Montag, 22. Juli 2013

Militaristische Kitsch-Postkarten von 1915







„Fröhlich will ich oft noch melden,

Euch die Siege unsrer Helden.

Aber ist der Krieg vorbei,

Schlage die Pauke ich entzwei.“ -
 
so lautet der Spruch auf der ersten von mir eingescannten Postkarte von 1915. Nun viel Siege gab es nicht mehr 1915 und die Pauke zerschlagen, dies wäre keine schlechte Idee gewesen, aber nicht erst nach dem Kriege, sondern schon damals als sich viele Künstler dem allgemeinen Kriegsrausch hingaben und Propaganda für den Krieg machten, sei es durch Postkarten-Kitsch oder mit echter Kunst.
 
Immer auch müssen Kindermotive herhalten um für den Krieg zu werben, siehe 2. und 3. Postkarte. Bei der 3. Postkarte sitzt sogar ein Kleinkind in seinem Stühlchen, hat den Stahlhelm mit der bekannten Pickel auf dem Köpfchen und schwingt einen Kasper wie einen Säbel, fürwahr ein makabres Motiv. Weibliche laszive Erotik muß dagegen bei der 4. Postkarte für verlogenen Patriotismus herhalten - eine Zigarette rauchende (ein Sakrileg zur damaligen Zeit) Dame mit Soldatenmütze auf dem Lockenkopf.
 
Ja und so stellte sich Lieschen Müller vor wie ihr Ehemann an der Front stehen würde, in schneidiger Uniform, die natürlich tadellos sauber, siehe 5. Postkarte. Landstreitkräfte und Seestreitkräfte gemeinsam gegen den Feind, siehe 6. Karte. Noch makabrer: Die beiden zwergenhaften Gebrüder Horn, in Friedenszeiten auf Jahrmärkten als Schausteller in Abnormitätenkabinetten unterwegs, in Uniform, siehe 7. Postkarte. Ja und dann die Wunderwaffe Zeppelin, die dann doch keine war, wo sich angeblich Belgien übergeben mußte, siehe 8. Postkarte.
 
Von dem damals sehr bekannten und anerkannten Künstler Angelo Jank stammt die 9. Postkarte, die Kaiser Wilhelm I. hoch zu Ross an der Front zeigt, von jubelnden Soldaten beim siegreichen Feldzug gegen Frankreich 1870/71 begrüßt, ein Motiv was suggerieren soll, daß es 1914/15 auch bald so wie 1870/71 ausgehen werde. Dem wirklichen Kriege schon näher, die 10. Postkarte eines Meldereiters, die Schrecken des Krieges durch einen blutroten Hintergrund symbolisierend, eine Grafik die sich wohltuend von der sonstigen Propagandakunst abhebt. Idyll dagegen bei der 11. Karte: „Rasiren im Biwak“. Die 12. Postkarte ist eine Wohlfahrtskarte „Zum Besten der Waisen des deutschen Kriegerbundes“, die Waisen in Kinderuniformen spielen Krieg, dies obwohl ihre Väter gefallen sind? Was sich der Grafiker wohl dabei gedacht hat? Die Postkarten 13 bis 18 zeigen eine Serie unter dem Motto:

„Der Kaiser rief. Der Landsturmmann

Legt ab sein schlichtes Bürgerkleid.

Hart ist die Pflicht, doch allvoran

Geht sie dem Brave allezeit.“

Abschied von den Lieben daheim ist der Tenor dieser Postkartenserie, die Trennungsschmerz zuläßt, aber die auch suggeriert, das es nötig ist, daß Vater in den Krieg zieht.
 
Die letzte Karte muß von einem Künstler geschaffen worden sein, der es wagte Kritik am Militär zu üben: „Am Feldherrnhügel“. Hier sind die Feldherren wunderbar karikiert worden, diese ordenbesäten in blitzblank geputzten Stiefeln wie die Gockel einher schreitenden Kriegstreiber, das Pack für die die einfachen Soldaten sterben sollten - eine tolle Postkarte die zeigt, daß es früher auch Menschen gab, die künstlerisch dem unmenschlichen Militarismus die Maske vom Gesicht rissen und die Fratzen der Militärs sichtbar machten, allerdings stammt die Karikatur aus dem Jahre 1908 (Poststempel von 1915), ist also zum Ende einer langen Friedenszeit entstanden und da war allgemein fortschrittliches Denken allenthalben angesagt: Reformbewegung, Jugendstil, Freikörperkulturbewegung, soziale Bewegungen, Pazifismus - all das was 1914 durch reaktionären Zeitgeist wieder in den Hintergrund gedrängt wurde.
 
Die Geschichte verläuft eben wellenförmig, auf fortschrittliche Zeiten folgen Zeiten der Reaktion und des Roll-Back, dies sieht man sehr deutlich auch an dem derzeitigen reaktionären Zeitgeist, einem Konservativismus den man nach der Zeit des libertären Aufbruchs von 1967 bis ca. 1990 sich kaum mehr hat vorstellen können, daß es wieder so bergab gehen könnte.

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