Samstag, 25. August 2018

Verschwiegene und vergessene Dessau-Törtener Geschichte

Schwarz-Weiss-Denken ist weit verbreitet, unter den Menschen. Je weiter die Zeit des Nationalsozialismus zeitlich entfernt ist, desto hysterischer reagiert die öffentliche Meinung auf vermeintliche und echte Nazis. Während in den 60er und 70er Jahren alle möglichen NS-Funktionäre noch hohe Ämter bekleiden konnten, ein Richter, der noch wenige Tage vor der Kapitulation Soldaten zum Tode verurteilte, weil sie sich geringfügiger Vergehen schuldig gemacht hatten, Ministerpräsident eines Bundeslandes werden konnte, ja ein langjähriges NSDAP-Mitglied gar Bundeskanzler werden konnte, da jagt man jetzt alte und kranke weit über 90jährige alte ubedeutende NS-Männer. Hat man extra abgewartet, bis alle hohe Funktionen in der Bundesrepublik inne habenden alten Nazis ausgestorben sind, um nun die letzten übriggebliebenen alten unbedeutenden Nazis desto mehr zu jagen und nun da fast alle tot sind, sich desto mehr über den NS-Staat zu erregen?

In der DDR war es so, daß nur alte Kommunisten geehrt wurden, Nazis waren per se böse. Daß dies oft nicht der Wahrheit entsprach, das wurde ignoriert. In meinem Heimatort Dessau-Törten gab es in der NS-Zeit einen Ortsgruppenleiter der NSDAP, Elze mit Namen (Vorname mir nicht bekannt), der in der Bevölkerung sehr beliebt war, und das nicht nur bei Nazis. Mein Großvater war SPD-Anhänger und machte aus seiner Meinung keinen Hehl. Seine 3 Töchter, eine davon meine Mutter, durften nicht BDM-Mädel werden und dies sagte er auch diesem Elze, mit dem man offen diskutieren konnte. Elze nahm das so hin und tolerierte das, ging weiterhin freundschaftlich nachbarschaftlich mit meinem Großvater um. Als 1945 die Amis Törten unter Beschuß nahmen, welcher 14 Tage lang andauerte, da forderten fanatische NS-Leute die Törtener auf sich zum Volkssturm zu melden. Kaum einer befolgte das, außer ein paar jungen Burschen, die alle in den letzten Kämpfen um Törten fielen. Mein Großvater und der Mann seiner Schwester versteckten sich im Keller, was natürlich auch kein richtiges Versteck war, wenn die Nazis nachgeschaut hätten. Elze wußte von meinem Großvater, daß der sich nicht gemeldet hatte, aber er unternahm nichts, ließ meinen Opa in Ruhe und mit ihm viele Törtener die sich nicht zum Volksstrum gemeldet hatten, obwohl auf Nichterscheien die Todesstrafe stand.
 
Dieser Elze war nach Reden meiner Großeltern ein feiner Mensch, überhaupt nicht rabaukenhaft, sondern ein Schöngeist, Vegetarier dazu und Lebensreformer. Als die Nazis den Törtener Kommunistenführer Karl W. 1933 ins KZ steckten, da setzte sich Elze für dessen baldige Freilassung ein und sorgte auch dafür, daß er bis zum Ende des NS-Regimes nicht weiter beheligt wurde. Gedankt hat es ihm dieser W. nicht. Denn als die Amis Dessau verließen und die Russen einmarschierten, hatte er nichts weiter zu tun als diesen Elze bei den Russen als NSDAP-Ortsgruppenleiter zu denunzieren. Ohne eine Schuldhaftigkeit von Elze zu prüfen, holten ihn die Russen ab und er kam nie wieder. Ob er in Sibirien verreckte oder in einem Lager in der SBZ, das hat nie jemand erfahren. Hinter vorgehaltener Hand fanden das die Törtener, auch die NS-Gegner, alle mehr als ungerecht, zumal dieser Kommunistenführer aus seinem kleinen schäbigen Haus in das stattliche, nicht ausgebombte Haus, von Elze einzog. Die Russen enteigneten Elze und das Haus bekam dieser W. mit allem was drin war. Elzes Frau und seine Tochter mußten über Nacht ihr Haus verlassen, durften nichts mitnehmen, alles von den Möbeln, über Hausrat und Wäsche, gehörte nun diesem W. Dessen Frau gab sogar vor Nachbarn an, daß sie nun einen ganzen Schrank voller Bettwäsche besitzen würden und keinen Hunger kennen würden, in der Hungerszeit nach dem Krieg, da sie von den Russen gut versorgt würden, da ihr Mann ja ein alter verdienter Kommunist gewesen sei.
 
Besonders die eine Tochter des W. kehrte nun die feine Dame heraus und sie war es auch, die nicht weiter im Sozialismus leben wollte. Sie zog es oft nach Westberlin und dort lernte sie in den 50er Jahren einen reicher Fleischermeister kennen, der mehrere Geschäfte hatte. Während normale DDR-Bürger nur illegal die DDR verlassen konnten, da bekam diese Dame die legale Ausreisemöglichkeit in den Westen und konnte nun diesen Kapitalisten heiraten. Großes Aufsehen erregte sie immer in Törten, als sie in den 50er bis 70er Jahren ihren Vater besuchte, aufgetakelt in großem protzigen Auto und die reiche Westbürgerin heraus kehrend, keine Spur von kommunistischer Gesinnung. Die Bürger mußten gute Mine zum ekelhaften Spiel machen, da W. auch als alter Mann vom Staat immer noch hoch geehrt wurde als Opfer des Faschismus (OdF) und VVN (Vereinigung der Verfolgten des NS-Regimes).

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