst, im Gegensatz zu dem späteren Militaristen Leopold I. (Alter Dessauer). Da Margarethe am katholischen Glauben festhielt, die nachfolgenden Fürsten aber Protestanten waren, so wurde das Andenken an sie offiziell nicht sehr in Ehren gehalten, allerdings im Volke schon, wo allerdings in der Sage vom Krötenring der Volksmund aus einer Grethe eine Kröte machte, besser verballhornte. Diese Kröte wurde aber im Gegensatz zu der sonstigen damaligen Abneigung gegenüber einer Amphibie immer positiv gesehen. Dies ist allerdings meine ganz persönliche Sicht zu dieser Sage.

 
Der Krötenring gehört zum Juwelenschatz des herzoglichen Hauses Anhalt. Es ist ein altertümlicher Ring von etwas bleichem Golde, sehr breit, nach unten schmalzulaufend und dort offen. Die Steine darin sind drei roh geschliffene Diamanten, der mittlere viereckig, die beiden zur Seite dreieckig. Der Ring ist zweifellos ein Damenring und trägt die Spuren langjährigen Tragens. Seine Entstehungszeit dürfte in das 15. Jahrhundert zu legen sein. Er wird sehr sorgfältig aufbewahrt, seitdem einmal durch augenblicklichen Verlust desselben in der Tat ein Unglück geschehen sein soll - wie die Leute sagen.
 
 
Hier drei verschiedene Fassungen der Sage vom Krötenring:  

1. Fassung:
 
Man erzählt, dass vor vielen Jahren eine Fürstin zu Anhalt in der fürstlichen Residenz zu Dessau, als sie hochschwanger gewesen, zu Zeiten in ihrem Gemache allein gespeist, und nach getaner Mahlzeit die auf der Serviette gesammelten Brocken aus dem Fenster habe schütten lassen. Es hätte sich aber dabei allezeit eine ziemlich große Kröte unter dem Fenster gefunden und diese Brocken verzehrt. Einige Zeit hernach aber, als sie bei dunkler Nacht im Bette gelegen, wäre eine unbekannte Frauensperson mit einer Laterne in der Hand zu ihr vor das Bett gekommen und hätte zu ihr gesagt: Ihre Frau Kröte dankte sehr fleißig für die Brocken Brots, so sie unter ihrem, der Fürstin, Fenster genossen, und schickte ihr diesen Ring zur dankbaren Erkenntnis, welchen sie wohl bewahren und Sorge tragen möchte, dass er allezeit in diesem fürstlichen Hause bleibe, so würde es denen darin wohnenden von dem fürstlichen Hause Anhalt wohlergehen, und der Stamm nie aussterben. Man sollte auch alle Christnacht in diesem Schlosse fleißige Aufsicht auf das Feuer haben, weil dasselbe in solcher Nacht leichtlich in Brand geraten und ganz und gar abbrennen würde.

Quelle:

"Die Dessauer Chronik" im Heft 1
Nach dem Original von 1924 aus dem Heimatbücher-Verlag
von Bernhard Heese in die lateinische Druckschrift übertragen

© Funk Verlag Bernhard Hein e.K. 2003.


2. Fassung:

Vor alten Zeiten lebte in Dessau eine Fürstin, die war so gütig und mildtätigen Herzens, daß sie nur immer darauf bedacht war, den Menschen, die es nötig hatten, Gutes zu erweisen. Wer von den Untertanen Not litt oder Sorgen hatte, kam zu ihr, und wenn sie irgend konnte half sie mit ihrem Rat und ihren Gaben. Wie für die Menschen, Brocken unt Brotsamen, die beim Essen abfielen, nicht achtlos beiseite, sondern strich sie fein sorgsam auf dem Mundtuche zusammen und schüttet sie vor das Fenster. auf daß die Vögel davon Speise hätten. Das tat sie jeden Tag und freute sich, wenn es den kleinen Sängern oder auch den nitznutzigen Spatzen schmeckte. Eines Tages sah sie nun, wie eine große Kröte schwerfällig auf dem Boden dahinkroch, unter dem Fenster der Fürstin stille hielt und von den Brotsamen, die auf die Erde gefallen waren, nahm. Von da ab kam das Tier jeden Tag, lange Zeit hindurch.
In einer Nacht nun lag die Fürstin zu Bett und konnte nicht schlafen. Da stand mit einem Male einde fremde Frauensperson mit einer Laterne in der Hand vor ihrem Lager. Wie sie hereingekommen, war ganz rätselhaft. Die Fürstin erschrak zuerst sehr, aber die Fremde sagte, sie möge sich nicht sorgen, sie habe nichts böses im Sinne. Ihre Frau Kröte habe sie gesandt, um der Fürstin für die Brocken Brotes zu danken, die sie unter dem Fenster des Schlosses erhalten habe, und schicke ihr aus dankbarer Erkenntnis einen Ring. Diesen möge die Fürstin aber wohl verwahren und dafür Sorge tragen,daß er immerdar im fürstlichen Hause bleibe. Solange dies gehalten werde, solle es den im Schlosse Wohnenden vom Stamme des Hauses Anhalt wohlergehen und der Stamm werde nicht aussterben. IN der Christnacht aber solle man im Schlosse fleißig aufsicht auf das Feuer haben, weil sonst in einer solchen heiligen Nacht das Schloß leicht in Brand geraten und ganz und gar abbrennen könnte. Damit verschwand die Frauensperson so geheimnisvoll, wie sie gekommen war, und die Kröte wurde von da an nicht wieder unter dem Fenster gesehen.

