Dienstag, 8. Juni 2010

Auferstanden auf Ruinen


In meinem Blogbeitrag vom 22. April diesen Jahres
(http://barrynoa.blogspot.com/2010/04/das-gleichnis-vom-armen-haselnubaumchen.html )
schrieb ich über die Kindheitserinnerung an eine Birke die auf einer Ruinenmauer wuchs und ich meinte, so etwas gäbe es heutzutage gar nicht mehr, wo vieles in den Innenstädten nur noch steril wirkt und wo der bundesdeutsche Modernisierungswahn auf städtebaulichem Gebiet viel Flair, welches eben auch durch Alter und Verfall entsteht, vernichtet hat. In Dessau brauche ich mir nur das zu DDR-Zeiten so interessante Gebiet Dessau-Nord ansehen, wo heute dieses Flair ziemlich dahin ist. Die vielen Gründerzeithäuser wirken zwar nun wie geleckt, aber die Menschen die vordem das Wohngebiet prägten, die sind fast alle verschwunden. Allein die durch die Edelsanierungen gestiegenen Mieten vertrieben die bisherigen Bewohner und jetzt hat sich dort eine neue Schicht der Geld-Bourgeoisie eingenistet, die sich diese Mieten leisten kann oder die sich so ein großes Gründerzeithaus kaufen konnte, also hauptsächlich Beamte und mittlere und höhere Angestellte im öffentlichen Dienst und natürlich etliche Bauspekulanten aus dem Westen, die besonders in den 90er Jahren die diversen Fördertöpfe des Staates kräftig nutzten um mit möglichst wenig Eigenkapital ihren privaten Reichtum an Wohneigentum in bester Lage zu mehren.

Sogar das früher so authentisch wirkende besetzte Haus in der Schlachthofstraße sieht nach der Edelrenovierung eher wie ein großbürgerliches Haus aus, denn einem Haus der linksalternativen Szene ähnlich, gar der Hausbesetzer-Szene. Kleider machen Leute, heißt es, aber auch Häuser machen Leute, ziehen gewisse Schichten an. War Dessau-Nord früher eine Hochburg proletarischer und sozialer Randschichten mit starken linksalternativen Zügen, so ist dies jetzt nur noch in Restbeständen auszumachen. So wie die ehemals grünalternative Szene restlos verbürgerlichte und nunmehr nur eine etwas modernere FDP-Klientel an sich bindet, so verbürgerlichte auch Dessau-Nord. Vor 10 Jahren war das besetzte Haus in der Schlachthofstraße noch ein Bürgerschreck, nun gehen die Söhne und Töchter des Besitzbürgertums dort ein und aus, die Fun haben wollen. Statt Marx, Mao oder Anarchie feiert man lieber und bedient als Feigenblatt staatskonform Antifa-Ideologie, die allerdings nur gegen extreme Rechte sich lautstark Luft macht, die aber kaum mal aufmuckt wenn es um den Abbau von Bürgerrechten oder die Entrechtung von Arbeitslosen, Leiharbeitern und sonstigen von der bürgerlichen bundesdeutschen Gesellschaft Ausgegrenzten geht.

Nun, dieser Tage sah ich in der Dessauer Kantor-Straße auf einem "ruinösen" Haus zwei Birken, eine wurzelte auf einem Balkon, die andere in einer Dachrenne, so wie ich solche Ruinenbäumchen von früher in Erinnerung habe. Wunderbar, wie wacker sich diese Bäumchen in dieser unwirtlichen Höhe behaupten. Das zarte Grün der Blätter und die weiße Rinde dieser kleinen Birken können einen nur erfreuen.

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