Quelle: Anhaltisches Sagen- und Geschichtenbuch


3. Fassung:

Die Fürstin, der der Ring zum Geschenk gemacht wurde, lag eines Nachts zu Bette und konnte nicht schlafen. Da kam eine Frauensperson mit einer Laterne vor ihr Lager und bat sie sehr höflich undf flehend, sie möge doch aufstehen und mit ihr kommen. Denn Ihre Frau liege in Kindesnöten schwer danieder und könne nicht entbinden, wenn die Fürstin ihr nicht mit ihrem Trostspruch zur Seite stehe. Die Fürstin mochte sich zwar erst nicht auf dieses seltsame Abenteuer einlassen, aber die Frauensperson, die eine Wendin aus einem der an der Mulde gelegenen kleinen Dörfer zu sein schien, bat so flehentlich und versicherte immer wieder, daß die Fürstin ohne alle Fährnisse hin und zurück geleitet werden würde, daß sie sich endlich erhob, ankleidete und mit der Wendin ging. Sie stiegen zuerst in den Keller des Schlosses hinab und kamen vor eine für gewöhnlich verschlossene, alte Tür. Die Führerin öffnete sie ohne Mühe, und ein feuchter, dunkler Gang wurde sichtbar. Die Frau mit der Laterne stieg ein paar Stufen hinab und bat die Fürstin, ihr unverzagt zu folgen. Wohl graute es der Dame, aber sie überwand sich und schritt beherzt der Fremden nach. In dem Gange lebte es von Schlangen, Molchen und anderen scheußlichen Nachtgetier. Von den Wänden rann das Wasser, und die Luft war feuchtkalt und drückend, daß die Fürstin erst meinte, sie müsse ersticken. Doch sie ging mutig weiter. Da hörte sie über sich das Wasser des Wehrs brausen und die Räder der Mühle knirschen und in das Wasser schlagen. Sie ging also unter der Mulde und der Mühle durch. Dann steig der grauenvolle Pfad, die Luft wurde freier und in einem dichtem Gebüsch in der jenseitgen Muldaue kamen sie wieder an die freie Luft. Das tat der Fürstin wohl, und wenn sie sich auch fröstelnd in ihren Mantel hüllte, schritt sie doch rüstig aus, immer hinter der Führerin her, um so blad als möglich ans Ziel zu kommen.
Durch Auen und Wiesen ging es in der dunklen und stürmischen Nacht, bis sie endlich vor einem kleinen Fischerhause am Ufer der Mulde bei Kleutsch standen. Dort hielt die Führerin an und bat die Fürstin, einzutreten. Die Fürstin tat dies und fand, wie die Wendin gesagt hatte, eine Frau in Kindesnöten. Die Fürstin, in allen Diensten der Nächstenliebe erfahren, half ihr getreulich und wurde dann von der Wendin, die sie geholt hatte, auf dem gleichen Wege ohne alle Fährnis wieder in ihr Gemach geleitet. In einer der folgenden Nächte kam die Frauensperson mit der Laterne abermals an das Bett der Fürstin, dankte namens ihrer Frau vielmals für das, was die Fürstin an ihr getan, und übergab ihr als Zeichen ihrer tiefen Dankbarkeit den Ring, wobei sie hinsichtlich der Bedeutung desselben und der Feuerbewahrung das gleiche sagte, was schon aus der zuerst erzählten Form der Sage bekannt ist.

Wie es die Geberin geheißen, so wurde der Ring immerdar sehr sorgsam aufbewahrt. Als er einmal für kurze Zeit in Verlust gekommen war, soll es der Sage nach in der Tat zu einem Unglück geführt haben.
Auch wurden von da ab an jedem Weihnachtsabend alle Feuer im Schlosse gelöscht, und der Hausmeister musste durch alle Räume Rundgang halten, auf daß dem Schlosse kein Brandschaden zustoße. Daran hat man hundert Jahre und mehr festgehalten.

Quelle: Anhaltisches Sagen- und Geschichtenbuch

 
Zu dem „Anhaltischen Sagen- und Geschichtenbuch“, siehe auch meinen ausführlichen früheren Blogbeitrag: http://barrynoa.blogspot.de/2011/04/bernhard-heeses-anhaltisches-sagen-und.html, hier der Scan mit der bekannten Zeichnung von Max Korn: 
 

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